Auch junge Menschen sind zum diesjährigen Weltwirtschaftsforum eingeladen. Sie sind Mitglieder der Global Shapers, einem weltweiten Netzwerk von rund 10.000 jungen Menschen aus mehr als 150 Ländern.
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"Ich sah einen Mann in Richtung meiner Schule laufen. Er trug abgenutzte Schuhe. Dann erkannte ich, dass es mein Vater war und plötzlich war ich unglaublich stolz. Denn ich wusste, dass mein Vater alles, was er hatte, in meine Ausbildung investierte."
Wanjuhi Njoroge sitzt eingehüllt in einen dicken Steppmantel in einem Davoser Hotel, als sie diese Geschichte erzählt. Draußen schneit es. Sie ist aus Nairobi ins schweizerische Alpendorf gekommen, um am Weltwirtschaftsforum, dem WEF, teilzunehmen. Aufgewachsen ist die Umwelt- und Bildungsaktivistin in einem kleinen kenianischen Dorf. Der Vater war Bauer, die Mutter Lehrerin.
Auf dem Land programmieren
Eine gute Ausbildung für die Kinder hatte Priorität. Dennoch lernte Wanjuhi Njoroge erst in der High School, wie man mit einem Computer arbeitet. Aber der Zugang zu Technologie ist der Zugang zur Bildung, das erkannte die junge Frau schon sehr früh. Sie sorgte dafür, dass heute immer mehr junge Menschen aus ländlichen Gebieten Kenias programmieren lernen.
Ein anderes wichtiges Anliegen ist ihr die Rettung kenianischer Bäume und die Wiederaufforstung von Wäldern. #SaveOurForestsKE hieß die Kampagne, die sie 2018 in Kenia startete und die - so sagt sie "zu einem kompletten Verbot des Abholzens führte". Dann zögert sie einen Moment - es scheint als sehe sie die kaputten Wälder vor ihrem inneren Auge: "Ich habe die Auswirkungen des Klimawandels gesehen."
Nigerias schwindende Wälder
Der gestiegene Bedarf einer wachsenden Bevölkerung an Holz, Ackerland und Energie setzt Nigerias natürlichen Baumbestand unter Druck. Schon in 20 Jahren könnten die Wälder des Landes völlig vernichtet sein.
Bild: Nyancho Nwanri/REUTERS
Ein dichter, grüner Wald - noch
Ein Holzfäller im südwestlichen Bundestaat Ondo bei der Arbeit. Laut Global Forest Watch hat Nigeria von 2001 bis 2021 über eine Million Hektar Baumbestand verloren, mehr als ein Zehntel der gesamten Waldfläche des Landes. "Den Wald zu schützen bedeutet, uns selbst zu schützen" sagt zwar Femi Obadun, der Chef der Forstverwaltung in Ondo. Die Wirtschaft scheint seine Ansicht jedoch nicht zu teilen.
Bild: Nyancho Nwanri/REUTERS
Rauchen und roden
Auch Egbontoluwa Marigi weiß, dass es zu Zeiten seiner Vorfahren mehr große Bäume gegeben habe. "Jetzt gibt es nur noch kleine Bäume, und wir lassen sie nicht einmal auswachsen, bevor wir sie fällen". In seinen Raucherpausen denkt der 61-jährige Holzfäller oft über die Auswirkungen seiner Arbeit nach. Dennoch macht er weiter, der Vater von zwei Kindern hat schließlich eine Familie zu ernähren.
Bild: Nyancho Nwanri/REUTERS
Baumstümpfe, so weit das Auge reicht
Egbontoluwa Marigi paddelt die gefällten Bäume auf den Fluss hinaus. Die Stümpfe zeigen an, wo vormals Bäume gestanden haben. Nigerias Präsident Muhammadu Buhari ließ einen nationalen Treuhandfonds für die Forstwirtschaft einrichten, damit die Wälder des Landes sich regenerieren können. Doch der Bedarf an Holz steigt, und so darf bezweifelt werden, dass diese Maßnahme allein ausreicht.
Bild: Nyancho Nwanri/REUTERS
Flussabwärts nach Lagos
Magiri verbindet die Baumstämme zu einem Floß. Er hat sich mit mehreren anderen Holzfällern zusammengetan, um gemeinsam einen Schlepper zu mieten, der die Flöße nach Lagos zieht. Dort werden die Stämme in Sägewerken weiterverarbeitet und verkauft. In Nigerias Hauptstadt leben mittlerweile 15 Millionen Menschen. Mit der steigenden Einwohnerzahl nimmt auch der Hunger nach Holz immer mehr zu.
Bild: Nyancho Nwanri/REUTERS
Die Holzwirtschaft braucht Wasserstraßen
Elewuro, der Kapitän des Schleppers, kontrolliert die Flöße, die an seinem Boot befestigt sind. Er hält an mehreren Stellen an, um weitere Holzfäller und ihre Flöße aufzunehmen. Dann geht es weiter Richtung Lagos. Insgesamt, schätzt die Internationale Energieagentur, sind in Nigeria rund 120 Millionen Menschen bei der Zubereitung ihres Essens auf Brennholz und Holzkohle angewiesen.
