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Wasserknappheit im Iran: Absinkende Böden bedrohen Millionen

18. Juni 2024

Klimawandel im Iran: Immer mehr Menschen müssen aufgrund akuter Wasserknappheit ihre Heimat verlassen. Durch die Trockenheit sinken die Böden ab. Mehr als 800 Städte und Dörfer sind bedroht.

Wasserknappheit im Iran: Ein erlassene Boot steht auf dem Grund des ausgetrockneten Hamun-Sees im Osten des Landes
Einige Wasserreservoirs im Iran sind möglicherweise dauerhaft verloren. Das verlassene Boot steht auf dem Grund des ausgetrockneten Hamun-Sees im Osten des LandesBild: Mohammad Dehdast/dpa/picture alliance

In verschiedenen Regionen des Iran senkt sich der Boden ab. Den iranischen Behörden zufolge sind mehr als 800 Städte und Dörfer, darunter 16 Großstädte wie Teheran und Isfahan, von der Gefahr der Bodenabsenkung bedroht. Der Boden nahe der Hauptstadt Teheran sackt jährlich um bis zu 22 Zentimeter ab, normal wären rund 3 Zentimeter. Grund dafür ist die bedrohliche Wasserknappheit im Land, sagen Experten. 

"Das ist eine ernsthafte Krise, die mindestens die Hälfte der iranischen Gesellschaft betrifft", sagt Roozbeh Eskandari im Gespräch mit der DW. Eskandari, der in Kanada lebt, ist spezialisiert auf den Bau und die Instandhaltung von Wasserbauwerken wie Staudämmen und Hochwasserschutzanlagen. Er gehört zu den Experten, die seit langem vor den Folgen der Wasserknappheit im Iran warnen.

Wegen der Bodensenkung in der Stadt Isfahan haben viele historische Gebäude Risse bekommenBild: Fatemeh Bahrami/Anadolu/picture-alliance

"Die Bodensenkung aufgrund nicht nachhaltigen Wasserverbrauchs gefährdet die gesamte Infrastruktur des Landes, wie Pipelines, Stromtrassen und Eisenbahnen. Es ist dringend nötig, langfristige Lösungen zu finden und sie auch korrekt umzusetzen. Die verantwortlichen Behörden im Iran verlassen sich darauf, dass es irgendwann genug regnet und sich das Problem der schwindenden Wasserreservoirs von selbst löst."

Erst zu wenig Regen, dann zu viel

Tatsächlich hat es in den letzten Monaten im Iran mehr geregnet als in den vergangenen Jahren. Was ein Segen hätte sein können, verwandelte sich allerdings in einen Fluch: Die Niederschläge führten zu Überschwemmungen in verschiedenen Teilen des Landes, besonders in den ärmsten Provinzen wie Sistan und Belutschistan, die an Afghanistan und Pakistan grenzen. Der Klimawandel hat im Iran auch zu Extremwetterlagen mit langen Trockenperioden und heftigen Regenfällen geführt.

"Der Boden ist sehr trocken und kann nicht so schnell wieder viel Wasser aufnehmen. Wenn es plötzlich stark regnet, kommt es zu Überschwemmungen. Das Land ist auf diese Veränderungen nicht vorbereitet. Die Pläne der Regierung machen alles nur schlimmer", betont Eskandari weiter - und weist auf kurzfristige Scheinlösungen hin wie Umleitungsprojekte für Wasser oder den Bau von Staudämmen. Die würden alte regionale Konflikte um Wasser verschärfen und damit sogar den sozialen Frieden und Zusammenhalt der Gesellschaft gefährden.

Knappe Ressourcen und Missmanagement

Vor den Folgen des Klimawandels und deren Auswirkungen auf das wirtschaftliche und soziale Leben im Iran warnen Experten wie der renommierte Soziologe Saeed Madani seit Jahren. Madani, der über die wiederkehrenden Proteste wegen Dürre und Wasserknappheit im Süden des Landes recherchierte, sitzt seit Mai 2022 zum wiederholten Male im Gefängnis. Madani, Professor an der Universität Teheran, wurde in den vergangenen 15 Jahren immer wieder verhaftet; er warnt in seinen Büchern und Essays vor tiefen Rissen in der Gesellschaft auch wegen der Wasserknappheit.

Hochwasser trifft häufig die ärmsten Bevölkerungsgruppen am härtestenBild: Pouria Jahan/FARS

"Das Land leidet seit Jahrzehnten unter einer drastisch zunehmenden Wasserknappheit und hat nicht genug Ressourcen für seine wachsende Bevölkerung; die hat sich in den letzten 40 Jahren von 37 Millionen auf 83 Millionen Menschen mehr als verdoppelt," sagt Mansour Sohrabi im Gespräch mit der DW.

Sohrabi, der seit 2015 in Deutschland lebt, ist Experte für Ökologie und Umweltthemen. "Aufgrund des nicht nachhaltigen Wasserverbrauchs in der weiterhin wachsenden Landwirtschaft zur Steigerung der Lebensmittelproduktion, wegen Missmanagement und überhöhtem Wasserverbrauch in der Industrie und den Haushalten, sehen wir in vielen Teilen des Landes eine irreversible Erschöpfung und Schädigung der Grundwasserreservoirs. Einige Reservoirs sind möglicherweise dauerhaft verloren, was der Hauptgrund für die Bodensenkungen in zahlreichen Provinzen des Landes ist."

Klimaflüchtlinge im eigenen Land

Laut Statistiken der iranischen Umweltbehörde ist die Zahl der Klimaflüchtlinge innerhalb des Iran allein in den letzten zwei Jahren um 800.000 Menschen gestiegen. Diese Statistiken, die letzten Monat veröffentlicht wurden, beziehen sich auf Menschen, die aufgrund der Klimaveränderungen, insbesondere der Wasserknappheit im Zentrum und Süden des Landes, in die nördlichen Provinzen und die Städte rund um die Hauptstadt Teheran gezogen sind.

Laut Statistiken des Forschungszentrums des iranischen Parlaments sind in den letzten 30 Jahren mindestens 30 Millionen Menschen auf der Suche nach einem besseren Leben innerhalb des Landes umgezogen - mehr als ein Drittel der Bevölkerung. Drei Viertel der Gesamtfläche des 83 Millionen Einwohner zählenden Irans gelten als komplett trockene Regionen.

Landwirtschaft ohne Wasser

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Bei wohlhabenden Klimaflüchtlingen sind die zwei grünen Provinzen am Kaspischen Meer das bevorzugte Ziel. Dort haben sich die Immobilienpreise in den letzten 30 Jahren mehr als verzehnfacht. Mehr als ein Fünftel der Wälder und landwirtschaftlichen Flächen am Kaspischen Meer wurden gerodet, um neue Häuser zu errichten. Dabei sind nur sieben Prozent der Landesfläche des Irans mit Wald bedeckt.

"Die Lage ist ernst, denn das Land leidet unter einem chronischen Missmanagement im Bereich Umwelt", warnt Ökologe Sohrabi. "Industrie und Landwirtschaft müssen an den Klimawandel angepasst werden", fordert er. "Der Iran hat keine reversiblen Ressourcen für 80 Millionen Einwohner. Die Behörden im Iran müssen jetzt tätig werden und sie brauchen eine konstruktive Zusammenarbeit mit jenen Ländern, die mehr Wissen und Erfahrung im Umgang mit knappen Wasserressourcen haben. Sonst werden Teile des Landes unbewohnbar."