Weihnachten ohne geschmückten Baum und Geschenke, das ist für viele undenkbar. Doch die Zeiten des hemmungslosen Konsumrausches scheinen vorüber: Immer mehr Menschen legen Wert auf Nachhaltigkeit beim Fest.
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Deutsche Weihnachten seit 1945
Das Weihnachtsfest hat sich im Laufe der Jahrzehnte stark gewandelt. Wir zeigen Ihnen, wie man 1945 feierte, was es mit Jahresendflügelpuppen auf sich hat und wie deutsche Familien heute Weihnachten begehen.
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"Oh Tannenbaum"
Millionen von Weihnachtsbäumen stehen in diesen Tagen in Deutschlands Wohnzimmern. Dabei hat die einfache Fichte längst ausgedient; eine Edeltanne muss es schon sein. Dem Schmuck sind dabei keine Grenzen gesetzt: Kerzen, Kugeln, Sterne, Figuren - alles ist erlaubt. Nicht nur Kinderaugen leuchten, wenn an Heiligabend alles in glänzender Pracht erstrahlt. Doch es gab auch andere Zeiten.
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Weihnachten 1945
Das erste Weihnachtsfest nach einem verheerenden Krieg. Deutschland liegt in Trümmern. Überall Flüchtlinge und Obdachlose. Die amerikanischen Besatzer sprechen bei der Stimmungslage in der Bevölkerung von Apathie und Resignation. Die wichtigste Frage zum Fest lautet: Wie bekomme ich etwas zu essen?
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Die ersten Jahre nach dem Krieg
1946 bis 1949 sind Jahre des Hungers. Wohltätigkeitsorganisationen veranstalten Bescherungen für Kinder, verteilen Schokolade oder Gebäck. Der Mangel an Essen und Wohnraum schweißt die Menschen zusammen. So gut es eben geht, versucht man, gemeinsam Weihnachten zu feiern und ein Essen auf den Tisch zu bringen. Es gibt sogar erste kleine Geschenke - aufgearbeitete Spielsachen und umgenähte Kleidung.
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Weihnachten im Wirtschaftswunderland
In Westdeutschland kommt der Wiederaufbau in Fahrt, Weihnachten wird opulenter gefeiert. Geschenkt wird Notwendiges und Nützliches: Kleidung, Bettwäsche, Küchengeräte, ein Radio. Die Kinder bekommen neues Spielzeug. Echter Bohnenkaffee ist noch immer etwas Besonderes. Aus dem Wirtschaftswunderland machen sich Weihnachtspakete an die Verwandten in der "Ostzone", der DDR, auf den Weg.
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Friedensfest mit Jahresendflügelpuppen
1950 bis 1959: Ostdeutschland ist mit dem Aufbau des Sozialismus beschäftigt. Doch weil Sozialismus und Christentum nicht zusammenpassen, wird Weihnachten - wie bereits im Nationalsozialismus - seiner christlichen Wurzeln beraubt und zu einem reinen Familien- und Friedensfest deklariert. In der DDR heißt Weihnachten Jahresendfest oder Friedensfest. Aus Engeln werden Jahresendflügelpuppen.
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Exportschlager der DDR
1960 bis 1969: Weihnachtsbriefmarken in der DDR zeigen offiziell Gegenstände der Volkskunst und keine christlichen Motive. Weihnachtliche Holzschnitzereien aus dem Erzgebirge wie Räuchermännchen und Co. sind aber weiterhin beliebt - auch im Westen - und ein Exportschlager des neuen kommunistischen Staates.
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Wachsender Konsum im Westen
1960 bis 1969: Im Westen ist der Wiederaufbau fast beendet, ein gewisser Wohlstand macht sich breit. Die Geschenke unter dem Weihnachtsbaum werden wertvoller: Dazu gehören vor allem die neuesten Techniktrends und Luxusgüter. Erste Ansätze von Konsumkritik keimen auf, denn das Konsumdenken überlagert zunehmend die christliche Intention des Fests.
