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Politik

Weiter Grenzkontrollen in der EU

Barbara Wesel
12. Oktober 2018

Deutschland und weitere EU-Mitglieder verlängern ihre Grenzkontrollen zu den Nachbarländern. Die Kommission bedauert die bleibende Einschränkung der Reisefreiheit. Ansonsten herrscht bei den EU-Innenministern Stillstand.

Grenze Deutschland - Österreich - Beginn der Rund-um-die-Uhr-Grenzkontrollen
Bild: picture-alliance/Sven Hoppe

Innenminister Horst Seehofer nahm auch an diesem Ratstreffen mit seinen europäischen Kollegen nicht teil und sagte seine Reise nach Luxemburg kurzfristig ab: Zwei Tage vor der Bayernwahl kann man über den Grund nur spekulieren. Die Meldung des Tages verbreitete er über Mail: Deutschland hat die EU-Kommission informiert, dass die Binnengrenzkontrollen zu Österreich für ein weiteres halbes Jahr fortgesetzt werden sollen. "Als Bundesinnenminister ist es meine Pflicht (…), verantwortungsvoll auf die Herausforderungen im Bereich der Migration und Sicherheit zu reagieren", erklärt Seehofer. Die Kontrollen sollen zunächst bis Anfang Mai nächsten Jahres weiterlaufen.

Kommt im nächsten Jahr "Schengen Minus"?

Die Fortsetzung der Kontrollen ist mit Österreich, Dänemark, Schweden und Norwegen abgestimmt, betont das Bundesinnenministerium. Frankreich besitzt ein gesondertes Abkommen mit Italien und will die Kontrollen am Grenzübergang Ventimiglia sowieso weiterführen. Alle betroffenen Regierungen geben weiter Defizite beim Schutz der EU-Außengrenzen und die Gefahr der Sekundärmigration in ihre Länder als Grund an. Aber was bedeutet das für den freien Grenzverkehr im Schengen-Raum?

EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos fordert jetzt die Abschaffung der Kontrollen. 2015/16 habe es dafür Gründe gegeben, inzwischen aber sei die Zahl der Migranten und damit auch die Zahl der illegalen Grenzübertritte stark zurückgegangen und die Sicherung der Außengrenzen klappe auch besser. "Schengen ist für viele EU-Bürger das greifbarste Zeichen für die europäische Integration", sagt der Kommissar und regt an, die störenden Grenzkontrollen durch intensivere Überprüfungen hinter den Grenzen zu ersetzen.

Die Bundesregierung denkt über ähnliche Lösungen nach. Eine "intelligente Grenzüberwachung" aus punktuellen mobilen Kontrollen könne künftig mehr leisten als die jetzige Schleierfahndung. Berlin muss neben den geltend gemachten Sicherheitsbedenken auch den Protesten zahlreicher Grenzbewohner gerecht werden, die ihren Alltag etwa als Pendler durch die Einschränkung des freien Grenzverkehrs beeinträchtigt sehen. Das Ergebnis könnte also die Rückkehr zu einer Art "Schengen Minus" sein, das heißt prinzipiell offene Grenzen mit gelegentlichen Kontrollen.

Keine Bewegung nirgends

Wenn die Innenminister beklagen, dass es mit der Verbesserung des Außengrenzschutzes nicht voran gehe, so sind sie selbst daran schuld. Die im Sommer von den Regierungschefs mit großen Worten angekündigte Aufstockung der Grenzschutzbehörde Frontex auf 10.000 Mann wird nicht zustande kommen. Es fehlt der Wille, die zusätzliche Milliarde Euro dafür locker zu machen. Und darüber hinaus erklären einige Mitgliedsländer, allen voran Ungarn und Italien, für den Grenzschutz seien die Nationalstaaten zuständig und sie würden keine Abstriche von ihrer Souveränität hinnehmen. Wie angesichts dessen die Außengrenzen der EU stärker abgedichtet werden könnten, steht in den Sternen.

Die europäische Grenzschutzbehörde Frontex soll nun doch nicht auf 10.000 Mann aufgestockt werdenBild: DW/B. Riegert

Budapest und Rom blockieren übrigens auch jede sonstige Bewegung bei der Migrationspolitik. Die Frage nach der Umverteilung von Flüchtlingen wurde längst völlig aus den Verhandlungen ausgeklammert und durch den nebelhaften Begriff der "verpflichtenden Solidarität" ersetzt. Dahinter verbergen sich verschiedene Leistungen der Mitgliedsländer im Zusammenhang mit Flüchtlingen, wozu auch gehören könnte, dass einzelne Staaten sich von der Aufnahmeverpflichtung mit Geld freikaufen können.

Auf Eis liegt ebenfalls die dringend notwendige Reform der Dublin-Regeln, die die Hauptursache der bestehenden Ungerechtigkeiten bei der Aufnahme von Migranten in Europa sind. Doch vor der Europawahl im Mai nächsten Jahres wird sich hier nichts tun.

Was wird aus den "Ausschiffungsplattformen"?

Eine weitere Idee im Zusammenhang mit der Migration war, Menschen auf dem Mittelmeer abzufangen und in Lagern in Nordafrika festzusetzen, von wo aus sie weiter verteilt oder in die Heimat zurückgebracht werden sollten. Die nordafrikanischen Regierungen winkten allerdings durchweg ab. Allein Ägypten gilt als möglicher Partner, wo an der Westgrenze zu Libyen ein solches Lager errichtet werden könnte. Dafür will die Regierung in Kairo allerdings Geld sehen und vor allem Unterstützung bei der Sicherung der eigenen Grenze mit Libyen.

Ist für sie bald Endstation an der ägyptisch-libyschen Grenze? Afrikanische Flüchtlinge am MittelmeerBild: picture-alliance/AP Photo/M. Moreno

Das Bundesinnenministerium hält diese Idee weiter für erfolgversprechend und hofft, die EU-Kommission werde als Verhandlungsführer auftreten. Am Ende könne ein solches Lager den Zustrom von Migranten über Nordafrika quasi zum Erliegen bringen, wenn einmal bekannt sei, dass der Weg nach Europa weitgehend verschlossen sei, so die Hoffnung in Berlin. Aber wenn eine solche Lösung je kommt, liegt sie in weiter Zukunft, zumal dafür die Mitarbeit des UNHCR und der Internationalen Organisation für Migration erforderlich ist.

Und was wurde aus Seehofers Rücknahme-Abkommen mit Italien?

Als großen Erfolg hatte Bundesinnenminister Horst Seehofer nach einem ersten Treffen mit seinem italienischen Kollegen Matteo Salvini im Sommer verkündet, man könne umgehend ein Abkommen über die Rücknahme aus Italien eintreffender Migranten abschließen. Das sei fertig verhandelt und Rom bereit, Berlin hierbei entgegenzukommen.

In Ablehnung geeint: Ungarns Premier Orban und Italiens Innenminister SalviniBild: Getty Images/AFP/M. Bertorello

Leider hat sich inzwischen der Wind politisch völlig gedreht. Das fertige Abkommen verschwand vom Schreibtisch Salvinis, der es sich anders überlegt haben soll. Inzwischen bezeichnet er nicht mehr die bayerische CSU, sondern die AfD unter den deutschen Parteien als seine besten Freunde. Der italienische Rechtspopulist ist im Wahlkampfmodus – nicht nur zuhause, sondern auch im Hinblick auf die nächstes Jahr anstehende Europawahl. Er wird die Migrationsdebatte solange politisch für sich nutzen, wie sie ihm Wählerstimmen verschafft. Horst Seehofer hat dabei das Nachsehen. 

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