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Droht ein Wasserkrieg mit Äthiopien?

Ludger Schadomsky19. Juni 2013

Der Streit zwischen Ägypten und Äthiopien um das lebenswichtige Nilwasser ist uralt. Nun droht der Konflikt wegen eines neuen Staudammprojektes zu eskalieren. Aber geht es wirklich nur ums Wasser?

Umleitung des blauen Nil für den Renaissance-Damm (Foto: William Lloyd-George/AFP/Getty Images)
Bild: William Lloyd-George/AFP/Getty Images

Seit Jahrzehnten streiten sich Ägypten und Äthiopien um die Rechte am Nilwasser. Schon der gestürzte ägyptische Präsident Hosni Mubarak verkündete: Jede Begrenzung des Nilflusses durch Äthiopien werde sein Land "zur Konfrontation drängen, um unsere Rechte und unser Leben zu verteidigen." Sein Nachfolger Mohammed Mursi formuliert es so: "Wir wollen keinen Krieg, aber lassen uns alle Optionen offen." Aus Äthiopien antwortete seinerzeit der damalige Premierminister Meles Zenawi: "Wenn Ägypten Äthiopien daran hindern will, das Nilwasser zu nutzen, dann müsste es unser Land besetzen - und das hat in der Vergangenheit kein Land der Erde getan." Und sein Nachfolger, Hailemariam Desalegn, erklärte jüngst: "Niemand und nichts" werde den Dammbau stoppen.

Mammutdamm

Es geht um ein Projekt mit einem vielversprechenden Namen: Der "Große Renaissance Damm" wird derzeit am äthiopischen Oberlauf des Blauen Nils errichtet, nahe der sudanesischen Grenze. Damit verärgert Äthiopien Ägypten, das um sein Wasser fürchtet. Anders als bei früheren Dammbauten und Bewässerungsprojekten ist die schiere Kapazität und Größe des 4,2 Milliarden US-Dollar teuren Mammutvorhabens auch durchaus geeignet, Ängste bei den Anrainern auszulösen.

Ist der Damm einmal fertig gestellt, werden die Turbinen 6000 Megawatt Strom erzeugen und Äthiopien zum größten Energieproduzenten Afrikas machen. Deshalb hat das Vorhaben für die Regierung in Addis Abeba eine vergleichbare Bedeutung wie etwa der Drei-Schluchten-Damm für China: Es ist ein hochpolitisches Prestigeprojekt, für das Staatsbedienstete zur Kasse gebeten und Landsleute im Exil um die Zeichnung von Anleihen ersucht werden. Die Regierung besteht darauf, dass man den gigantischen Damm aus eigenen Mitteln bauen kann - nur von China hat man einen Kredit über eine Milliarde US-Dollar für Stromzuleitungen akzeptiert.

Ägypten fürchtet, dass Äthiopiens "Renaissance"-Staudamm das Nilwasser verringert

Alter Wasserstreit

Grundlage für den alten Wasserstreit zwischen Ägypten und Äthiopien sind zwei Abkommen aus den Jahren 1929 und 1959: Damals sprach die damalige britische Kolonialherrschaft Ägypten und Sudan das gesamte Nilwasser zur landwirtschaftlichen Nutzung zu. Ägypten bekam außerdem das Recht, sein Veto gegen Bauprojekte stromaufwärts einzulegen. Das Bittere für Äthiopien: Es beheimatet zwar die Quelle des Blauen Nils - der fließt aber vor allem durch das Hochland. Felder kann er nur in geringem Maße bewässern. Durch Ägypten dagegen fließt der wasserreiche Nil - der Zusammenschluss aus Weißem und Blauem Nil -, bewässert die Felder und sorgt für eine florierende Landwirtschaft. Im Dürreland Äthiopien dagegen hungern nach wie vor Millionen Menschen.

Im Süden Äthiopiens entsteht der ähnlich groß dimensionierte Staudamm Gibe IIIBild: JENNY VAUGHAN/AFP/GettyImages

Ein Fünftel des Renaissance-Damms ist bereits fertig gestellt. Im Mai haben die Äthiopier angefangen, den Fluss in ein neues Bett umzuleiten, um den Bau der Staumauer zu ermöglichen. Jetzt läuten in Kairo die Alarmglocken. Dabei hatte zuvor eine zehnköpfige Expertenkommission, in der übrigens auch Kairo vertreten war, festgestellt: Ägypten brauche keine langfristigen Folgen für den Wasserhaushalt zu fürchten. Es gelte als gesichert, dass Staudammkraftwerke die Wassermenge des Nils auf lange Sicht nicht verringerten.

Steht ein Wasserkrieg bevor ?

