Hans Scharoun gehörte zu den großen Baumeistern des 20. Jahrhunderts. Von der Fabrikantenvilla bis zum funktionalen sozialen Wohnungsbau entwarf er alles unter der Maßgabe des "Organischen Bauens".
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Strenge Funktionalität: Architekt Hans Scharoun zum 125. Geburtstag
Jedes Gebäude scheint in Bewegung. Hans Scharoun gilt als Repräsentant der "Organischen Architektur". Der Architekt entwarf Wohnhäuser und Bibliotheken. Sein berühmtestes Bauwerk ist die Berliner Philharmonie.
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Wahrzeichen West-Berlins
Der Bauplatz war alles andere als repräsentativ für die neu geplante Philharmonie: Auf einer abseitigen, unbebauten Brache im Schatten der Berliner Mauer, die die Stadt Berlin in zwei Teile riss. An diesen Ort einen derart avantgardistischen Konzertsaal zu bauen, war 1963 eine Provokation. Hans Scharoun setzte damit einen Kontrapunkt, der auch in der Innenarchitektur neue Wege ging.
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"Zirkus Karajani"
Scharoun hatte im Konzertsaal der Philharmonie erstmals die Sitzreihen für das Publikum rund um Dirigent und Musiker herum gruppiert. Auf den Orchestergraben verzichtete er. Dirigent Herbert von Karajan betrachtete das modern gestaltete Konzerthaus als sein künstlerisches Domizil. Die Berliner nannten die Philharmonie deshalb augenzwinkernd "Zirkus Karajani".
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Zitierte Bauform
Die kühne Formensprache des damals erfolgreichen Architekten Hans Scharoun hat ihre Spuren auch in Entwürfen heutiger Architekten hinterlassen. Die 2016 fertig gestellte "Elbphilharmonie" im Hamburger Hafen weist ähnliche Grundformen in der Silhouette auf wie die Philharmonie von Scharoun aus den 1960er Jahren.
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Gestaltungselemente
Scharoun kümmerte sich als Baumeister der alten Schule auch um einzelne Details der architektonischen Gestaltung. Für die Fassade der Berliner Philharmonie hatte er eigens farbige Glaselemente entworfen, die auch bei grauem Berliner Himmel eine fröhliche Farbigkeit im Innenraum es Foyers erzeugen. Lichtstimmungen waren ein wichtiges Element seiner Architekturentwürfe.
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Bunt ist das neue Weiß
Die "Siemensstadt" an der Grenze der Berliner Stadtbezirke Charlottenburg und Wilmersorf war als Vorzeigemodell für großstädtisches Bauen gedacht. Das 19,3 Hektar große Stadtquartier entstand zwischen 1929 und 1934. Farbige Fassaden waren im tristen Einerlei der Nachkriegszeit sehr ungewöhnlich. Beteiligt am Entwurf waren auch Walter Gropius und Otto Bartning.
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Sozialer Wohnungsbau, Berlin
Als Architekt hatte Hans Scharoun schon immer große Pläne für die Stadtplanung. Das Berlin der Weimerar Zeit sollte eine moderne europäische Metropole werden. Mit der "Siemensstadt", in die er auch selber einzog, realisierte er 1929 seine Vorstellung von modernen Zweckbauten, funktional und im Stil der Neuen Sachlichkeit der 1920er Jahre. Die Siedlung im Westen von Berlin ist Welterbe der UNESCO.
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Modellsiedlung , Berlin
Fast futuristisch muten diese Balkons an, locker gruppiert an den ansonsten schlichten Häuserfassaden der Wohnblocks in der "Siemensstadt". Auch die farbigen Markisen waren für die Zeit der Weimarer Republik ungewöhnlich. Hier wohnten einfache Leute, Arbeiter und weniger gut betuchte Berliner.
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Meilenstein der Architekturgeschichte
Eines der wichtigsten Gebäude seiner Architektenlaufbahn ist kein repräsentatives Gebäude, sondern ein privates Wohnhaus. Scharoun galt in der NS-Zeit als "entartet" und bekam in den 1930 Jahren keine öffentlichen Aufträge mehr. Das "Haus Schminke" in Löbau, das an einen Ozeandampfer erinnert, entwarf er für den Nudel-Fabrikanten Fritz Schminke und seine Familie.
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Wellen auf dem Dach
1964 gewann Scharoun mit seinem Büro den Architekturwettbewerb für die neue Preußische Staatsbibliothek in Berlin. Baubeginn und Fertigstellung dieses Gebäude zog sich dann aber noch Jahre hin. Scharoun machte sich damals viel Gedanken um gute Denk- und Lernorte, und entwarf auch innovative Schulgebäude, die dem Grundgedanken einer demokratischen Bildungs-Gesellschaft folgten.
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Gucklöcher als Deckenelemente
"Bildung für alle" - ganz gleich aus welcher Gesellschaftsschicht jemand kam, das war Ende der 1960 Jahre ein wichtiges Denkmodell, auch in der Architektur. Willy Brandt setzte mit seinem Wahlslogan "Mehr Demokratie wagen!" 1969 neue Diskussionen in Gang. Hans Scharoun versuchte das bei der Innen-Gestaltung der Preußischen Staatsbibliothek in eine offene, spielerische Formensprache zu übersetzen.