Bild: Nyancho Nwanri/REUTERS
Hölzerne Raupe Nimmersatt
Langsam schlängelt sich die Holzkolonne auf verschiedenen Wasserstraßen Richtung Lagos. Ein einziges Boot kann bis zu tausend Flöße transportieren, die wiederum jeweils aus bis zu 30 Stämmen bestehen können. Der Energiehunger der Bevölkerung ist nur ein Grund, warum die Wälder Nigerias kontinuierlich schrumpfen. Der andere sind expandierende Kakao, Kautschuk- und Palmölplantagen.
Bild: Nyancho Nwanri/REUTERS
Keine Kreuzfahrt, sondern harte Arbeit
Aus Holz gefertigte Unterstände schützen Marigi und seine Kollegen vor der Witterung. "Während des Transports schlafen wir nachts nicht. Wir überwachen die Stämme und stellen sicher, dass sie sich nicht vom Schlepper lösen". Das Essen werde geteilt und wenn ihnen langweilig sei, singe man manchmal gemeinsam.
Bild: Nyancho Nwanri/REUTERS
Eine Lagune voller Holz
Die Reise der Stämme und somit auch von Egbontoluwa Marigis endet in einer Lagune vor Lagos, wo alle Flöße aus Ondo und den anderen Teilen des Landes zusammenkommen. Am linken Ufer haben sich die Sägewerke angesiedelt, die das Holz weiterverarbeiten und an die Endkunden verkaufen.
Bild: Nyancho Nwanri/REUTERS
Keine Erholung für den Wald
In Ondo warten schon die nächsten Flöße, um ihre Reise Richtung Lagos anzutreten. "Zerstören wir den Wald, zerstören wir uns selbst", sagt Femi Obadun, der Leiter der Forstverwaltung in Ondo. Und die Zeit drängt: Gehen die Rodungen in Nigeria im selben Tempo weiter wie bisher, könnte der gesamte Regenwald im Land schon im Jahr 2043 verschwunden sein.
Bild: Nyancho Nwanri/REUTERS
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Global Shapers treffen Präsidenten beim WEF
Aber was haben kenianische Bäume mit dem Weltwirtschaftsforum zu tun? Sehr viel, findet Wanjuhi Njoroge. Denn das WEF bietet eine Plattform für den Austausch, man könne voneinander lernen, Projekte und Maßnahmen diskutieren. Erst einmal die jungen Leute - die Global Shapers - untereinander, dann mit den Mächtigen, die zum Treffen in die Schweiz gereist sind.
"Ich treffe hier afrikanische Präsidenten, das wäre sonst kaum möglich", erzählt sie. Sie will unbequem sein und für Veränderungen werben. Klima- und Umweltschutz müsse eine Top- Priorität für die Mächtigen sein.
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Junger Ukrainer und die Folgens des Kriegs
Ein ganz anderes Thema beschäftigt Roman Smolynets. Dem 24-jährigen Ukrainer stehen die Anstrengungen der letzten Wochen und Monate ins Gesicht geschrieben. In Lwiw arbeitet er im größten Krankenhaus der westlichen Ukraine als Anästhesist.
Wie viele Opfer des russischen Angriffskriegs er bereits im Operationssaal hatte, weiß er nicht, aber einige Bilder bekommt er nicht mehr aus seinem Kopf. Darunter das sechsjährige Mädchen, das beide Beine durch einen Raketenangriff verloren hatte. "Ich habe während meiner Arbeit schreckliche Dinge gesehen", erzählt er mit leiser Stimme.
Zwei Tage war er unterwegs, um nach Davos zu kommen. Auch er ist Global Shaper, engagiert sich in Lwiw und hat dafür gesorgt, dass medizinisches Material an die Ukraine gespendet wurde. #SupportUkraineNow hieß die erfolgreiche Aktion.
"Radikalere Debatten notwendig"
Jetzt will er sich dafür einsetzen, das der Krieg und seine Folgen wieder ganz oben auf die Agenda des WEF kommt. "Ich muss die Stimme der Ukraine sein", sagt er stolz und will in den nächsten Tagen an vielen Diskussionen in Davos teilnehmen. Seine Sorge ist, dass die Aufmerksamkeit nachlässt. "Wir haben Krieg in Europa, da darf es keine Müdigkeit geben", betont er und zieht seinen recht dünnen Mantel an.
Während Roman raus in den Schnee zum nächsten Treffen geht, hat Tariq Al-Olaimy aus Bahrein - auch er Teil der Global Shapers Community - schon vorher die Mission der jungen Leute zusammengefasst. "Wir sind die nächsten Entscheider, wir streben nach Vielfalt und wir müssen eine radikalere Diskussion führen."