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"Europa ist prädestiniert zu vermitteln"

Sabrina Pabst14. Mai 2014

Europa hat Erfahrung mit Regionen, die sich abspalten wollen. Wäre die EU klüger gewesen, dann hätte sie schon vorher versucht die Situation in der Ukraine auszugleichen, sagt die EU-Abgeordnete Barbara Weiler.

Barbara Weiler ist Europaabgeordnete und reist als Wahlbeobachterin zu den Präsidentschaftswahlen in die Ukraine (Foto: European Union)
Bild: European Union PE-EP

Deutsche Welle: Frau Weiler, Sie reisen zusammen mit sechs weiteren europäischen Parlamentsabgeordneten als Wahlbeobachterin zu den Präsidentschaftswahlen in die Ukraine. Sie waren schon dreimal bei vergangenen Wahlen. Welche besonderen Bedingungen werden Sie diesemal vorfinden?

Barbara Weiler: Die Bürger sind aggressiv und wütend wegen der ganzen Entwicklung. Bei meiner vergangenen Wahlbeobachter-Mission bei den Wahlen von Janukowitsch, Timoschenko und Juschtschenko, konnten wir sehen, wie engagiert die Menschen wählen gegangen sind. Ich hoffe, das wird dieses Mal auch so sein. Im Moment wird die Situation vor Ort immer schlimmer. Wir werden von den Nachrichten jeden Tag neu überrascht. Ich bin nicht sicher, ob die Wahl so, wie wir uns das denken, stattfinden kann. Wenn sich mehrere Provinzen im Osten für Russland aussprechen und keinen nationalen ukrainischen Staatspräsidenten wählen wollen, dann sind die Voraussetzungen, Stabilität zu erlangen, nicht gegeben.

Die Bürger sehen diese Aggressivität, die auf den Straßen herrscht und sie möchten Ruhe haben. Und viele von ihnen sehen diese Ruhe bei Putin. Im Moment bin ich sehr skeptisch. Dennoch habe ich noch immer die Hoffnung, dass die Mehrheit der Bürger sich eine geeinte Ukraine wünschen. Es ist eine bedauernswerte Entwicklung, dass sich das Land jetzt durch die Separatisten auflöst. Aber als Wahlbeobachter sollten wir uns tunlichst zurückhalten, politische Meinungen oder politische Wünsche zu äußern, außer diesem allgemeinen Wunsch nach einer seriösen Zukunftsentwicklung.

Sie werden nicht in die Ostukraine reisen, warum?

Der Europäische Auswärtige Dienst hat entschieden, dass wir nicht in den Osten und Süden der Ukraine reisen dürfen. In der Region Odessa können sie für unsere Sicherheit nicht garantieren. Wir haben drei Städte, in denen wir die Wahlen beobachten werden. Darunter ist natürlich Kiew. Dorthin fährt unser Berichterstatter Göran Färm aus Schweden. Da ich bei der vergangenen Wahl in Kiew war, habe ich mich dieses Mal für eine andere größere Stadt südwestlich entschieden, nämlich Bila Tserkva.

Wie beurteilen Sie denn die bisherigen Bemühungen der Europäischen Union in diesem Konflikt?

Wenn die EU eine vereinte Ukraine unterstützen will - Außenminister Steinmeier und die Franzosen und Polen verhandeln ja - dann muss man den Regionen, die nach und nach Referenden ankündigen, Souveränität eingestehen. Es gibt noch immer bei vielen Menschen das Interesse, eine einheitliche Ukraine zu bewahren und dass sie nicht zerfällt. Wir kennen das Problem in Deutschland, wir haben demnächst ein Referendum in Schottland und vielleicht auch in Katalonien. Europa hat Erfahrungen mit Regionen, die sich abspalten möchten. Man sollte ihnen den Wunsch erfüllen, dass sie eine gewisse Eigenständigkeit bekommen, statt dass sie sich direkt an Russland oder an die EU anschließen müssen.

Es wäre wichtig, dass sich direkt nach der Wahl die EU-Außenminister mit den Gewählten und auch mit den Separatisten auf der Krim und in Donezk zusammensetzen und überlegen, wie man dort eine Form des Föderalismus installieren kann. Auch wenn das vielen nicht gefällt, aber es geht nicht anders. Ich bin überzeugt, dass die vergangenen Referenden (Anm d. Red.: auf der Krim und in Donezk) ein Ausdruck der Meinung der Bevölkerung sind. Dort ist sicher nicht alles korrekt gelaufen, wie wir das von unseren Wahlen in Europa kennen, sonst hätten sie ja auch Beobachtermissionen von der OSZE akzeptiert.

Aber muss sich die EU vielleicht nicht damit abfinden, dass die Ostukraine zu Russland gehören möchte?

Im Gegenteil. Ich fände es besser, wir würden uns mehr engagieren. Die Amerikaner sind weit weg und haben auch ganz besondere geopolitische Interessen. Da könnte man eher fragen, was sie jetzt bei uns auf dem Kontinent suchen. Europa kann das lösen. Wir sind vorsichtig. Wir haben dort keine Rohstoffinteressen oder ähnliches. Unsere Intention ist es, vor unserer Haustür keinen Bürgerkrieg zu haben. Und Europa hat die Erfahrung mit separatistischen Tendenzen. Wir haben auch ganz andere Verbindungen zu Russland als die Amerikaner. Da stehen sich zwei große militärische Weltmächte gegenüber.

Die EU ist fast dazu prädestiniert, zu vermitteln. Wenn sie in der Vergangenheit klüger gewesen wäre, hätte sie schon vorher versucht, die Situation auszugleichen. Aber wir haben zu Beginn signalisiert, dass sich die Ukraine zwischen Moskau und Brüssel entscheiden sollte. In Wirklichkeit müssen wir sehen, dass alle an die Ukraine angrenzenden Länder beides machen: ihre historischen Wurzeln zu Russland weiter leben und von dem europäischen Binnenmarkt profitieren. Die Jugendlichen müssen die Chance haben in europäischen Städten zu studieren, wenn sie das möchten. Aber natürlich auch in Russland. Dieses Entweder-Oder ist meiner Meinung nach falsch.

Barbara Weiler ist Europa-Abgeordnete für die SPD in der Sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament. Als Wahlbeobachterin der Präsidentschaftswahl fährt sie am 22.Mai mit der Delegation des EU-Parlaments in die Ukraine.

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