Ein Mann kann das auch!
6. August 2017Es ist ein Zeichen von Gleichberechtigung: Woanders ist es üblich, Weinköniginnen zu küren - charmante junge Damen, die freundliche Repräsentantinnen eines Anbaugebietes sein sollen. Nicht so in Kesten an der Mosel, knapp 30 Kilometer von Trier entfernt. Der 350-Einwohner-Flecken in Rheinland-Pfalz, umgeben von malerischen Weinbergen, hat seit einem Jahr einen Mann als Weinkönig: Sven Finke-Bieger.
Der Grund: Sein Heimatort hatte Nachwuchssorgen. Keine Frau fand sich, das Ehrenamt zu übernehmen. Zunächst ein Scherz, wurde aus der Idee dann irgendwann Realität, und am 12. August 2016 wurde Finke-Bieger zum Kestener Weinkönig "Bachus" gekrönt.
Hälfte der zweijährigen Amtszeit
Seit einem Jahr ist er in der Rolle des römischen Weingotts Bachus unterwegs - und nach der Hälfte seiner zweijährigen Amtszeit sagte er jetzt der Deutschen Presse-Agentur: "Ich würde es wieder machen." Es sei ein Jahr gewesen "voller Erlebnisse, voller Eindrücke und es hat mich einfach umgehauen". Viele Menschen habe er kennengelernt und viel über Wein gelernt: "Anfangs hatte ich so gut wie keine Ahnung."
Immer mit dabei: sein riesiges Weinglas, in das zwei Liter passen. Daraus hat er schon viele Tropfen verkostet. "Mein Geschmack hat sich schon geweitet." Aber die Rebsorte "Bacchus" mag er "immer noch am liebsten", so Finke-Bieger der als Weinkönig im römischen Gewand mit Lorbeerkranz auftritt. Im Schnitt zehn Stunden die Woche sei er im Auftrag des Weines unterwegs - und an der Mosel derzeit der einzige Weinkönig.
Männer als Bereicherung
Sven Finke-Bieger, der sich nebenbei in der Jungen Union, der Nachwuchsorganisation der CDU engagiert, ist auch angetreten, um zu zeigen, dass Männer ebenfalls Weinkönige sein können. Nach seinem ersten Jahr im Amt steht für den 26-Jährigen fest: "Ich kann es nicht besser als Frauen, aber ich kann es genauso gut." Männliche Kronenträger könnten zudem eine Bereicherung sein. "Ich kann auch mit den Weinköniginnen tanzen."
Eine seiner ersten Amtshandlungen führte ihn vor einem Jahr gleich auf die sündigste Meile der Welt. Die Dragqueen Olivia Jones hatte ihn im September auf die Reeperbahn im Hamburger Amüsierviertel St. Pauli eingeladen. Bei der Gelegenheit wurde der offen-schwule Finke-Bieger auch gleich zum Weinkönig von St. Pauli ernannt, wo bislang weder Rebstöcke stehen, noch gekeltert wird.
"Es soll ein Zeichen für Gleichberechtigung sein", sagt der selbstbewusste junge Mann, der im Februar seinen langjährigen Freund geheiratet hat. Zumindest bei ihm im Dorf sei das gar kein Problem. Kesten an der Mosel ist offenbar in vielfacher Hinsicht Vorreiter.
AR/se (dpa, SWR)