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Politik

Weißrussische Journalistin vor Gericht

Markian Ostaptschuk
13. Februar 2019

In Minsk läuft ein Prozess gegen die Chefredakteurin eines der größten weißrussischen unabhängigen Internetportale. Marina Solotowa droht eine lange Haftstrafe. Doch was ist an den Vorwürfen der Behörden dran?

Weißrussland Minsk Internet-Portal tut.by Marina Zolotova
Bild: Dw/E. Daneyko

Marina Solotowa wird zur Last gelegt, den "Interessen von Staat und Gesellschaft" geschadet zu haben. Sie selbst weist alle Vorwürfe zurück. Die Chefredakteurin des unabhängigen Internetportals "tut.by" steht noch als einzige von insgesamt fünfzehn Personen vor Gericht, denen vorgeworfen wurde, sich unbefugt Zugang zu kostenpflichtigen Inhalten der staatlichen Nachrichtenagentur "BelTA" verschafft zu haben. Die Verfahren gegen die anderen Angeklagten wurden inzwischen eingestellt, nachdem sie Entschädigungen und Geldstrafen entrichtet hatten.

Im Falle von Marina Solotowa stellten die Ermittler jedoch fest, dass sie als einzige nicht auf kostenpflichtige Inhalte der Agentur zugegriffen hatte. Doch ihr wird Untätigkeit und Fahrlässigkeit vorgeworfen, weil ihre Mitarbeiter unerlaubt "BelTA"-Inhalte genutzt haben sollen. Seit Dienstag läuft nun der Prozess. Ihr drohen bis zu fünf Jahre Haft. Die materiellen Ansprüche gegenüber Solotowa belaufen sich laut Staatsanwaltschaft auf etwa 70.000 weißrussische Rubel, umgerechnet rund 29.000 Euro. Zur Gerichtsverhandlung kamen mehr als 100 Medienvertreter. Solotowa wurde am Eingang des Gerichtssaals mit Applaus begrüßt.

Durchsuchungen und Festnahmen

Die weißrussischen Behörden hatten im August 2018 die Büros von "tut.by", der Nachrichtenagentur "BelaPAN", des Immobilienportals "Realt.by", der Redaktion der Zeitung "Kultura" sowie Wohnungen von Redakteuren und Journalisten durchsucht. Beschlagnahmt wurden Festplatten von Computern. Neun Journalisten wurden vorübergehend festgenommen, darunter der DW-Korrespondent in Minsk, Paulyuk Bykowski.

Räume der Redaktion des Internetportals "tut.by" in MinskBild: Dw/E. Daneyko

Die Deutsche Welle hatte daraufhin beim Botschafter Weißrusslands in Berlin Protest gegen die Verhaftung des akkreditierten DW-Korrespondenten eingelegt und seine unverzügliche Freilassung gefordert. Das Auswärtige Amt erklärte, die Bundesregierung habe gegenüber Minsk angemahnt, die Medien- und Meinungsfreiheit zu achten. Auch die Organisation "Reporter ohne Grenzen" und der Europarat hatten gegen die Festnahmen protestiert.

Das weißrussische Außenamt erklärte damals, man habe es nicht mit einem Vorgehen gegen die Pressefreiheit zu tun, sondern lediglich mit einem "banalen, unbefugten Zugang zu kostenpflichtigen Informationen". Doch Journalisten von "tut.by" und viele ihrer Kollegen anderer unabhängiger Medien erklärten, ein Diebstahl der Agenturmeldungen habe überhaupt keinen Sinn gemacht, da die Meldungen von "BeITA" nur in den ersten 15 Minuten kostenpflichtig und gesperrt gewesen seien. Danach seien sie für jeden zugänglich gewesen.

Streit um Zugangsdaten

Die Kampagne gegen alle Angeklagten im "BelTA"-Fall stehe in keinem Verhältnis zur Schwere des Verstoßes, sagte Marina Solotowa der DW. So hätten die Journalisten noch Passwörter aus früheren Jobs verwendet. Eine genaue Prüfung der Akten des Falles habe außerdem ergeben, dass "BelTA" die Passwörter seit dem Jahr 2000 nicht geändert habe. Doch am meisten empört ist Solotowa über den ersten Punkt der Anklage gegen sie, wonach sie nicht für ein "BelTA"-Abonnement gesorgt habe. "Als wäre das meine Pflicht gewesen", sagte sie.

Aus den Aussagen der Zeugen im Verfahren gegen Solotowa geht hervor, dass bei "BelTA" niemand kontrollierte, wie viele Nutzer sich über ein und denselben Account in kostenpflichtige Bereiche einloggten. In dem betroffenen Zeitraum sahen die Verträge von "BelTA" außerdem keine Strafen für die Weitergabe von Logins und Passwörtern vor. Es gab auch keine Regelung, wie viele Mitarbeiter eines Abonnenten die Zugangsdaten nutzen durften. Erst in der zweiten Jahreshälfte 2018 schloss "BelTA" zusätzliche Verträge mit Abonnenten ab, die eine Weitergabe von Passwörtern an Dritte verbieten. Daher halten Kritiker die bisherigen hohen Geldstrafen sowie die Marina Solotowa drohende Haftstrafe für völlig unverhältnismäßig.

Den Gedanken, sie könnte tatsächlich ins Gefängnis kommen, versucht die zweifache Mutter Marina Solotowa zu verdrängen: "Ich hoffe, dass es nicht dazu kommt. Ich kann nicht sagen, dass ich nachts nicht schlafe, ich versuche Ruhe zu bewahren."

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