Pünktlich vor dem Treffen der Mächtigen im schweizerischen Davos präsentiert das World Economic Forum die Risiken, mit denen die Welt es jetzt zu tun hat: den jährlichen "Risk Report" - die Umwelt steht darin ganz vorn.
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"Es ist die Wirtschaft, Dummkopf!" Der inzwischen klassische Spruch eines gewesenen US-Präsidenten gilt nicht mehr, wenn das World Economic Forum (WEF) recht hat: Es ist die Umwelt, die die größten Risiken für die Welt bereithält. Wenn es um die Wahrscheinlichkeit langfristiger Risiken für die Weltgemeinschaft steht, dann stehen der Klimawandel und seine Folgen ganz vorn auf der Sorgen-Liste.
Das ist die Kernaussage des Global Risk Report, den das World Economic Forum (WEF) am Mittwoch veröffentlichte, zum 15. Mal und kurz vor dem 50. Jahrestreffen des WEF, das nächste Woche in Davos beginnt. Für die Risiko-Einschätzung des WEF werden mehr als 750 Experten weltweit befragt. Sie sollen sich dabei zu ihren größten Sorgen für die Entwicklung des Planeten äußern, je nach Wichtigkeit und Wahrscheinlichkeit.
"Klimawandel härter und schneller"
"Ein Scheitern beim Klimaschutz und bei der Anpassung an den Klimawandel" - das ist laut Report die Hauptsorge der Befragten, wenn es um die Risiken der kommenden zehn Jahre geht. "Der Klimawandel trifft uns härter und schneller als von vielen erwartet", heißt es dazu in dem WEF-Bericht. Die vergangenen fünf Jahre seien die wärmsten seit Beginn der Aufzeichnungen gewesen. "Naturkatastrophen werden häufiger, und sie werden stärker."
Eine besondere Sorge der befragten Expertinnen und Entscheidungsträger gilt dabei dem Artensterben. Die derzeitige Geschwindigkeit, mit der Tier- und Pflanzenarten verloren gingen, sei tausende Mal höher als im Durchschnitt der vergangenen zehn Millionen Jahre - und sie würde zunehmen. "Das Artensterben hat dramatische Folgen für die Menschen", so die Autoren des Berichts, "vom Kollaps von Ernährungs- und Gesundheitssystemen bis zur Unterbrechung ganzer Versorgungsketten."
Die Folgen wirtschaftlicher Alleingänge
Wirtschaftliche und politische Risiken gehen natürlich in dieses allgemeine Bedrohungsszenarium ein - mindern sie doch die Möglichkeiten der Staaten und der Weltgemeinschaft, angemessen auf die umfassenderen Umweltschäden durch den Klimawandel zu reagieren. So stehen an Platz eins der Sorgenskala für das laufende Jahr wirtschaftliche Konflikte, unmittelbar gefolgt von innenpolitischer Polarisierung. In dem Bericht ist von einer "instabilen geopolitischen Szenerie" die Rede: "Staaten betrachten Chancen und Gefahren zunehmend durch die Linse des Unilateralismus". Nationalistische Herangehensweisen, die sich wenig um geopolitische Folgen wirtschaftlicher Alleingänge scheren, nehmen im Urteil der Befragten zu.
Es liegt für die Autoren der Studie auf der Hand, dass es dadurch nicht leichter wird, auf die wahren Probleme zu reagieren: "Ohne wirtschaftliche und soziale Stabilität könnten den Ländern die (…) Mittel fehlen, sich den globalen Kernrisiken entgegen zu stellen."
Cybersicherheit
Eine zunehmend zentrale Rolle in dieser Gemengelage, auch das wird deutlich im Global Risk Report, spielt dabei die digitale Revolution - mit ihren Chancen und Risiken: Über die Hälfte der Weltbevölkerung ist demnach inzwischen online, jeden Tag findet rund eine Millionen Menschen derzeit das erste Mal den Weg ins Internet, rund zwei Drittel der Weltbevölkerung besitzen ein Mobiltelefon. Allerdings: "Der ungleiche Zugang zum Internet, das Fehlen globaler Rahmenbedingungen für Technologie und Cybersicherheit bergen große Risiken", so das Urteil der Experten in dem Bericht. Ein "Zusammenbruch der Informationsinfrastruktur" wird denn auch als bedrohliche Möglichkeit für die Jahre bis 2030 bewertet.
Digitale Revolution, anhaltende wirtschaftliche Risiken, die Abkehr vom Multilateralismus, all das aber wird in der Einschätzung des Global Risk Report überschattet vom Klimawandel und seinen potentiell katastrophalen Folgen: "Zum ersten Mal in der Geschichte der globalen Risikoeinschätzung bestimmen Umweltsorgen die langfristig wahrscheinlichen Risiken, wie die Mitglieder des World Economic Forum sie sehen."
Was bewirkt die Erwärmung der Meere?
Durch den Klimawandel heizen sich die Meere rasant auf. Das hat nicht nur dramatische Folgen für die Meeresbewohner. Es wird auch mehr Wetterextreme wie Wirbelstürme, Überschwemmungen und Waldbrände geben.
