Webmagazin für afrikanische Kunst
23. März 2013Der Kunstbetrieb ist eine kleine Welt. Fremde haben nur begrenzt Zutritt. So wissen immer noch viel zu wenige Menschen, dass sich seit dem Ende der Apartheid in Südafrika und mit der fortschreitenden Globalisierung auch eine lebendige afrikanische Kunstszene herausgebildet hat. Einige westliche Kuratoren haben darauf reagiert und versucht, in großen Ausstellungen die Aufmerksamkeit auf das Kunstschaffen des afrikanischen Kontinents zu richten. In Zukunft sollen sie im Magazin "Contemporary and" (C&) Impulse bekommen. Ein Auftritt, der nicht nur Zustimmung findet.
Zeitgenössische Kunst aus Afrika hat in den vergangenen Jahren punktuell in großen Museen ein Forum gefunden. "Magiciens de la Terre" (Magier der Erde) im Pariser Centre Pompidou im Jahr 1989 machte den Anfang. Als erste Gruppenschau präsentierte sie westliche neben nicht-westlicher Kunst. 2002 leitete der gebürtige Nigerianer Okwui Enwezor als Kurator die elfte Weltkunstschau "documenta" in Kassel und präsentierte Werke von immerhin fünf afrikanischen Künstlern. Inzwischen leitet Enwezor das Münchner Haus der Kunst und zeigt auch dort zeitgenössische afrikanische Kunst, etwa vom Südafrikaner Kendell Geers.
In Düsseldorf versuchte 2004 das Museum Kunstpalast, zeitgenössische Kunst des gesamten afrikanischen Kontinents zu präsentieren. Knapp neunzig Künstler aus 25 afrikanischen Ländern boten den bislang umfassendsten Überblick über die Vielseitigkeit der künstlerischen Positionen auf diesem riesigen Kontinent. Zuletzt luden große Berliner Museen fünf afrikanische Künstler ein, damit sie an verschiedenen Orten in der Ausstellung "Who knows tomorrow" ihren Blick auf die deutsche Kultur vorstellen.
Ein Kontinent im Schnelldurchlauf
Doch auch wenn sich die postkoloniale Kunst Afrikas emanzipiert hat und Künstler wie Chéri Samba, Georges Adéagbo, António Ole, Frédéric Bruly Bouabré oder Zarina Bhimji in Ausstellungshallen und Galerien zu entdecken sind: In deutschen Museumssammlungen befindet sich so gut wie kein Werk dieser Künstlerinnen und Künstler.
Das Institut für Auslandsbeziehungen will den Informationsfluss verbessern. Deshalb hat es das Onlinemagazin "C&" ins Leben gerufen, das es auch finanziell unterstützt. Dort sollen afrikanische Künstler präsentiert und besser miteinander vernetzt werden. "In den vergangenen fünfzehn Jahren wurde zwar darauf geachtet, dass Kunst aus Afrika ausgestellt wird - aber immer noch viel zu wenig, weil die westliche Kunstproduktion den Markt bestimmt," erklärt Julia Grosse, Chefredakteurin von "C&". In Wirklichkeit dominiere immer noch der westliche Kunstmarkt. Die User von "C&" sollen deshalb einen ganzen Kontinent im Schnelldurchlauf erobern können: Es gibt Veranstaltungstipps, Künstlerinterviews, Informationen über kunsthistorische Standardwerke zum Thema und einen virtuellen Ausstellungsraum, in dem jeden Monat ein Künstler vorgestellt wird.
Eher London als Lagos
In den ersten Texten des Magazins sind vor allem Künstlerinnen und Künstler zu entdecken, die vorwiegend mit Malerei und Installation arbeiten und nicht auf dem afrikanischen Kontinent, sondern in der Diaspora leben. Da wäre zum Beispiel die Künstlerin Dineo Seshee Bopape. Sie ist in Südafrika aufgewachsen, hat in New York und in Amsterdam studiert und lebt jetzt in Kanada. Eine Künstlerin mit einer Bilderbuchkarriere also.
