1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Wegen Corona werden die Kisten knapp

Dirk Kaufmann
11. Dezember 2020

Der Welthandel zieht, von China angeschoben, wieder an. Doch nun werden Schiffsraum und Luftfrachtkapazitäten knapp, teilweise ist das Weihnachtsgeschäft gefährdet. Vor allem aber fehlt es gerade weltweit an Containern.

Deutschland | Containerbrücke im Hamburger Hafen
Bild: Daniel Reinhardt/dpa/picture alliance

Am stärksten trifft es gerade das Vereinigte Königreich. Den Briten, vor allem den Engländern unter ihnen, wird allgemein ein Hang zur Exzentrik nachgesagt. Und der ist nicht nur auf den spleenigen Lord beschränkt, der von seines Schlosses Zinnen aufs beherrschte Königreich blickt. Nein, es betrifft das ganze Rest-Empire, weil es neben der Epidemie gleichzeitig einen Brexit meistern will.

So leidet die Wirtschaft schon jetzt: Der japanischen Autohersteller Honda beispielsweise hat wegen verspäteter Lieferungen seine Produktion in England vorübergehend einstellen müssen. Es fehlen wichtige Teile, die Bänder stehen still.

Ganz schlimm kommt es für die Kinder Britanniens: Ihnen droht ein Fest ohne Geschenke. Wegen überfüllter Häfen werde es zu Lieferengpässen kommen, warnt der Verband der Spielzeughersteller, BTHA. Der Deutschen Presse-Agentur gegenüber klagte der Verband: "Schiffe wurden aufgrund einer Überlastung im Hafen von Felixstowe nach Rotterdam umgeleitet und werden nun die Weihnachtszeit verpassen."
Sowohl an der Nordsee als auch in den englischen Kanalhäfen stauen sich seit Wochen die Container. Dafür ist neben der Corona-Krise der Brexit verantwortlich. Viele Firmen wollen vor Ablauf der Brexit-Übergangsphase zum Ende des Jahres ihre Lager auffüllen. Gleichzeitig verstopfen Tausende Container mit Schutzkleidung die Lagerhäuser.

Die "OOCL Hong Kong", im Hafen von Felixstowe im englischen Suffolk - ein Nadelöhr im SeehandelBild: Steve Parsons/empics/picture alliance

Globale Schieflage

Was im Vereinigten Königreich zur Hälfte noch wie ein hausgemachtes Problem anmutet, wächst sich - auch ohne Brexit - weltweit zur Handelskrise aus. Während die Briten ausloten, ob sie wirklich noch eine Großmacht sind, die allein besser zurecht kommt als im Verein mit anderen, leidet der Rest der Welt unter der immer deutlicher spürbaren wirtschaftlichen Unwucht in Folge der Corona-Pandemie.

Die echte Wirtschaftsgroßmacht China, auf deren Gebiet die COVID-19-Seuche zuerst ausgebrochen war, scheint die Krise bereits überwunden zu haben: Das Wirtschaftsleben im Riesenreich brummt, die Bänder stehen nicht mehr still. China produziert, China liefert und der Rest der Welt kauft.

Um die Waren auf die Märkte zu bringen, braucht es Transportkapazitäten und Container. Doch auf fast allen Handelswegen herrscht an beidem Mangel: zur See, in der Luft und auf der Schiene. Einige Spediteure bringen nun alles, was sich irgend dafür eignet, auf die Straße: trotz der großen Entfernungen zwischen China und seinen Kunden auf den westlichen Märkten. Aber die mangelnden Kapazitäten zur See kann das bei weitem nicht ausgleichen.

Das große Weihnachtsgeschäft

In der westlichen Welt steht jetzt das Hochamt des Konsums bevor. In knapp zwei Wochen ist Weihnachten und sehr viel von dem, was in den USA oder in Europa auf den Gabentisch kommt, wird in China hergestellt; Fahrräder, Modeartikel und Kinderspielzeug,  Notebooks, PCs und Monitore sowie andere elektronische Artikel.

Die anhaltend große Nachfrage nach Transportkapazitäten ist aber nicht nur auf den Weihnachtskonsum zurückzuführen. Da viele Kunden in Europa und Nordamerika durch Pandemie-Maßnahmen in die eigenen vier Wände verwiesen worden sind und auch nicht verreisen dürfen, investieren sie offenbar verstärkt in ihre Wohnung. In den Containern aus China werden derzeit neben Heimwerkerartikeln vor allem Textilien, Fitnessgeräte, Möbel, Spielwaren und Unterhaltungselektronik transportiert.

Wenn Leerfahrten sich lohnen

Ein weiterer Engpass im internationalen Handelsverkehr sind die Löschkapazitäten in den Empfängerländern. Der Chef der größten deutschen Reederei, Rolf Habben Jansen von Hapag-Lloyd, sagte der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, dass Schiffe vor einigen Häfen der Vereinigten Staaten bis zu einer Woche warten müssten, bevor sie ihre Ladung löschen könnten. Generell rechne man mit Lieferverlängerungen um durchschnittlich zehn Prozent.

