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Politik

Wehrsport: Deutsche Neonazis in Russland

Hans Pfeifer | Mikhail Bushuev | Vladimir Esipov
5. Juni 2020

Deutsche Rechtsextremisten sollen im russischen St. Petersburg eine paramilitärische Ausbildung gemacht haben. Das berichtet das Magazin "Focus". Was über die Teilnehmer und Veranstalter bekannt ist.

Deutschland, Dresden | Prozess gegen die Neonazi-Kameradschaft Sturm 34
Rechtsextrem und kahlgeschoren (Archivbild)Bild: STAR-MEDIA/imago stock&people

Um was für ein Lager geht es?

Die paramilitärische Ausbildung ist in Russland legal und steht unter dem Schutzschirm des noch aus den Sowjetzeiten stammenden Vereinssystems "DOSAAF" ("Freiwillige Gesellschaft zur Unterstützung der Armee"). Die Ausbildung, an der die Deutschen teilgenommen haben sollen, wird von einem Verein durchgeführt, der unter zwei Namen auftritt: "Reserw" oder auch "Partizan". Am Stadtrand von Sankt-Petersburg wird auf einem militärischen Gelände trainiert. Noch bis 2018 waren die Mitglieder von "Reserw" auf der Internetseite der Stadtverwaltung von Petersburg als eine der Bürgerwehren im Bezirk Wyborg aufgelistet. Ein Bezirksvertreter antwortete auf die DW-Anfrage ausweichend: "Das war vor meinem Amtseintritt." 

Dass in dem Zentrum auch Ausländer - und damit "auch Deutsche" - eine paramilitärische Ausbildung bekommen, bestätigte einer der Betreiber des Geländes im Interview mit lokalen Journalisten schon 2017. Heute bewirbt das Zentrum sowohl Offline- als auch Online-Kurse, unter anderem zum Umgang mit Waffen und zur "militärischen Topografie". Allein im Juni 2020 gibt es sechs verschiedene Kurse, buchbar beim russischen Social-Media-Netzwerk Vkontakte.

Die "internationale Rechte" und Russland 

In der Vergangenheit wurde Russland mehrfach zum Treffpunkt von Rechtspopulisten und Radikalen aus Europa. 2015 fand in St. Petersburg ein "internationales konservatives russisches Forum" statt. Unter den Teilnehmern waren der ehemalige Vorsitzende der deutschen NPD Udo Voigt, außerdem Vertreter der italienischen ultrarechten Partei Forza Nuova, der griechischen Chrysi Avgi und der italienischen Lega.

2017, kurz vor der Präsidentenwahl in Frankreich, besuchte Marine Le Pen (Front National, heute Rassemblement National) Moskau. Sie wurde von Präsident Putin empfangen. Le Pen sprach sich für engere Beziehungen zum Kreml aus und kritisiert EU-Sanktionen gegen Russland. Drei Jahre lang erhielt der Front National einen Kredit über neun Millionen Euro von einer russischen Bank.

Marine Le Pen und Wladimir Putin in MoskauBild: Getty Images/AFP/M. Klimentyev

Ebenfalls 2017 besuchten Vertreter der AfD Moskau, angeführt von Frauke Petry. Sie trafen Abgeordneten der Regierungspartei "Einiges Russland" sowie Vertreter der rechten "Liberal Demokratischen Partei Russland" unter der Führung von Vladimir Schirinowski.

Wer sind die Ausbilder?

Die Betreiber des Zentrums und des Klubs sind eng mit russisch-orthodoxen Extremisten verflochten. Chef des Klubs und Gründer des Zentrums soll Denis Garijew sein, der gleichzeitig einer der führenden Köpfe der "Russischen Reichsbewegung" ist. Diese wurde im April 2020 von der US-Regierung als Terrororganisation eingestuft.

Nach eigenen Angaben ist die "Russische Reichsbewegung" eine "monarchistische, orthodox-patriotische, rechtskonservative" Organisation, die für die "Vorherrschaft der weißen Rasse" kämpft. In Russland gilt sie zwar nicht als Terrororganisation. Aber das russische Justizministerium stufte die Webseite sowie mehrere Online-Texte der Organisation als extremistisch ein.

Die Webseite der "russischen Rechtsextremisten" ist derzeit nicht erreichbar, nur deren Kanäle auf Telegram und Vkontakte. Aus den dort platzierten Posts wird klar, dass die Bewegung explizit rassistische Ansichten teilt. Die weltweiten Proteste nach dem Tod des US-Amerikaners George Floyd unter dem Slogan "Black Lives Matter" bezeichnet man als "Hölle" und spricht von "Anbetung eines schwarzen Idols". Die Ausbreitung des Coronavirus' wird "die so genannte Pandemie" genannt - man hält sie für eine internationale Verschwörung. Die Erlösung Russlands sieht man in der "Wiedergeburt" der christlich-orthodoxen Monarchie: Diese soll gegebenenfalls mit Gewalt wiederhergestellt werden, "weil ein orthodoxer Christ immer auch ein Kämpfer ist."

Was ist über die Teilnehmer bekannt?

Laut dem Nachrichtenmagazin Focus sollen einige Männer zur deutschen Vereinigung "Junge Nationalisten" zählen. Die Jugendorganisation der ältesten rechtsextremen Partei Deutschlands, der NPD, ist zwar mit nur 280 Mitgliedern politisch bedeutungslos, allerdings ist der Nachwuchs sehr aktiv. So versucht man etwa durch vermeintliche Umweltschutz-Kampagnen, junge Anhänger für die völkisch-rassistische Ideologie der Bewegung zu gewinnen.

Andere Teilnehmer der paramilitärischen Ausbildung in Russland sollen zur Partei "Der Dritte Weg" zählen. Sie gehört zu den radikalsten Parteien in Deutschland. Laut Inlandsgeheimdienst ist sie vom Nationalsozialismus geprägt und lehnt die Demokratie ab. Die Kleinstpartei wurde von Mitgliedern eines rechtsextremen Vereins aus Süddeutschland gegründet, als ihnen ein Verbot durch die Politik drohte, da Hürden für ein Parteienverbot in Deutschland sehr viel höher sind als für Vereine.

Wie reagiert die deutsche Politik?

Die Bundesregierung hält sich mit Reaktionen auf den Medienbericht zurück. Ein Sprecher des Innenministeriums sagte, der Sachverhalt sei zwar bekannt, dass es aber keine konkreten Informationen über Einzelpersonen gebe, die das paramilitärische Ausbildungslager besucht haben sollen. Schieß- und Wehrsportübungen von deutschen Rechtsextremisten im Ausland beschäftigen die Politik immer wieder.

Militante Rechtsextremisten der Gruppe der Dritte WegBild: picture-alliance/ZUMAPRESS.com/S. Babbar

Im Jahr 2019 antwortete die Bundesregierung auf eine Anfrage der Partei "Die Linke", dass deutsche Neonazis seit vielen Jahren einen engen Austausch mit Rechtsextremisten im Ausland suchen. Immer wieder komme es zu Schießtrainings, die in sozialen Netzwerken öffentlich gemacht und entsprechend kommentiert würden. Aufgrund der großen Waffenaffinität der Szene stünden die Behörden in Kontakt mit den Nachrichtendiensten der entsprechenden Länder.

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