Staatsbetriebe zu verkaufen
21. April 2009Es ist einer der letzten weißen Flecken auf der europäischen Investorenlandkarte: Weißrussland oder auch "Belarus" genannt, am Ostrand der Europäischen Union gelegen, knapp 10 Millionen Einwohner, ist für viele unbekannt. Denn wegen seines autoritären Regierungsstils wird Langzeit-Präsident Alexander Luakschenko vom Westen seit Jahren geschnitten. Lange kam die Regierung in Minsk mit der Isolation gut zurecht - billiges Gas aus Russland sicherte das Überleben. Doch seit Russland die Gaspreise massiv erhöht hat, muss Lukaschenko umdenken. Ihm ist klar, dass es mit dem alten Wirtschaftsmodell endgültig vorbei ist.
Gleichheit für alle: alle gleich arm
Ein Modell, das in weiten Teilen an Planwirtschaft erinnert. Bis zuletzt waren gut zwei Drittel der belarussischen Betriebe Staatsfirmen. Anders als andere Staaten in der Region ist die weißrussische Gesellschaft bis heute sehr egalitär, wenn auch auf niedrigem Niveau: Superreiche Oligarchen gibt es genauso wenig wie bitterarme Rentner. Die Staatswirtschaft sicherte aber zugleich auch die Herrschaft Lukaschenkos: Wer oppponierte, dem drohte der Rauswurf aus dem Staatsbetrieb. Umso schwerer wiegt die Entscheidung des Regimes, sich wirtschaftlich zu öffnen und zahlreiche Betriebe zu verkaufen. Wladimir Skworzow, der weißrussische Botschafter in Deutschland, betont, dass die Wirtschaftslage seines Landes stabil sei, aber kaum ein Land "nur gestützt auf eigene Ressourcen" überleben könne.
Nach Lesart des Regimes in Minsk ist man also durchaus Herr der Lage. Andererseits gibt es auch Hinweise, dass die Regierung eher eine Getriebene ist. So musste sich Belarus im Zuge der Finanzkrise bereits Notkredite bei Russland und dem IWF besorgen. Rainer Lindner, Geschäftsführer des Ostausschusses der Deutschen Wirtschaft, begrüßt diese Entwicklung: "Das ist ein positiver Begleiteffekt dieser Krise, dass gerade Gesellschaften, die eigenen Wegen gefolgt sind und Abschottung betrieben haben, sich jetzt öffnen müssen."
Alle Branchen stehen zum Verkauf an
Für ausländische Investoren bietet Weißrussland durchaus gute Voraussetzungen. Das Land hat eine recht breit aufgebaute Industrie; in der Sowjetzeit war Belarus relativ gut entwickelt. Im Rahmen der Arbeitsteilung lieferte das Land Traktoren und Kipper für die Landwirtschaft und hält in diesem Bereich bis heute einen Weltmarktanteil von rund zehn Prozent. Auf der Privatisierungsliste sind aber alle vorstellbaren Branchen vertreten - eine Fischfarm aus Brest, eine Schuhfabrik aus Gomel, Zulieferer der Eisenbahn, Kugellagerhersteller, Energiefirmen und Computerspezialisten.
Bleibt die Frage, ob all das wirklich ernst gemeint ist und Eigentümerrechte am Ende unangetastet bleiben. Immerhin: Die Zahl ausländischer Direktinvestitionen, die jahrelang im Millionenbereich dümpelte, schnellte nach Ankündigung der Öffnung bereits letztes Jahr erstmals auf Milliardenwerte. Russische Investoren stehen oben an.
Das soll nicht so bleiben, fordert Rainer Linder vom Ostausschuss der deutschen Wirtschaft: "Das ist ein Konflikt, den wir durchaus als Integrationskonkurrenz wahrnehmen sollten. EU oder Russland - welchem Integrationskern schließen sich Länder wie Belarus, Ukraine, Moldau an?" Deutschland sollte seiner Meinung nach die Zeichen der Zeit erkennen und die Interessen der Staaten an einer stärkeren Integration ernst nehmen.
Autor: Jan Pallokat
Redaktion: Zhang Danhong