Die Hamburger Reederei hat auch nicht zur Entspannung der Lage beigetragen, als sie kürzlich Farmer im Mittleren Westen der USA in Harnisch brachte: Wie das Handelsblatt berichtet, schickten die Hamburger an der US-Westküste gelöschte Container leer nach China zurück. Ursprünglich sollten sie Soja für China laden. So blieb ein Drittel der US-Soja-Farmer auf einem Teil ihrer Ernte sitzen. Der Grund für diese Maßnahme: Die Container sollten - ohne Zeitverlust durch Beladen und Löschen - wieder zurück, da die Frachtrate von China in die USA gerade achtmal so hoch ist wie in umgekehrter Richtung.

In China, hier in Qingdao, warten Abertausende von Containern auf eine Passage in die USA oder nach EuropaBild: picture-alliance/dpa/Sipa/Yu Fangping

Stau und stockender Verkehr auf allen Wegen

Nicht nur der Seeverkehr stößt derzeit an seine Grenzen. Auch in der Luft sind die Kapazitäten knapp. Jede Passagiermaschine nimmt auch Fracht mit - eine lang geübte Praxis der Airlines, um ihre Erträge zu steigern. Wegen der Pandemie aber ist der Flugverkehr weltweit um rund 60 Prozent geschrumpft, einige Linien werden nicht mehr beflogen, viele Verbindungen sind stark ausgedünnt.

Und dazu ist es nicht immer möglich, eine Passagiermaschinen zum Transport von Waren zu nutzen. Der einfache Grund: Bei einer Passagiermaschine sind die Türen und Ladeluken einfach nicht groß genug, um Container laden zu können. Und die Waren in die viel kleineren Kisten, die im Flugverkehr verwendet werden, umzuladen, ist nicht wirtschaftlich.

Eine weitere Alternative zum Schiffsverkehr ist der Transport auf der Schiene. Es gibt zwar inzwischen durchgehende Schienenverbindungen zwischen China und Westeuropa, dank Pekings Investitionen in die "Neue Seidenstraße", doch sind auch hier die Speditionen bereits ausgelastet, wie die Bahn-Tochter DB Schenker wissen ließ. Außerdem: Ein 24.000 Standardcontainer (TEU) fassender Frachter transportiert so viele wie 300 Güterzüge. Eine echte Alternative kann also auch die Schiene nicht sein.

Ein Flachenhals in der Lieferkette sind oft auch die Lade- und Beladekapazitäten in den HäfenBild: Hauke-Christian Dittrich/picture alliance

Dann steigen Frachtraten...

Wenn das Angebot (also Container und Transportkapazität) knapp ist, die Nachfrage (der Konsum in den westlichen Staaten) aber hoch, dann steigen die Preise. Das lässt sich gerade ebenfalls beobachten. Allerdings sind viele Verträge langfristig angelegt und die aktuelle Lage schlägt noch nicht überall durch. Laut Hapag-Lloyd-Chef Habben Jansen liegen die Frachtraten im Durchschnitt noch auf Vorjahresniveau.

Kunden, die kleinere Mengen transportiert haben müssen und kurzfristiger disponieren, merken die Preisentwicklung aber deutlich.Oliver Guttman - der Belgier importiert Künstlerbedarf aus Asien - beklagt sogar Wucherpreise seitens der Reedereien. Derzeit würde gut das Dreifache des letztjährigen Preises für einen 40-Fuß-Container verlangt: 4000 bis 6000 Dollar statt 1600 wie zuvor. Damit werde der Import bestimmter Waren unrentabel, klagte Guttmann der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

... und auch die Verbraucherpreise

Besserung sei frühestens im Februar nächsten Jahres zu erwarten, schreibt das Handelsblatt und zitiert den Geschäftsführer des Fahrradhändlers Rose Bikes, Marcus Diekmann, zu den Gründen der aktuellen Schieflage: "Dem deutschen Handel fällt jetzt auf die Füße, dass er sich so stark von Lieferungen aus Asien abhängig gemacht hat." Auch sein Unternehmen habe "ein riesiges Problem", in der Vorweihnachtszeit an neue Ware zu kommen.

Die Kinder in Großbritannien wird es nicht trösten, dass auch auf dem Kontinent die Lieferketten überspannt sind. Und bis zum Februar werden sie auch nicht auf ihre Geschenke warten wollen.

Und so es denn überhaupt welche gibt, werden ihre Eltern für die Geschenke auch noch tiefer in die Tasche greifen müssen: "Wegen Knappheit bei Kapazität und Containern drohen drastische Preissteigerungen", warnen die britischen Spielzeughersteller. Weil ihre Kosten um bis zum Vierfachen steigen könnten, ruft der BTHA ruft bereits nach Hilfe: "Wir rufen die Regierung auf, in dieser für die Wirtschaft entscheidenden Zeit zu helfen, um die festliche Jahreszeit zu retten."

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen

Mehr zum Thema

Weitere Beiträge anzeigen