Bild: NGDC
Antarktis so warm wie Los Angeles
18,3 Grad Celsius wurden am 6. Februar an der argentinischen Forschungsstation Esperanza Base im Norden der Antarktis gemessen, der höchste jemals dort gemessene Wert, so die US-Raumfahrtbehörde NASA. Es ist nach November und Januar bereits die dritte Hitzewelle in der Antarktis in nur wenigen Monaten. Auf Satellitenbilder ist gut zu erkennen, dass bereits große Schneemassen geschmolzen sind.
Bild: Earth Observatory/ NASA
Häufigere und stärkere Stürme
Die Intensität tropischer Wirbelstürme folgt der Oberflächentemperatur des Meeres. Die Hurrikan- oder Taifunsaison wird immer länger andauern, es wird vor allem im Nordatlantik und im Nordostpazifik deutlich mehr Wirbelstürme geben und sie werden auch an Intensität weiter zunehmen. Durch Extremwetterlagen wird es künftig auch in bislang verschonten Regionen äußerst zerstörerische Stürme geben.
Bild: AFP/Rammb/Noaa/Ho
Steigende Meeresspiegel und Sturmfluten
Die Meere erwärmen sich zeitverzögert mit den steigenden Temperaturen der Erdatmosphäre. Dadurch kommt es zu einer thermischen Ausdehnung der Wassermassen, wodurch der Meeresspiegel weiter ansteigt. Lebensräume und Erwerbsgrundlagen zahlreicher Küstenbewohner – vor allem in ärmeren Regionen – werden verloren gehen.
Während es an manchen Orten punktuell heftige Niederschläge und Überschwemmungen geben wird, sorgen die Extremwetterlagen anderswo für extreme Trockenphasen. Ernteausfälle und verheerende Waldbrände sind die Folge. Die Feuersaison wird vielerorts viel länger andauern und die Zahl der Brände wird drastisch zunehmen.
Bild: Reuters/AAP Image/D.
Verschiebung der Ökosysteme
Durch die Erwärmung der Meere verschieben sich die Artenvorkommen und damit auch die marinen Ökosysteme. Fische und Meeressäuger wandern ähnlich den Landtieren polwärts. Die Populationen des Kabeljaus in der Nordsee etwa schrumpfen stärker, als es allein mit Überfischung erklärt werden kann. Nördlich gelegene Fischfang-Regionen könnten von dieser Entwicklung profitieren.
Bild: by-nc-sa/Joachim S. Müller
Versauerte Meere
Durch die Erwärmung kommt es zu einer direkten Lösung von CO2 im Oberflächenwasser, der pH-Wert des Meerwassers nimmt ab, das Wasser "versauert". Muscheln, Seesterne, Korallen, Krebse und Seeigel verlieren dadurch ihre Fähigkeit, Exo- bzw. Endoskelette zu bilden. Damit fallen sie nicht nur als Schadstofffilter, sondern auch als Futter für andere Meeresbewohner aus.
Weniger Plankton als Nahrung
Mit sinkendem pH-Wert können die kleinen Algen auch weniger Eisen aufnehmen. Aber Plankton braucht das Mineral für ein kräftiges Wachstum. Da viele Phytoplanktonarten zudem ebenfalls Kalkskelette ausbilden, sind sie von versauertem Wasser doppelt betroffen.
Bild: picture alliance / dpa
Abnahme des Sauerstoffgehalts
Wärmeres Wasser kann weniger Sauerstoff speichern, sodass die Erwärmung der Meere zur Ausdehnung sauerstoffarmer Bereiche führt. In vielen Meeresgebieten existieren schon jetzt sauerstoffarme "Todeszonen“, in denen keine Tiere mehr leben können, weil zu wenig Sauerstoff im Wasser gelöst ist.
Bild: picture-alliance/dpa/C. Schmidt
Explosionsartige Algenblüte
Im warmen, sauerstoffarmen Wasser können sich giftige Algenblüten explosionsartig vermehren. Ihr Gift tötet Fische und andere Meereslebewesen. Schon jetzt bedrohen Algenteppiche vielerorts die Fischereiwirtschaft und den Tourismus. Hier Bilder von Chiles Küste, wo Rotalgen tausende Fische mit ihrem Nervengift töteten.
Bild: picture-alliance/AP Photo/F. Marquez
Fortschreitende Korallenbleiche
Weiße Kalkskelette ohne Leben. Der Korallenstock verliert durch eine schwere Korallenbleiche nicht nur seine Farbe, sondern auch seine Fortpflanzungsfähigkeit. Die Korallenriffe sterben ab und bieten keinen Schutz, keine Nahrung und keine Jagdgründe mehr für zahlreiche Meereslebewesen.
Bild: picture-alliance/dpa/D. Naupold
Veränderung der Meeresströmungen
Sollte der Nordatlantikstrom durch die Meereserwärmung unterbrochen werden, hätte dies einen starken Kälteeinbruch in ganz West- und Nordeuropa zur Folge. Denn er sorgt für eine andauernde Zirkulation des Meerwassers, indem dichtes Oberflächenwasser in tiefere, kühle Schichten absinkt. Auch die übrigen ozeanischen Strömungen wären von einer Unterbrechung betroffen.