Weiter Streit um Goebbels-Zitate
26. April 2015
Joseph Goebbels war Hitlers Propagandaminister. Und er schrieb Tagebuch. Seine Eintragungen sagen viel über das Innenleben des Nazi-Regimes. Also fügte der in London lehrende Historiker Peter Longerich in seine Goebbels-Biographie auch Goebbels-Zitate ein. 2010 war das. Der Verlag Random House, bei dem das Buch erschien, weigert sich seither, dafür Tantiemen zu entrichten. "Geld an die Erben von Kriegsverbrechern zahlen?", so Verlags-Justiziar Rainer Dresen gegenüber der Deutschen Welle, "im Leben nicht!"
Genau das aber hatte Goebbels Nachlassverwalterin Cordula Schacht verlangt. Weil Random House nicht zahlte, trotz eines vorherigen Vergleichs, zog sie vor Gericht. Das Landgericht München gab ihr Recht. Random House sollte Auskunft über die Einnahmen aus der Goebbels-Biografie geben. Der Verlag ging in Berufung.
Verbrecherworte vermarktbar?
In der Verhandlung an diesem Donnerstag (23.04.) hat Justiziar Dresen nun eine weitere Gerichtsschlacht ausgetragen. Offenbar sieht es gut aus für Random House: "Das Gericht bewegt sich", konstatiert Dresen. Zwar widerwillig, aber immerhin hätten die Richter des Oberlandesgerichts München die Berufung zugelassen. Nun werde das Gericht klären, ob "die Worte eines der größten Verbrecher der Geschichte kommerzialisierbar seien" oder nicht. Ein Urteil wird für den 9. Juli 2015 erwartet.
Schacht ist die Tochter von Hitlers Wirtschaftsminister Hjalmar Schacht. Sie sieht sich als rechtmäßige Vertreterin des literarischen Vermächtnisses von Goebbels, der am 1. Mai 1945 Suizid beging. Den Vorschlag von Random House, die Tantieme – zwischen 6.000 und 10.000 Euro - an eine Holocaust-Stiftung zu überweisen, lehnte Schacht nach Angaben von Dresen ab.
Rechte werden ohnehin frei
Nach Meinung des Justiziars sprechen moralische Gründe gegen eine Zahlung an Schacht, aber nicht nur: "Goebbels hat 1936 eine mündliche Vereinbarung mit dem Eher-Verlag über die posthume Veröffentlichung seiner Tagebücher getroffen", so Dresen. Alle Rechte des einstigen NSDAP-Verlags, in dem auch Hitlers "Mein Kampf" erschien, liegen inzwischen beim bayerischen Staat. Für Dresen steht deshalb fest: Nicht Cordula Schacht, sondern Bayerns Finanzminister Markus Söder verwaltet den Nachlass Goebbels. Schachts Ansprüche seien unbegründet. Bayern habe die Frage "seit Jahrzehnten verschleppt."
Noch in diesem Jahr laufen Goebbels Urheberrechte ohnehin aus und sein Werk wird frei verfügbar - 70 Jahre nach seinem Tod. Trotzdem hat Dresen den Rechtsstreit nicht gescheut. "Seit Jahrzehnten streicht die Goebbels-Familie Geld für die Verwendung der Goebbels-Zitate ein", wundert sich der Verlagsjurist, "alle zahlten. Und keiner hat gesagt: 'Jetzt fechte ich das aus'?"