Trotzdem entwickelt sich der Streit nun zu einer diplomatischen Schlammschlacht. Im Fernsehen diskutierten ägyptische Politiker jüngst live über die Sprengung des Damms oder die gezielte Unterstützung äthiopischer Rebellengruppen. Später verkündeten Beteiligte, man habe nicht gewusst, dass die Kameras liefen.

Bislang profitiert Äthiopien wenig vom Wasserreichtum des Blauen NilBild: CC/Mark Abel

Am vergangenen Donnerstag (13.06.2013) verabschiedete das äthiopische Parlament daraufhin demonstrativ und einstimmig das sogenannte Entebbe-Abkommen aus dem Jahr 2010 - es soll die umstrittenen Verträge aus der Kolonialzeit ersetzen. Auch die Nil-Anrainer Ruanda, Tansania, Uganda, Kenia und Burundi haben das Schriftstück zu Ungunsten Ägyptens bereits ratifiziert, die Demokratische Republik Kongo und Südsudan wollen ebenfalls beitreten.

Am heutigen Dienstag (18.6.2013) trafen sich in Addis Abeba wie seit Wochen angekündigt zunächst die beiden Außenminister Äthiopiens und Ägyptens, um die Spannungen etwas zu entschärfen. Gastgeber Tedros Adhanom ließ anschließend verlauten, Äthiopien wolle den Damm in einer Weise bauen, die "Ägyptens Sorge um das Nilwasser Rechnung trage". Beide Seiten verständigten sich auf weitere "Konsultationen auf technischer und politischer Ebene" in einem "Geist brüderlicher Beziehungen". Dass jenseits aller freundlichen Rhetorik mit Sudan ein dritter Anrainer am Verhandlungstisch sitzt, dürfte der Sache dienen - zu groß ist das Misstrauen zwischen Kairo und Addis Abeba.

Doch insgesamt drängt sich der Verdacht auf, dass es weniger um das Nil- als vielmehr um jenes Wasser geht, welches sowohl dem Ägypter Mursi als auch dem äthiopischen Premier Desalegn sprichwörtlich bis zum Hals steht: Beide sind im eigenen Land - vor allem bei der Jugend - unbeliebt. Und mit chauvinistischen Sprüchen und verbalem Säbelrasseln wollen sie beim Volk nun offenbar punkten. Trotz des verbalen Schlagabtausches zwischen Kairo und Addis Abeba sehen Experten aber keine konkrete Kriegsgefahr. Gegen die disziplinierte Armee Äthiopiens dürfte das ägyptische Militär schlecht gerüstet sein - einmal abgesehen davon, dass es logistische Probleme gäbe: Die beiden Länder haben keine gemeinsame Grenze. "Drohungen aus Kairo, die Dämme zu sabotieren, haben sich in der Vergangenheit immer als 'Bluff' erwiesen", so der renommierte Konfliktforscher Ashok Swain von der Universität Uppsala in Schweden.

Fakten schaffen

Inzwischen hat sich die Afrikanische Union als Vermittler angeboten - das hat Addis Abeba aber recht brüsk ausgeschlagen. In den kommenden Tagen wird Ägyptens Außenminister in der äthiopischen Hauptstadt erwartet. Vorab aber ließ ein äthiopischer Regierungssprecher die Gegenseite schon wissen: Äthiopien sei "nicht eingeschüchtert von der psychologischen Kriegsführung Ägyptens" und werde den Dammbau "keine Sekunde" aufhalten. Damit nicht genug: Demonstrativ verabschiedete das äthiopische Parlament am Donnerstag (13.06.2013) einstimmig das sogenannte Entebbe-Abkommen aus dem Jahr 2010 - es soll die umstrittenen Verträge aus der Kolonialzeit ersetzen. Äthiopien ist übrigens nicht allein: Auch die Nil-Anrainer Ruanda, Tansania, Uganda, Kenia und Burundi haben das Schriftstück ratifiziert. Die Demokratische Republik Kongo und Südsudan wollen ebenfalls beitreten, Eritrea hat Beobachterstatus - keine guten Aussichten für Ägypten.

Der Assuan-Damm spielt eine zentrale Rolle für die Bewässerung und Stromerzeugung in ÄgyptenBild: picture alliance/Huber

Eine ganz praktische Lösung wird schon seit Jahrzehnten propagiert: Ägypten könnte die Wassernutzung für seine Landwirtschaft effizienter machen. Bislang vergeudet es das kostbare Nass durch antiquierte Bewässerungstechniken. Mögliche geringfügige Verluste durch Äthiopiens Staudamm könnte es so durch eigene Anstrengungen auffangen. Das Problem: Beim ägyptischen Wahlvolk dürfte diese Botschaft nicht gut ankommen.

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