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Politik

Terror-Gedenken am Weihnachtsmarkt

Richard A. Fuchs
27. November 2017

Vor einem Jahr raste ein islamistischer Attentäter mit einem Lastwagen in den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz. Jetzt haben die Buden wieder geöffnet, mit verschärften Sicherheitsregeln und Gedenkgebeten.

Deutschland Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche
Bild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

"Warum?" In leuchtenden, roten Lettern wurde diese Frage auf ein braunes Holzschild geschrieben. Ein Schild, das auch am Montag um 11 Uhr zur Wiedereröffnung des Weihnachtsmarkts auf dem Berliner Breitscheidplatz lag. Um das Schild herum wurde auf einer Steintreppe eine improvisierte Gedenkstätte eingerichtet. Mit 12 Grabkerzen, Weihnachtsbäumchen und zwei weißen Holzkreuzen - inmitten einer Vielzahl von Holzbuden und Fahrgeschäften. Es ist einer der vielen Versuche der Berliner, an jenes Ereignis zu erinnern, was die Menschen auch knapp ein Jahr danach noch immer fassungslos zurücklässt. Am 19.Dezember 2016 war ein Attentäter mit einem Lastwagen in den Weihnachtsmarkt gerast. 12 Menschen starben, 70 Menschen wurden teilweise schwer verletzt. Das vorweihnachtliche Berlin war binnen Sekunden zum Schauplatz des islamistischen Terrors geworden.

Innenminister: "Achtsam, aber nicht furchtsam sein"

Kaum verwunderlich, dass die ersten Besucher des Markts in diesem Jahr eher nachdenklich über den Platz schlendern. "Man hat jetzt schon ein mulmiges Gefühl, wenn man hier steht", sagte ein Berliner, der sich den weihnachtlich geschmückten Platz trotzdem anschauen wollte. Eine andere Frau ergänzte: "Die Unruhe ist schon da". Bereits kurz nach der Eröffnung lag Bratwurstgeruch in der Luft, ebenso wie der Duft von heißem Glühwein. Die Flanierwege zwischen den Buden waren binnen kurzer Zeit locker gefüllt. Einige Aussteller, aber auch einige Passanten, wollten von Angst und Unwohlsein nichts wissen. Viele verbreiten eine "Jetzt-erst-recht-Stimmung" im Angesicht der Terrorgefahr.

Dieses Bild hat sich eingebrannt: Der LKW des Attentäters nach seiner Amokfahrt. Bild: Reuters/F. Bensch

Interessanterweise vertreten das vor allem ausländische Schausteller, wie Zvi aus Israel: "Ich habe 20 oder 30 von diesen Anschlägen erlebt. Ich habe keine Angst". Und auch Michaela aus Nordirland, die ebenfalls an einer Bude arbeitet, rät zu Gelassenheit. "Wir müssen damit einfach umgehen lernen." Am Abend folgt der offizielle Teil der Weihnachtsmarkteröffnung, auf der auch Berlins Regierender Bürgermeister sprechen will.

Ein Hauch vorweihnachtlicher Normalität kann es in diesem Jahr nur sehr schwer geben. Daran erinnern die Besucher auch die zahllosen Kamerateams, die exklusiv von Berlins berühmtestem Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche berichten. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) appellierte im Interview mit der "Bild"-Zeitung an die Deutschen, den traditionellen Gang über den Weihnachtsmarkt nicht ausfallen zu lassen. "Die Weihnachtsmärkte gehören zu unserem Leben und unserer Kultur". Daher sollten die Bürger "achtsam, aber nicht furchtsam" sein.

Eröffnung mit Gedenkgottesdienst der Schausteller

Die Budenbetreiber vom Weihnachtsmakt gedenken der Toten vom 19.Dezember 2016. Bild: picture-alliance/dpa/G. Fischer

Die Schausteller auf dem Berliner Breitscheidplatz sind diesem Appell des Innenministers nachgekommen. Vor dem offiziellen Start versammelten sich viele in der naheliegenden Gedächtniskirche zum stillen Gedenken. Im Altarraum wurden 12 Kerzen für die zwölf Opfer angezündet. Pfarrer Martin Germer appellierte an alle Schausteller, das Geschehene nicht zu vergessen, den eigenen Auftrag aber ebenfalls nicht. "Wir wollen unsere Arbeit tun und das heißt, wir wollen als Weihnachtsmarkt für die Menschen da sein." Schausteller-Verbandschef Michael Roden hatte mitgeteilt, dass fast alle Schausteller in diesem Jahr zurückgekehrt seien. Das sei auch ein Zeichen, dass sich alle der Symbolkraft bewusst sind, die ein Fernbleiben auslösen hätte können. Roden rechnet mit Besucherzahlen, die sich mit 1,2 bis 1,5 Millionen Menschen nicht wesentlich von den Vorjahren unterscheiden sollen.

Der Weihnachtsmarkt hat wieder begonnen: die verschärfte Sicherheitslage ist allerdings nicht zu übersehen. Bild: picture-alliance/dpa/G. Fischer

Mehr Polizisten, mehr Betonsperren, mehr Kameras

Damit die Menschen aber tatsächlich kommen, wurden die Sicherheitsmaßnahmen deutlich erhöht. Das gilt für die Weihnachtsmärkte im gesamten Bundesgebiet, ebenso wie auf dem Breitscheidplatz. Rechteckige, graue Betonquader versperren hier die Eingangsbereiche, um erneute Angriffe mit Fahrzeugen zu verhindern. Zudem sollen sichtbar mehr Sicherheitspersonal und Streifenpolizisten patrollieren, teilweise auch mit Maschinengewehren bewaffnet. In Berlin war an diesem Tag davon noch wenig zu sehen. 

Zudem sollen temporäre Überwachungskameras und Lautsprecheranlagen, die im Notfall Durchsagen ermöglichen, das Sicherheitsgefühl der Besucher stärken. Mit Blick auf die verschärften Sicherheitsvorkehrungen sagte Bundesinnenminister de Maizière: "Die Terrorgefahr ist einfach sehr hoch. Jederzeit. Überall". Deshalb würden auch die Weihnachtsmärkte heute anders aussehen als noch vor einigen Jahren. Hinweise auf eine konkrete Sicherheitsgefahr in Berlin gibt es laut den Sicherheitsbehörden derzeit aber nicht.

Ein Riss aus Bronze erinnert auf dem Berliner Breitscheidplatz an den Terror vom 19.Dezember 2016. Bild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Am Jahrestag wird ein Denkmal eröffnet

So kann die Weihnachtssaison auch hier beginnen. Mit einer Ausnahme: Am 19. Dezember, dem Jahrestag des Anschlags, bleibt der Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz geschlossen. Dann soll, gemeinsam mit Vertretern der Opfer, das offizielle Denkmal eingeweiht werden und viel Zeit für das Gedenken an die Opfer bleiben. Das Denkmal stellt einen goldenen Riss dar, der sich durch die Steinplatten im Boden des Breitscheidplatzes zieht. Auch einen weiteren Gedenkgottesdienst soll es an diesem Tag geben. Weihnachten in Deutschland verspricht in diesem Jahr also ein nachdenkliches Fest zu werden.  

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