Wechseljahre: Was sind bioidentische Hormone?
24. April 2025
Mehr als jede zweite Frau leidet in den Wechseljahren, also vor und nach der letzten Menstruationsblutung, unter Hitzewallungen und Schweißausbrüchen. Auch Schlafstörungen, Scheidentrockenheit, Gelenkschmerzen oder Depressionen sind verbreitete Symptome.
Östrogen: Hilfe gegen Hitzewallungen
Am effektivsten gegen Hitzewallungen hilft laut Leitlinien der Gynäkologischen Gesellschaften aus Deutschland, Österreich und der Schweiz das weibliche Sexualhormon Östrogen, auch Estrogen genannt.
An ihm mangelt es dem weiblichen Körper nach der Menopause, also nach der letzten Regelblutung. Dann sind die Eizellen verbraucht, deren Hüllen das meiste Östrogen im weiblichen Körper produzieren. Allerdings fehlt dann auch der Gegenspieler des Östrogens, das Gelbkörperhormon Progesteron, erklärt Katrin Schaudig, Frauenärztin und Präsidentin der Deutschen Menopause Gesellschaft.
"Wenn Frauen über einen langen Zeitraum nur Östrogene nehmen, gibt es einen zu starken Aufbau der Gebärmutterschleimhaut und das kann im schlimmsten Fall in einem Karzinom enden. Wenn wir Östrogen einsetzen, brauchen wir das Progesteron zum Schutz vor Gebärmutterschleimhautkrebs." Wichtig sei, dass Progesteron ausreichend hoch dosiert werde, so Schaudig.
In der modernen Hormon-Ersatztherapie (HET) werden hauptsächlich sogenannte bioidentische Hormone verwendet: Progesteron sowie Östradiol/Estradiol, das gegen Hitzewallungen wirkt, und Östriol/Estriol, das gegen trockene Vaginalschleimhaut hilft. Diese beiden zählen zur Gruppe der Östrogene. Die molekulare Struktur der bioidentischen Hormone entspricht denen der körpereigenen Hormone.
Bioidentische Hormone schützen Frauen vor Alterserkrankungen
Bioidentisches Östrogen und Progesteron können viele altersbedingte Stoffwechselerkrankungen verhindern, unter denen Frauen nach der Menopause leiden. Dazu zählten vor allem abnehmende Knochendichte und Knochenbrüche, Arterienverkalkung, Thrombosen, Herzinfarkt, Schlaganfall, Nierenschwäche und Demenz, zählt Helena Orfanos-Boeckel auf. Die Fachärztin für innere Medizin und Nierenheilkunde hat sich auf das Thema Nährstoffe und Hormone spezialisiert.
"Auch Haut, Schleimhäute, Gelenke und die Mundgesundheit profitieren von einer HET. Alle Prozesse im Körper sind biochemisch im weitesten Sinne von Hormonen abhängig und mit Hormonen altert es sich gesünder."
Was unterscheidet bioidentische Hormone von Hormon-Derivaten?
Früher wurden Frauen in den Wechseljahren oder nach der Menopause mit Substanzen behandelt, die den Hormonen des menschlichen Körpers in ihrer Struktur nur zu geringen Anteilen entsprachen: mit sogenannten Hormon-Derivaten.
"Obwohl diese Substanzen körperfremd sind, wurden und werden sie verkürzt immer noch als "Hormone" bezeichnet", erklärt Orfanos-Boeckel. "Und diese falsch benannten Substanzen, die in Wahrheit den Hormonhaushalt unterdrücken, haben im Gegensatz zu den bioidentischen Hormonen ein Nebenwirkungspotenzial."
Derivate des natürlichen Progesterons und auch des Testosterons wurden und werden beispielsweise in der Anti-Baby-Pille eingesetzt, um den Eisprung zu verhindern.