1970 bis 1975: Weihnachten wird wegen der sich rasant entwickelnden Kultur des Schenkens zum Hauptfest des Jahres. Eine Spitzenposition, die es im theologischen Ranking nicht hat: Dort stehen Karfreitag und Ostern oben. Doch die christliche Bedeutung von Weihnachten ist längst in den Hintergrund getreten. Zeitschriften geben Gestaltungstipps und setzen Dekotrends für Feier und Baum.
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"Früher war mehr Lametta"
So lamentiert Opa Hoppenstedt 1978 in einem bekannten Sketch des Komikers Loriot zum Weihnachtsfest. Stimmt. Auch selbst gebastelter Schmuck ziert kaum noch den Baum, kann man ihn doch überall kaufen. Autorennbahnen, Kassettenrekorder, Farbfernseher - die Industrie hat alle Hände voll zu tun, die ungezügelten Konsumwünsche zu erfüllen.
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Konsumflut unterm Baum
1980 bis 1989: Der Weihnachtskonsum ist ein Spiegel der wirtschaftlichen Entwicklung. Die Wissenschaft konstatiert, dass die Westdeutschen bis Ende des Jahrzehnts in der Massenkonsumgesellschaft angekommen sind. Die Konsumflut schwappt bis unter den Weihnachtsbaum. Man schenkt Dinge, die nicht wirklich zum Leben benötigt werden, die Vergnügen bereiten oder die Freizeitbeschäftigung unterstützen.
In den 1990er-Jahren - die DDR gibt es nicht mehr - haben die 17 Millionen Menschen aus Ostdeutschland Nachholbedarf in Sachen Konsum, den es zu stillen gilt. Zu Weihnachten gibt es glänzende Geschäfte im Westen und Flaute beim Handel im Osten. Denn die neuen Bundesbürgerinnen und Bundesbürger decken einen großen Teil ihres Bedarfs im Einzelhandel des Westens, konstatieren Wirtschaftsforscher.
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Weihnachten im neuen Jahrtausend
Inzwischen kennen immer weniger Menschen die Ursprünge des Weihnachtsfestes. Es wird mehr und mehr zum Event. Besonders junge Leute gehen locker an das Fest heran, machen nach der Bescherung Party. Man verschenkt Konzerttickets, Erlebnis- und Wellness-Gutscheine und freut sich, dass man an den Feiertagen nicht arbeiten muss.
Bild: lev dolgachov/Zoonar/picture alliance
Internationale Trends
Regionale deutsche Bräuche des weihnachtlichen Feierns treten immer häufiger in den Hintergrund, die Gestaltung des Fests wird internationaler. Aus den USA stammt der Trend der Lichtdekorationen für Hausfassaden und Vorgärten. Inzwischen liegen die Produktionszentren für Weihnachtsutensilien in Fernost.
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Besinnung auf den Ursprung
Viele Menschen meinen, der christliche Kern des Weihnachtsfestes sei längst auf der Strecke geblieben. Doch weit gefehlt: Es gibt immer mehr Familien, die sich am Heiligabend auf den Ursprung besinnen wollen: Und dann wird den Kindern unter dem Weihnachtsbaum die Geschichte von Maria und Josef und der Geburt Jesu vorgelesen.
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Wenn Sylvia Meier aus dem Fenster guckt, sieht sie eine zwei Meter hohe wunderschöne Tanne. An den Zweigen hängen rote Kugeln und Lichterketten. "Das ist mein Weihnachtsbaum", sagt sie, "und das schon seit vielen Jahren". Irgendwann mal hat sie ihn als kleines Bäumchen im Topf fürs Fest gekauft und nach den Weihnachtstagen dann im Garten eingepflanzt.
"Der nachhaltigste Baum ist kein Baum"
Aus Sicht vieler Deutscher hat Sylvia Meier alles richtig gemacht. Immerhin werden jedes Weihnachten rund 30 Millionen Bäume abgeholzt, nur um sie in deutschen Wohnzimmern aufzustellen. Allerdings hat nicht jeder einen Garten wie Familie Meier. Und selbst wenn, überleben viele Bäume gar nicht draußen, weil sie zu lange im warmen Haus standen. Was also tun, wenn man nicht auf den traditionellen Baum verzichten möchte?
