Weblog oder Blogwurst?
15. April 2010
"Hier in der Jury kann ich Menschen treffen, die man sonst nur durch Blogs kennt", sagt Claire Ulrich. Sie hat braune schulterlange Haare und ein offenes Lächeln. Die 50-Jährige aus Paris arbeitet für Global Voices, eine Internetplattform, die Informationen von weniger beachteten Blogs auf einer Seite bündelt. "Außerdem kann ich hier den anderen sagen, was in der eigenen Blogosphäre los ist."
In den vergangenen Monaten konnten Internetuser aus aller Welt Webseiten vorschlagen, die sie für besonders engagiert, informativ oder witzig hielten. Rund 8400 Blogs haben sie insgesamt empfohlen. Daraus wurden 187 ausgewählt, nun soll die zwölfköpfige Jury auf der Blogger-Konferenz "re-publica" in Berlin die Gewinner ermitteln.
Blogexperten unter sich
Claire Ulrich sitzt zum ersten Mal in der Jury der Deutsche Welle Blog Awards, auch BOBs genannt. Sie besteht aus Journalisten, Medienwissenschaftlern und Bloggern aus insgesamt elf Ländern, darunter Bangladesch, Iran und den USA. Auf den Tischen haben sie ihre Mobiltelefone und Laptops aufgebaut. Konzentriert schauen sie auf die Projektionsleinwand, wo gerade animierte Zeichentrickfilme eines russischen Videobloggers laufen.
Ullrich spricht Englisch und Französisch. Bei den BOBs muss sie über Webseiten in neun weiteren Sprachen entscheiden. Daher präsentiert jedes Jurymitglied Weblogs, Videoblogs und Podcasts aus seinem Heimatland. Michael Anti aus China zum Beispiel stellt den Blog "China Dialogue" vor. Ihm gefällt daran die Idee, einen Blog über Klimaschutz auf englisch und chinesisch zu führen. Dann beraten die Experten, argumentieren zum Teil leidenschaftlich, bevor sie per Handzeichen abstimmen.
Die BOBs sollen die Vielfalt der Blogosphäre zeigen und den Austausch von Informationen, Meinungen und Ideen fördern. Auch weniger bekannte Blogs sollen eine Chance bekommen, auf sich aufmerksam zu machen, wie zum Beispiel das Onlinetagebuch jugendlicher Ureinwohner aus einem Reservat in Brasilien.
Herausforderung in elf Sprachen
Vanina Berghella aus Buenos Aires in Argentinien ist schon zum zweiten Mal in der Blog Award-Jury. Keine leichte Aufgabe, findet die 36-Jährige. "Es ist schwierig, einen Blog mit wunderbaren Fotos und kurzen Texten mit einem professionell produzierten Videoblog zu vergleichen, oder mit einem Blog über die neusten Technologietrends."
Die Vielfalt unter den Nominierten ist enorm. Daher stehen elf Kategorien auf dem Programm der Jury - darunter der beste Weblog weltweit. Aber auch Preise für den Einsatz für freie Meinungsäußerung oder gegen den Klimawandel vergibt die Jury. Außerdem gibt es den "Blogwurst Award", eine Auszeichnung für die witzigste oder skurrilste Blogidee. Und sie küren den besten Blog in jeder der elf Jurysprachen.
Vanina Berghella schreibt selbst regelmäßig Blogposts. Auf ihrer Seite "La Propaladora" beschäftigt sich die Journalistin mit den Medien und dem Internet. "Heute haben alle Blogs ähnliche technische Mittel und ähnliche Strukturen", sagt sie. Für sie sind deshalb kreative Sprache und die Interaktion mit den Lesern ausschlaggebend. Die Blogs müssen über den Inhalt auffallen. "Das Format spielt keine Rolle, sei es als Textblog oder Audioblog. Wichtig ist das, was in diesem Blog ausgedrückt wird."
Twittern verboten
Claire Ulrich findet, ihr persönlicher Geschmack spielt bei den BOBs keine Rolle. Vielmehr kommt es ihr darauf an, wie der Blogger mit seiner Zielgruppe umgeht und welche Bedeutung sein Blog für ihn selbst hat. "Mich hat ein Blog aus Palästina, aus Gaza, sehr berührt, denn es ist so schwierig, von dort zu bloggen." Schließlich könne man sich in Gaza nicht frei bewegen, meint Claire Ulrich, daher sei ein Blog in Gaza "wie ein Rettungsanker".
Nach acht Stunden stehen sechs der 17 Gewinner fest. Sie auf dem eigenen Blog oder über Twitter zu veröffentlichen, ist streng verboten. Das muss bis Donnerstag (15.04.2010) warten, dann werden die Gewinner offiziell auf der Blogger-Konferenz re-publica in Berlin bekannt gegeben.
Autorin: Nina Plonka
Redaktion: Manfred Götzke