Muss aber ein Global Player wie Yinka Shonibare vorgestellt werden? Fragt Marcel Odenbach, selber Künstler und Kenner des afrikanischen Kunstbetriebs. Der gebürtige Nigerianer Shonibare sei längst international bekannt. Er lebt schon seit vielen Jahren in London, wo auch die Redaktion von "C&" sitzt, für die er als Berater tätig ist. Solche Erfolgsgeschichten könnten einen falschen Eindruck vom Kunstschaffen auf dem afrikanischen Kontinent hinterlassen.
Westliche Perspektive
Dort herrschten andere Regeln, erklärt Odenbach. Der Videokünstler aus Köln hat einen zweiten Wohnsitz in Ghana, wo er eine Zeit lang an der Kunstschule UST in Kumasi unterrichtete. "In Ghana, einem der reichsten und demokratischen Länder in Westafrika, ist die Situation für Künstler deprimierend. Kritik und selbständige Positionen sind nicht erwünscht. Man kann dort nicht als Künstler überleben, ohne Kompromisse einzugehen. In der Zeit, in der ich unterrichtet habe in Ghana, gab es viele begabte und gute Studenten, die ich auch versucht habe durch Stipendien zu fördern: Nicht einer davon ist dann bei der Kunst geblieben. Viele von ihnen arbeiten jetzt sogar für irgendwelche Kirchen." Zahlreich seien hingegen die, die ihre Heimat verlassen haben. Die wenigsten kehrten zurück, um dort die Situation zu verbessern.
Odenbach, der bereits Ausstellungen mit afrikanischen Künstlern kuratiert hat und Herausgeber einer Publikation über Kunst und Kultur in Afrika ist, zeigt sich von der ersten Ausgabe des neuen Magazins enttäuscht. "Das Afrikabild ist konservativ und langweilig", sagt Odenbach. Keine Bewegtbilder, keine Überraschungen. "Vieles, wofür zeitgenössische afrikanische Kunst für mich steht, fehlt: Experimentelle Projekte haben kaum Platz - wie Slum TV aus Nairobi, Fernsehen für und aus dem Slum, oder öffentliche Interventionen, wie sie in vielen afrikanischen Ländern zu entdecken sind."
"Das Afrikabild ist konservativ und langweilig"
Afrikanische Künstler remixten in ihren Arbeiten die Traditionen des globalen Kunstdiskurses, ohne dabei jedoch ihre eigenen Wurzeln aus den Augen zu verlieren, so Odenbach. "Sie arbeiten viel mit Video, Fotografie, Performance oder Internet. Grenzen von Mode, Theater, Film verwischen." Solche neuen Präsentationsformen und engagierte Kunst habe nicht nur eine größere Relevanz, sondern auch eine größere Aussicht auf Finanzierung und Wirkung im Land als Malerei, "die eh dort keiner kauft" und die stark von westlichen Vorstellungen über Afrika geprägt ist. Um das Netzwerk zu stärken, was nach Meinung Odenbachs dringend nötig ist, solle das Magazin lieber in Kisuaheli oder Portugiesisch als in die deutsche Sprache übersetzt werden.
Kritik übt auch Peter Herrmann, altgedienter Galerist und Mitglied der "Deutschen Afrika Stiftung". Er wünscht sich, dass die "seit vielen Jahren ehrenamtlich arbeitenden Akteure in Deutschland, die afrikanische Kunst hierzulande sichtbar machen, Unterstützung bekommen - statt eines Magazins mit Sitz in London". Ein Internetmagazin hält er für überflüssig, weil die Zugangsbedingungen in Afrika immer noch katastrophal seien.
Hohe Erwartungen also an die künftige Arbeit des Magazins. Die erste "Ausgabe" des Webmagazins "C&" ist bereits online.