Kein erhöhtes Thromboserisiko durch bioidentische Hormone
Manche Progesteron-Derivate haben einen ungünstigen Effekt auf die Blutgerinnung und können das Risiko für Thrombosen und Schlaganfälle erhöhen. Dieses Risiko habe bioidentisches Progesteron laut aktueller Studienlage nicht, betonen Orfanos-Boeckel und Schaudig.
Beim Östrogen kommt es auf die Anwendungsform an. Egal ob bioidentisch oder Östrogen-Derivat: Wird es geschluckt, also über die Leber verstoffwechselt, dann steigt das Thromboserisiko. Deswegen wird Östradiol/Estradiol in der modernen Hormon-Ersatztherapie in der Regel über die Haut als Gel, Pflaster oder Spray eingenommen. So umgeht man das Risiko der Blutgerinnung.
Fördert eine Hormon-Ersatztherapie das Brustkrebsrisiko?
Frauen, die bereits Brustkrebs hatten oder haben, wird auch von bioidentischen Hormonen abgeraten. Denn, so Schaudig: "Zwar streiten die Experten noch, ob das Östrogen den Krebs wirklich entstehen lässt. Aber was wir wissen, ist, dass Östrogene das Wachstum von Brustkrebszellen fördern können, auch von Vorstufen oder Frühformen. Und auch das Östrogen, das der Körper selbst herstellt, begünstigt das Wachstum von Brustkrebszellen - das ist so eine Art hormonelle Düngung dieser Zellen."
Bei Frauen, die keinen Brustkrebs haben, stieg das Brustkrebsrisiko bei einer HET mit bioidentischem Östrogen und Progesteron in einer Studie erst nach sechs bis neun Jahren sehr leicht an. "Es ist keine gute Studie, es ist nur eine Beobachtungsstudie, aber es ist die einzige, die wir haben." Allerdings betont Schaudig: "Zwei Glas Wein am Abend machen viel mehr Risiko, Übergewicht macht per se mehr Risiko, kein Sport macht ebenfalls mehr Risiko."
Wichtig sei, die Brust in den Wechseljahren regelmäßig untersuchen zu lassen, betonen beide Medizinerinnen - und zwar egal ob mit oder ohne Hormon-Ersatztherapie.
Gefahrlos sind dagegen nach aktuellem Wissensstand niedrig dosierte hormonhaltige Vaginalcremes oder -zäpfchen. Hier kommt bioidentisches Östriol/Estriol zum Einsatz. Diese Unterform des Östrogens wirkt gegen die Verkümmerung und Austrocknung der Scheidenhaut - und schützt so vor Blasenentzündungen und Schmerzen beim Sex.
Wie lange können bioidentische Hormone genommen werden?
Oft ist vom sogenannten "Window of Opportunity" die Rede. Es besagt: Je früher Frauen nach der letzten Regelblutung mit einer Hormon-Ersatztherapie starten, desto besser wirkt diese gegen Alterserkrankungen, vor allem gegen Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems.
Es sei aber durchaus möglich auch noch mehrere Jahre später mit den Hormonen zu starten, sagt Frauenärztin Schaudig. "Sie werden wahrscheinlich keinen Schutz fürs Herz-Kreislauf-System mitnehmen, Sie werden sich aber trotzdem vor Osteoporose schützen, auch nach fünf Jahren, und Sie werden sich auch vor Diabetes schützen."
Eine Einschränkung aber gibt es für einen späten Beginn: Wenn Frauen schon beschädigte Gefäße haben, könnten sich dann durch die Einnahme von Hormonen, auch den bioidentischen, möglicherweise Thrombosen bilden. Für diese Frauen sei es extrem wichtig, den Cholesterinspiegel im Zaum zu halten, so Schaudig, auch durch Medikamente, und "dass der Blutdruck top eingestellt ist".
Unsere Quellen unter anderen:
Leitlinien der Deutschen Menopause Gesellschaft
Leitfaden der Gesellschaften für Gynäkologie zur Peri- und Postmenopause
E3N-Beobachtungsstudie zu Hormonen, Hormon-Derivaten und Brustkrebs