Ein Ort der Symbolik
15. April 2010Krakau gilt seit dem Mittelalter als heimliche Hauptstadt Polens. In der einstigen Residenz der polnischen Könige, dem Wawel in Krakau, sind Monarchen und hochrangige Persönlichkeiten begraben. Dort soll am Sonntag (18.04.2010) der am vergangenen Wochenende bei einem Flugzeugabsturz getötete Staatspräsident Polens, Lech Kaczynski, begraben werden.
Der Wawel ist ein Hügel oberhalb der Altstadt von Krakau mit Blick auf den Fluss Weichsel. Nach einer Chronik soll hier der legendäre Herrscher Krak in einer Höhle einen Drachen getötet haben. Die mittelalterliche Burg war die Residenz der polnischen Könige und wurde zwischen dem 14. und 18. Jahrhundert zu einer Festung ausgebaut. Zusammen mit der gotischen Kathedrale bildet sie einen Gebäudekomplex, in dem fast 20 polnische Könige ihre letzte Ruhestätte fanden.
Ruhestätte für die Retter der Nation
Der Krakauer Wawel war das Machtzentrum des Königreiches Polen–Litauen bevor die Hauptstadt am Ende des 16. Jahrhunderts nach Warschau verlegt wurde. Als Krönungs- und Begräbnisstädte der polnischen Adelsrepublik hat Krakau bis zum heutigen Tag für Polen eine übergeordnete Bedeutung. Mythischen Glanz strahlt der Wawel auch deshalb aus, weil hier mit Wladyslaw II., dem Bezwinger des Deutschen Ritterordens in der Schlacht von Grunwald 1410, und Johann III. Sobieski, dem Sieger über die Türken 1683, zwei weitere Nationalhelden Polens begraben sind.
Die Wawel-Kathedrale ist heute Bischofskirche des Erzbistums Krakau. Dass Kaczynski hier und nicht auf dem Ehrenfriedhof in Warschau beerdigt wird, hat auch deswegen Symbolwert, weil er neben seinem Vorbild Jozef Pilsudski, dem Architekten der Unabhängigkeit Polens nach dem ersten Weltkrieg, begraben werden soll. Auch der 1943 tragisch über Gibraltar und aus ungeklärten Gründen abgestürzte Oberbefehlshaber der polnischen Armee, Wladislaw Sikorski, hat hier seine letzte Ruhestätte gefunden.
Während der Nazi-Herrschaft über Polen residierte hier der deutsche Generalgouverneur Hans Frank. Der SS-Mann war für den Terror der Nazis in Polen verantwortlich und für den Abtransport zahlreicher Kulturgüter ins Deutsche Reich. Seit 1978 gehört der Wawel zusammen mit der Krakauer Altsstadt zum Weltkulturerbe der UNESCO. Gegen den Ort der Beisetzung Kaczynskis hatte es zuletzt in Polen zahlreiche Proteste gegeben.
Autor: Daniel Scheschkewitz
Redaktion: Fabian Schmidt