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Scharoun wurde an der Nordseeküste geboren, Schiffe und Ozeandampfer gehörten zu seinen frühsten Kindheitserinnerungen. Später als erfolgreicher Architekt baute er mit Vorliebe mit dem Kanon maritimer Formen. In den 1920er Jahren entwarf er Gebäude, die von weitem aussahen wie liegende Ozeanriesen.
Am 20. September 1893 kam er in Bremen zur Welt. Die Hansestadt hatte schon damals einen der größten Überseehäfen in Europa. In der Nachbarstadt Bremerhaven wuchs Hans Scharoun auf und ging dort auch zur Schule. An der berühmten Columbaskaje fuhren die großen Ozeandampfer nach Amerika ab.
Von dem Wunsch des Sohnes, Architekt zu werden, war sein Vater nicht erbaut. Er verbot ihm sogar das Zeichnen, aus Angst der Sohn würde der "brotlosen Kunst" verfallen. Die Mutter förderte heimlich das Talent ihres Sohnes.
Kontakt mit dem Bauhaus
Von 1912 - 1914 konnte der junge Scharoun endlich seine Träume verwirklichen und an der Technischen Hochschule in Berlin-Charlottenburg studieren - Architektur und Bauwesen. Sein Vater war inzwischen gestorben. Die praktische Arbeit lag ihm, vor allem die Detailarbeit an den Bauwerken. Mit Feuereifer arbeitete er im Büro eines bekannten Architekten mit.
Der Beginn des 1. Weltkrieges beendete seine Träume - vorerst. 1915 wurde Hans Scharoun als Soldat zum Kriegsdienst nach Ostpreußen einberufen. Nach Kriegsende blieb er dort und machte sich als Bezirksarchitekt beim Wiederaufbau ostpreußischer Städte einen Namen. In Insterburg gründet er sein erstes Architekturbüro. Dort lernte er auch den Architekten und Stadtplaner Bruno Taut kennen.
1925 erhielt Scharoun einen Ruf als Professor an die Staatliche Akademie für Kunst und Kunstgewerbe in Breslau/Schlesien. Er freundete sich mit Ludwig Mies van der Rohe und Walter Gropius an und nahm zusammen mit ihnen an der Wohnbauausstellung am Weißenhof in Stuttgart teil. Aber wie später auch das Bauhaus in Dessau wurde die wegweisende Breslauer Kunstschule 1932 geschlossen.
Architekt der Avantgarde
Die Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 setzte der klassischen Moderne in der Architektur, ebenso wie in der Kunst, ein jähes Ende. Scharoun galt jetzt als "entarteter Künstler" und bekam keine öffentlichen Aufträge und Ämter mehr. Die meisten seiner Kollegen emigrierten ins Ausland, Scharoun blieb in Deutschland.
Mit dem Bau von Privathäusern hielt er sich eine Zeit lang über Wasser. Ihn zu beschäftigen erforderte allerdings Mut, wie er später erzählte. "Als Bauherren blieben mir Menschen, die irgendwie vom neuen Bauen besessen waren. Ein Haus, das mir das liebste war, ließ sich der Fabrikant Schminke in Löbau in Sachsen bauen."
Diese hochmoderne Villa – gelegen an einem idyllischen See mitten im Grünen – ist eines seiner bekanntesten Gebäude: wegweisend in seiner elegant geschwungenen Formensprache, verwegen konstruiert aus scheinbar schwebenden Betonelementen und mit maritimen Bullaugen versehen. Hans Scharoun war damit seinem hanseatischen Stil treu geblieben. Heute gilt das "Haus Schminke" als historisches Gegenstück zur streng geometrischen und rechtwinkligen Bauweise des Bauhauses.
Die Deutsche Welle veranstaltet dort in Kooperation mit dem MDR die Reihe "Privatkonzert". Das Moderatorenduo Kim Fisher und Wigald Boning begrüßen dort Musiker und Bands wie Silly oder Karat im Wohnzimmer zu Gesprächen.
Stars im "Privatkonzert"
05:14
Stadtbaurat mit radikalen Ideen
Nach Kriegsende berief ihn die sowjetische Militäradministration im Frühjahr 1945 als Stadtbaurat in den Magistrat von Groß-Berlin und vertraute ihm die Leitung des Bau- und Wohnungsamtes an. Scharouns "Kollektivplan", der eine grundlegende Neustrukturierung der Stadt und große autogerechte Trassen im Stadtbild vorsah, wurde zum Glück nicht realisiert.
1946 wurde der Architekt wieder zum Professor berufen - diesmal an die Technische Hochschule Berlin. Er beschäftigte sich jetzt mit dem Bau von Schulen und Bildungseinrichtungen, in denen er seine Philosophie des "Organischen Bauen" erneuerte. "Jedes Gebäude hat seine eigene Form", postulierte er. Seine Architektur entwickelte er strikt von innen nach außen, schuf "Denkräume" und "nestartige" Treffpunkte für die Schüler, und richtete die äußere Form der Gebäude nach dem Innenleben.
Die Krönung seines Schaffens als Architekt nach dem Krieg war die Berliner Philharmonie, 1963 wurde sie feierlich eingeweiht: ein Ort des Musizierens, der Konzertkultur und der Begegnung zwischen Orchestermusikern und Publikum. Das Dirigentenpult hatte Scharoun als Zentrum des großzügigen Konzertsaales in der Mitte platziert. Später wurde die Philharmonie durch einen zweiten Kammermusiksaal zu einem architektonisch wegweisenden Gebäudeensemble ergänzt. Das erlebte Hans Scharoun nicht mehr, er starb am 25. November 1972.