"Zugespitzt: Der nachhaltigste Baum ist kein Baum", meint Corinna Hölzel vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Oder ein Baum, der bei Forstmaßnahmen sowieso gefällt werden würde, also ein Abfallprodukt." Da dies jedoch nicht den Mengenbedarf aller Haushalte decken würde, seien Alternativen gefragt, denn "wir möchten natürlich nicht die weihnachtliche Tradition der Christbäume verbieten".
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Der Baum gehört einfach dazu
Anders als viele meinen, ist ein wieder verwendbarer Plastikbaum allerdings definitiv keine Alternative. Denn obwohl er jahrzehntelang an Heiligabend seine Pflicht tut, wandert er irgendwann auf den Müll. Allerdings ist er im Gegensatz zum echten Baum nicht biologisch abbaubar.
Auf der anderen Seiten stammen rund 80 Prozent der für Weihnachten gepflanzten Tannenbäume hierzulande aus Monokulturen. Dünger und Pestizide inklusive. Wer umweltfreundlich feiern will, sollte sich beim Baumkauf also zumindest für ein Exemplar aus regionalem ökologischem Anbau entscheiden, rät der BUND.
Und das tun mittlerweile auch Viele, denn einer Umfrage des Bildungskanals ARD alpha zufolge wollen nur 24 Prozent der Deutschen ganz auf einen Baum verzichten; er gehört einfach zum Fest dazu. An der festlichen Beleuchtung in Haus und Garten allerdings wird 2022 in Zeiten der Energiekrise kräftig gespart. Das "freut" die Umwelt: Denn solange der Strom aus fossilen Energiequellen stammt, steigen die CO2-Emissionen.
Kampf gegen Müllberge
Und was ist mit dem Geschenkpapier? Jahr für Jahr quellen in Deutschland die Mülltonnen über, denn jedes Präsent will schön verpackt werden. Laut Schätzungen des Papeterie- und Buchverlags Dabelino landen allein in Deutschland alljährlich rund 8000 Tonnen Geschenkpapier im Müll. Doch auch hier zeichnet sich eine Trendwende ab. Einer Studie zufolge wollen 50 Prozent der Befragten der Umwelt zuliebe das Geschenkpapier reduzieren. In vielen Familien wird altes Papier aufgebügelt und wiederverwendet und auch der Handel hat schon reagiert: Längst kann man veganes Geschenkpapier erwerben. Und 20 Prozent der Deutschen wollen den Konsumrausch nicht mehr unterstützen, sondern nur noch Selbstgebasteltes auf den Gabentisch legen.
Bewusster konsumieren
Das gilt auch für Lebensmittel, die zunehmend bewusster konsumiert werden als in früheren Zeiten. 39 Prozent der Deutschen geben an, Weihnachten auf eine Ernährung mit regionalen Lebensmitteln achten zu wollen. Vorbei also die Zeiten hemmungsloser Schlemmerorgien, immer mehr Menschen essen gesund, viele vegetarisch oder vegan - der Umwelt zuliebe.
Immerhin 70 Prozent aller Deutschen sprechen sich mittlerweile für ein rundum umweltfreundlicheres Weihnachtsfest aus. Es tut sich also was unterm Tannenbaum. "Allerdings bringt es wenig, nur an Weihnachten an Nachhaltigkeit zu denken", sagt die Umweltpsychologin Karen Hamann gegenüber ARD alpha. Nur an den Festtagen zu überlegen, ob man Orangen aus Spanien oder einen Weihnachtsbraten essen darf, sei wenig sinnvoll. "Wir sollten versuchen, das ganze Jahr über unser klimaschädliches Verhalten aus Bereichen wie Flugverkehr, Mobilität, Energie und Ernährung zu reduzieren", betont sie. "Andererseits sollten wir uns auch nicht wegen jeder Kleinigkeit verurteilen."
Das sieht auch Sylvia Meier so. Und deswegen hat sie wie jedes Jahr schon mal das Rezept ihrer Oma für den traditionellen Gänsebraten rausgesucht. "Vielleicht nicht ganz klimafreundlich", sagt sie, "aber meine Familie freut sich schon darauf." Nur Tochter Antonia nicht. Sie bekommt an Heiligabend veganes Tofu.