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Gemeinsames Weihnachtsfest in Nigeria

Katrin Gänsler23. Dezember 2013

In Nigeria, so wirkt es von außen oft, bekämpfen sich Christen und Muslime bis aufs Blut. Doch der Alltag sieht meist anders aus, besonders im Bundesstaat Adamawa. Dort fiebern Christen und Muslime Weihnachten entgegen.

Weihnachten in Yola Nigeria Phinear und Alice Padio
Bild: DW/K. Gänsler

Endlich hört Phinear Padio, wie das große Eisentor zu seinem Grundstück geöffnet wird. Dann fährt sein Nachbar Muhammad Sani mit dem Auto auf den Hof. Padio will ihn unbedingt treffen, wie so oft. Die beiden Männer unterhalten sich über den Alltag im Norden Nigerias, über ihre Familien und über Politik. Doch heute hat Phinear Padio ein besonders Anliegen.

“Du musst unbedingt mit uns Weihnachten feiern. Du bist herzlich eingeladen“, sagt Phinear Padio zu seinem Nachbarn, als dieser die Tür seines kleinen Hauses öffnet. Muhammad Sani nickt und strahlt. “In den vergangenen zwei Jahren war ich an Weihnachten nicht in Yola. Wir konnten nicht gemeinsam feiern. Schön, dass es jetzt wieder klappt.“

Yola ist die Hauptstadt des Bundesstaates Adamawa im Nordosten Nigerias, einem der drei Bundesstaaten in denen seit Mai 2013 der Ausnahmezustand gilt, weil sie das Zentrum der Terroraktivitäten von Boko Haram sind. In Adamawas Bergen an der Grenze zu Kamerun überfallen die islamistischen Terroristen immer wieder Dörfer und ermorden Christen oder Schüler der von ihnen gehassten "westlichen" Schulen.

Betende Muslime gehören in Yola zum StadtbildBild: DW/K. Gänsler

Vorfreude auf die Weihnachtsplätzchen

Muhammad Sani selbst ist gar kein Christ, sondern Muslim, wie seine ganze Familie auch. Trotzdem ist es für ihn wichtig, gemeinsam mit seinen christlichen Nachbarn und Freunden das Weihnachtsfest zu feiern. “Wir genießen das sehr. Am Weihnachtstag bringen mir meine Nachbarn immer gutes Essen. Plätzchen zum Beispiel, Hühnchen und Reis gibt es auch. Zu den muslimischen Festen machen wir das übrigens genau so. Dann laden wir natürlich auch Christen ein.“

Die beiden Nachbarn, die nun über die Ereignisse des Tages sprechen, sind keine Ausnahme in Nigeria. In weiten Teilen des Landes feiern Christen und Muslime wichtige religiöse Feste weiterhin selbstverständlich zusammen. Der Alltag läuft oft ebenso unkompliziert ab. Gerade im Bundesstaat Adamawa ist er nicht von ständigen Diskussionen über Religion und Glaubensfragen geprägt.

Muhammad Sani (links) freut sich über die Einladung zur WeihnachtsfeierBild: DW/K. Gänsler

Christen und Muslime unter einem Dach

Außenstehende nehmen dagegen oft nur die religiösen Gegensätze wahr. Schuld daran sind die zahlreichen Anschläge der islamistischen Terrorgruppe Boko Haram. Nach aktuellen Schätzungen der Vereinten Nationen sollen alleine seit Mai 2013 mehr als 1200 Menschen bei Attacken ums Leben gekommen sein. “Es ist schade, dass Menschen in anderen Ländern den Eindruck bekommen, hier kämpfen Christen gegen Muslime. Das stimmt überhaupt nicht“, erklärt Muhammad Sani, im Gegenteil: “Christen und Muslime leben friedlich zusammen. Selbst in einer Familie kann es verschiedene Religionen geben“.

Das friedliche Zusammenleben kennt auch Alice Padio, die Frau von Phinear, aus eigener Erfahrung. Sie wuchs bei einer Tante auf, die Muslima war. “Für uns war selbstverständlich und gar kein Problem“, sagt sie und möchte gar nicht weiter darauf eingehen, weil es so normal war. Stattdessen kümmert sie sich nun um die Weihnachtsdekoration. Eine Lichterkette hat sie schon aufgehängt. Außerdem einen kleinen Wandteppich aus Jerusalem, den ihr Mann von seiner letzten Pilgerreise mitgebracht hat.

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Ausnahmezustand verärgert viele Menschen

Als sie fertig ist, setzt sich Alice Padio aufs Sofa. Die Vorfreude auf Weihnachten ist der 29-Jährigen anzumerken. “Sie werden alle herkommen, meine Nachbarn und meine Freunde“, sagt sie über die Weihnachtsgäste, für die sie in den kommenden Tagen ein üppiges Weihnachtsessen vorbereiten möchte. Dass unter ihnen mehr Muslime als Christen sind, findet sie alles andere als merkwürdig. “Hier in Yola sind meine besten Freunde Muslime. Ich teile mit ihnen. Wir unterhalten uns, wir essen gemeinsam. Wir machen alles zusammen. Zwischen uns gibt es keinen Unterschied.“

Dabei gilt auch im Bundesstaat Adamawa seit Mitte Mai 2013 der Ausnahmezustand. Mit diesem soll dem Militär ermöglicht werden, durch großangelegte Einsätze gegen Boko Haram vorzugehen. Die meisten Bewohner ärgert das. Denn in Adamawa hat es sehr viel weniger Anschläge als etwa im Nachbarbundesstaat Borno gegeben. Gerade in den vergangenen Monaten ist es weitgehend ruhig geblieben.

Ein Wandteppich aus Jerusalem dient als WeihnachtsdekorationBild: DW/K. Gänsler

Liberales Adamawa

Was aber noch mehr zum friedlichen Zusammenleben beiträgt, das ist für Muhammad Sani die große Toleranz der Menschen. “Hier gibt es keinen Platz für radikale Ideen“, sagt er. Radikalen Gruppierungen würde es deshalb schwer fallen, überhaupt Anhänger zu finden. Hauptgrund dafür ist seiner Meinung nach, dass die Mehrheit der Einwohner in Adamawa dem Volk der Fulani angehört. "Es sind sehr unkomplizierte Menschen". Die große Mehrheit bekennt sich zwar selbst zum Islam. Aber in Adamawa gibt es beispielsweise keine Scharia. Alkohol wird ganz normal verkauft. “Diese Toleranz hat dazu geführt, dass viele Christen, vor allem die Ibos aus dem Osten, gerne hier leben. Wir sind sehr liberal.“

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