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Politik

Weißrussen kämpfen für die Umwelt

11. April 2019

In der weißrussischen Stadt Brest protestieren die Bewohner gegen ein neues Akkumulatorenwerk, das nach ihrer Meinung umweltschädlich sein soll. Gebaut wurde das Werk mit chinesischem Geld. Aus Brest Juri Rescheto.

Demonstration gegen Batterie-Fabrik in Brest Weißrussland Videostills
Bild: DW

"Leben" steht in schwarzen Buchstaben auf den gelben Luftballons der knapp 500 Menschen in der Innenstadt von Brest. Leben ist das, wofür sie kämpfen, ein langes, gesundes Leben, ein Leben ohne Krebs. Dieses Leben sei in Gefahr, klagen die Einwohner von Brest, weil ein Werk in der Nähe ihrer Stadt im Westen Weißrusslands an der polnischen Grenze gebaut wurde - ein ihrer Meinung nach gefährliches Werk.

Das Werk "I-Power" soll Autobatterien herstellen, die das giftige Schwermetall Blei enthalten, bis zu zwei Millionen Stück im Jahr. Eine neue Umweltkatastrophe sei dadurch möglich, warnen die Aktivisten. Ihr Vorwurf: I-Power missachte die Umweltstandards.

Es ist nicht das erste Mal, dass sich die Einwohner von Brest zu einem Protestmarsch versammeln. Seit Monaten versuchen sie so die Inbetriebnahme von I-Power zu verhindern - bisher vergebens. Offiziell sei das übrigens gar kein Protest, erzählt Julia Subik, eine der Aktivisten mit dem gelben Luftballon: "Die Behörden genehmigen unsere Aktion nicht. Deshalb lassen wir uns etwas Kreatives einfallen: kollektiv Tauben füttern hier in der Innenstadt zum Beispiel."

Schweigemarsch oder "kollektives Taubenfüttern"? Protest in BrestBild: DW

Oder mit den Luftballons durch Brest ziehen, schweigend. Ein Schweigeprotest gegen die mutmaßliche Fahrlässigkeit der Behörden, die ihre Warnungen offenbar ignorieren. "Wir machen das, was eigentlich unsere Stadtverwaltung machen sollte, kümmern uns um die Gesundheit der Einwohner", sagt Julia Subik und lädt uns zu sich nach Hause ein.

Ihr Haus ist knapp einen Kilometer vom Akkuwerk entfernt. Julia hat es mit ihrem Mann gerade erst gebaut. Jetzt haben die beiden Angst, dort mit ihren zwei Söhnen zu leben. Julia Subik zeigt hunderte Seiten von verschiedenen Gutachten, die ihre Initiativgruppe gesammelt hat, und die beweisen sollen, dass die Geschäftsleitung von I-Power die wahren Gefahren verschweigt.

Veraltete Technologien

Die Herstellung von Blei-Säure-Batterien, wie sie das Werk plant, gehört zu den gefährlichen Technologien. Die Abfälle könnten tatsächlich die Umwelt vergiften. Einmal in größeren Mengen in die Umgebung gelangt, kann Blei Krebs verursachen.

Widersprüchliche Gutachten: Die umstrittene Batteriefabrik I-PowerBild: DW

Die Gutachten, die die Umweltaktivisten von Brest im Ausland in Auftrag gegeben haben, unterscheiden sich von den einheimischen, weißrussischen sehr. Während I-Power offiziell von nur drei Kilogramm Blei pro Jahr spricht, die in Form von Abfällen in die Atmosphäre gelangen würden, wollen die Aktivisten bei ähnlichen Anlagen in Europa und Asien bis zu dreihundert Mal höhere Mengen an Blei festgestellt haben. Selbst in China, dem weltweit größten Lieferanten von Blei-Säurebatterien, geht die Anzahl der Fabriken mit alten Technologien zurück, seit die Regierung schärfere Umweltstandards verordnet hat. Wird in Europa womöglich die Umwelt verschmutzt, während China mittlerweile an einer besseren Umwelt arbeitet?

"Schauen Sie sich mal um", zeigt Julia Subik auf die grüne Wiese rund um das Werk. "Wenn hier einmal die Kühe fressen, haben wir das ganze Blei im Fleisch und in der Milch." Nur ein paar hundert Meter von I-Power entfernt stehen zwei Lebensmittelfabriken: ein Milchbetrieb und ein Gewächshaus für Pilze.

Frau Subik zeigt Fotos, die ihre Mitstreiter heimlich vom Firmengelände aufgenommen haben. Darauf sind mannshohe, teilweise verrostete Metall-Tonnen zu sehen. Ihr Verdacht ist, dass es sich um alte, ausgediente Geräte aus ähnlichen, mittlerweile geschlossenen Werken im Ausland handelt anstelle von neuen, wie I-Power behauptet.

Post für Lukaschenko

I-Power bestreitet die Vorwürfe. In einem Interview mit der Deutschen Welle draußen vor dem Werk weist Manager Sergey Dubnovitsky darauf hin, dass der Betrieb unter Aufsicht der staatlichen Umweltbehörde gebaut worden sei: "Natürlich zählen solche Werke zu den schädlichen Betrieben. Das wissen wir. Aber wir haben sehr viel Kraft und genügend Geld investiert, um es aus ökologischer Sicht so ungefährlich wie möglich zu machen." Alle Maschinen und Geräte seien selbstverständlich neu. Die angewendeten Technologien gehörten zu den besten der Welt, das erkläre auch die eklatanten Unterschiede bei der Bleimenge, die einerseits hier in Brest und andererseits sonstwo auf der Welt in die Atmosphäre gelangt. Weißrussland habe nun mal strengste Umweltkriterien und seine Firma beste Kläranlagen, resümiert Sergey Dubnovitzky.

Keine Antwort vom Präsidenten: Julia Subik im Gespräch mit DW-Korrespondent Juri ReschetoBild: DW

Das glauben Julia Subik und die 38.000 anderen besorgten Weißrussen nicht. Sie haben einen Brief an den weißrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko geschrieben. Eine Antwort kam nicht.

"Vermutlich wird sie auch nie kommen", seufzt Julia Subik. I-Power gehört nämlich zu den so genannten innovativen Betrieben, die den Schutz eines staatlichen Förderprogramms genießen. "Was soll denn an diesen alten Technologien innovativ sein?", fragt ironisch Subik. Die Antwort von I-Power: Es sei das erste und bisher einzige Werk in Weißrussland, in dem Batterien komplett hergestellt werden.

Siebzig Prozent dieser Batterien sollen übrigens exportiert werden - unter anderem nach Asien, wo das Geld für den Bau des Betriebs herkommt, genauer aus China. Die Finanzierung wurde über Milliardenkredite abgewickelt, die der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko organisiert hat. Das Geschäft mit China scheint Chefsache zu sein. Davon zeugt auch ein riesiger weißrussisch-chinesischer Industriepark in der Nähe der Hauptstadt Minsk, der gerade mit chinesischem Kapital hochgezogen wird: mehr als hundert Quadratkilometer Land für die Welt der schönen neuen Hochtechnologien. Große Plakate im Stil der kommunistischen Propaganda preisen die neue weißrussisch-chinesische Freundschaft. 

Die Einwohner von Brest beeindruckt das nicht. Sie fürchten um ihre Gesundheit. "Wenn I-Power in Betrieb geht, ziehen wir weg", sagt Julia Subik. Sie traut den Behörden in ihrem Land nicht.

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