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Wasser marsch?

Frank Sieren13. Februar 2014

Chinas Wasserreserven schrumpfen von Jahr zu Jahr. Die Knappheit könnte schon bald zu Konflikten mit den Nachbarn führen – als erstes dürfte es Südostasien treffen, meint DW Kolumnist Frank Sieren.

Severe Drought, Southwest China
Bild: dapd

Beginnen wir mit der guten Nachricht: Dass es ein Wasserproblem gibt, hat die Regierung in Peking längst erkannt. In einem Report aus dem vergangen Jahr heißt es ganz offen, dass sich die Wasserkrise des Landes weiter verschärft habe. In den Reservoiren und Stauseen werde nicht genug Wasser gespeichert, um eine effektive Versorgung zu garantieren. Auch das Grundwasser kann nicht mehr lange helfen: Der Regierungsbericht zählt 97,5 Millionen Brunnen in China, die das immer tiefer absackende Grundwasser anzapfen. Hinzu kommt: 40 Prozent des Flusswassers sind bereits durch Abwässer verseucht, 20 Prozent völlig unbrauchbar. Dass all diese Zahlen offen kommuniziert werden, ist zwar lobenswert und für die immer noch oft verschlossenen Machthaber in Peking nicht selbstverständlich.

Gefahr von Wasserkriegen

Das Problem ist nur: Eine Lösung, wie die drohende Wasserknappheit in den nächsten Jahrzehnten abgewendet werden kann, gibt es noch nicht. Sogar auf der Münchner Sicherheitskonferenz Ende Januar standen Chinas Wassersorgen deshalb auf der Tagesordnung. Durch einen Wasserengpass in Asien könnte es in Zukunft zu ausgewachsenen Konflikten kommen, wurde in München gewarnt. Diese Gefahr ist nicht von der Hand zu weisen. Zumindest ist sie viel begründeter, als die Furcht vor einem Krieg im Ostchinesischen Meer, der in letzter Zeit immer wieder heraufbeschworen wird. Dort streiten sich Chinesen und Japaner in scharfem Tonfall, weil die Ansprüche auf eine kleine Inselgruppe ungeklärt sind. Doch deshalb werden sich die beiden größten Wirtschaftsmächte des Kontinents sicher nicht gleich bekriegen. Der Schauplatz, der Asien und die Welt in Zukunft in Atem halten könnte, liegt gut 4000 Kilometer weiter westlich und deutlich höher über dem Meeresspiegel.

Viele Flüsse Asiens entspringen in China

Die Rede ist vom Himalaja. Fast alle großen Flüsse des südlichen Kontinents entspringen hier auf chinesischem Gebiet. Der Mekong etwa hat seine Quelle in Tibet und fließt zuerst durch China, dann an den Grenzen zu Burma und Thailand entlang durch Laos und Kambodscha bis zum Delta in Vietnam, wo er ins Südchinesische Meer mündet. Aber: Weil die Welt wärmer wird, schrumpfen auch die Gletscher in Tibet, wodurch von Jahr zu Jahr weniger Wasser dort ankommen wird. Dabei wird der Bedarf nach Trinkwasser noch steigen, weil die Bevölkerungen in der Region weiter wachsen und wohlhabender werden.

DW-Kolumnist Frank SierenBild: Frank Sieren

Schon jetzt beschweren sich Nachbarstaaten gelegentlich, dass China die Reserven zu sehr für sich beansprucht. Natürlich hat Peking zuerst sein eigenes Volk im Sinn. Das Land hat eine ganze Reihe von Staudämmen und Wasserkraftwerken errichten lassen, die den noch wenig entwickelten Osten des Landes mit Energie versorgen. Ein weiteres Megaprojekt dürfte bald dafür sorgen, dass noch weniger Wasser seinen Weg über die Grenze nach Südostasien findet.

Wasser aus dem Süden für die Hauptstadt

Grund dafür ist der Wassermangel in Chinas regenarmem Norden. Bislang kommt das meiste Wasser dort noch aus dem Boden. Aber der Grundwasserspiegel sinkt wegen der starken Wasserentnahme dramatisch. Deshalb wird schon seit mehr als einem Jahrzehnt an einem Kanal- und Röhrensystem gearbeitet, das Wasser vom Süden in den Norden schaffen soll - auch in die Hauptstadt. Die Flüsse, die Peking für dieses Projekt anzapft, werden ebenfalls von Schmelzwasser aus dem Himalaja gespeist. Damit entwickelt sich der Himalaya zur faktisch einzigen Frischwasserquelle der ganzen Nation! Peking wird sich deshalb genau überlegen, für wen dieser gewaltige Wasserhahn offen bleibt, und für wen er zugedreht werden muss.

Einerseits ist natürlich allen Seiten an stabilen Handelsbeziehungen gelegen. Die engen wirtschaftlichen Verflechtungen sind stets der wichtigste Grund, der gegen einen ernsthaften Konflikt zwischen China und seinen Nachbarn spricht. Doch geht es um etwa so Elementares wie den Zugang zu Trinkwasser, kann selbst dieses Argument schnell an Gewicht verlieren. Die Staaten Südostasiens stünden dem übermächtigen Nachbarn aus dem Norden bei einer Auseinandersetzung zunächst hilflos gegenüber. Doch was wäre, wenn sie sich im Kampf gegen die Wassernot zusammentun? Womöglich noch mit dem hochgerüsteten Indien, das ebenfalls einen Großteil seiner Wasserreserven aus dem Himalaja bezieht. Vor so einer Konstellation dürfte es sicher auch Peking grauen. Obwohl die Erderwärmung unumgänglich ist, bleibt allen Parteien noch Zeit, um gegenzulenken. Für sie lautet die wichtigste Aufgabe: Sie müssen schnell lernen, sparsamer mit der wichtigsten Ressource des Planeten umzugehen.

DW-Kolumnist Frank Sieren lebt seit 20 Jahren in Peking.