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KonflikteNahost

Weitere Gruppe von Hamas-Geiseln ist frei

Veröffentlicht 26. November 2023Zuletzt aktualisiert 26. November 2023

Die terroristische Hamas hat nach israelischen Angaben 14 Israelis sowie mehrere thailändische Geiseln an das Rote Kreuz übergeben. Bundespräsident Steinmeier ist zu einem Solidaritätsbesuch in Israel. Unser Überblick.

Demonstration in Tel Aviv für die Freilassung der Geiseln
Auch nach der Übergabe der nun dritten Gruppe von Geiseln warten viele Israels noch auf ein Lebenszeichen ihrer von der Hamas verschleppten AngehörigenBild: Leo Correa/AP Photo/picture alliance

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Dritte Gruppe von Hamas-Geiseln frei
  • Premier Netanjahu zu Truppenbesuch im Gazastreifen
  • Bundespräsident Steinmeier zu Solidaritätsbesuch in Israel
  • Vier Führungsleute der Hamas getötet
  • UNICEF-Sprecher nennt Lage im Gazastreifen "höllisch"

 

Im Rahmen einer viertägigen Feuerpause im Israel-Hamas-Krieg hat die islamistische Hamas eine dritte Gruppe von Geiseln dem Roten Kreuz übergeben. 14 Israelis sowie drei Ausländer seien jetzt in der Obhut von Mitarbeitern des Internationalen Roten Kreuzes IKRK, teilte die israelische Armee mit. Der militärische Arm der terroristischen Hamas schrieb bei Telegram, es seien 13 Israelis, drei Thailänder und ein russischer Staatsbürger freigelassen worden. Das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu teilte mit, dass es sich bei den israelischen Geiseln um neun Minderjährige, vier Frauen und einen Mann handele. Unter den an das IKRK übergebenen Geiseln ist erstmals eine US-Staatsangehörige. Es handelt sich um ein vier Jahre altes Mädchen mit US- und israelischer Staatsangehörigkeit, wie US-Präsident Joe Biden bestätigte.

Ein Fahrzeug des Roten Kreuzes erreicht mit freigelassenen Geiseln den Grenzübergang RafahBild: Ibraheem Abu Mustafa/REUTERS

Im Gegenzug für die heute freigelassenen Geiseln der Hamas wurden 39 palästinensische Häftlinge aus israelischer Haft entlassen, wie die israelische Gefängnisbehörde mitteilte.

Israel und die Hamas hatten sich am Mittwoch nach langwierigen Verhandlungen unter Vermittlung von Katar, den USA und Ägypten auf eine viertägige Waffenruhe ab Freitag geeinigt. Die Vereinbarung sieht unter anderem vor, dass insgesamt 50 israelische Geiseln der Hamas sowie 150 palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen freigelassen werden sollen.

Netanjahu zu Truppenbesuch im Gazastreifen

Erstmals seit Beginn des Krieges zwischen Israel und der Hamas ist der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu im Gazastreifen. Zu den dort stationierten Soldaten sagte er bei seinem Besuch, Israel werde "bis zum Ende weitermachen - bis zum Sieg". "Nichts wird uns aufhalten, und wir sind überzeugt, dass wir die Macht, die Stärke, den Willen und die Entschlossenheit haben, alle Kriegsziele zu erreichen, und das werden wir auch", sagte Netanjahu in einem von seinem Büro veröffentlichten Video.

Israels Premierminister Netanjahu besucht Soldaten im GazastreifenBild: Avi Ohayon/GPO/Handout via REUTERS

Steinmeier zu Solidaritätsbesuch in Israel

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat einen zweitägigen Besuch in Israel begonnen. Er traf zusammen mit Bundestagspräsidentin Bärbel Bas in Tel Aviv ein. Dass die beiden höchsten Repräsentanten des deutschen Staates mitten im Israel-Hamas-Krieg in das von der terroristischen Hamas angegriffene Land reisen, soll ein besonderes Zeichen der Solidarität setzen. Sie folgen einer Einladung des israelischen Präsidenten Izchak Herzog.

Israels Präsident Izchak Herzog (l) und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Hinten rechts Bundestagspräsidentin Bärbel BasBild: Bernd von Jutrczenka/dpa/picture alliance

Die beiden Staatsoberhäupter und ihre Frauen sind eng miteinander befreundet. Steinmeier wird von seiner Frau Elke Büdenbender begleitet. Sie werden anschließend Oman und Katar besuchen. Noch für den Sonntag sind politische Gespräche Steinmeiers mit Herzog geplant.

Steinmeier bekräftigt Israels Recht auf Selbstverteidigung

Vor seiner Abreise nach Israel hat der Bundespräsident das Selbstverteidigungsrecht des Landes gegen die palästinensische Terrororganisation Hamas betont und zugleich zum Einhalten humanitärer Regeln aufgerufen. "Niemand kann Israel verwehren, den Terror entschieden zu bekämpfen", sagte Steinmeier in einer Videobotschaft. Dieser Kampf bringe aber auch großes Leid unter unbewaffneten Zivilisten. "Jede Vorkehrung, Zivilisten aus der Schusslinie zu bekommen, ist notwendig. Hinzu kommt die Versorgung mit dem Lebenswichtigsten. Das verlangt das humanitäre Völkerrecht, und das erwarten auch wir Deutschen."

Steinmeier fügte in dem Video hinzu, er fahre jetzt, "um Israel unsere fortgesetzte Solidarität zu versichern - Solidarität nicht nur mit Israel als Opfer des Terrors, sondern auch mit Israel, das sich wehrt". Deutschland leiste humanitäre Hilfe für die Zivilbevölkerung in Gaza. Er werde in Israel auch darüber sprechen, wie während der Feuerpausen Menschen aus den Gefahrenzonen heraus- und Hilfsgüter hineingelangen könnten. Deutschland stehe bereit, um bei der Evakuierung von Kranken und Kindern zu helfen.

Zweite Geiselgruppe seit Samstagabend frei

50 Tage nach dem Überfall der radikalislamischen Hamas auf Israel war am Samstag eine zweite Gruppe verschleppter Geiseln freigelassen worden. Wie die israelische Armee mitteilte, kehrten die Freigelassenen aus dem Gazastreifen auf israelisches Gebiet zurück. Nach Angaben ägyptischer und israelischer Behörden handelt es sich um 13 Israelis und vier Thailänder.

Ein Auto des Roten Kreuzes bringt freigelassene Geiseln über Rafah nach ÄgyptenBild: Ibraheem Abu Mustafa/REUTERS

Der bewaffnete Arm der Hamas, die Essedin-al-Kassam-Brigaden, hatten zuvor erklärt, man habe 13 Israelis und sieben Ausländer an das Rote Kreuz übergeben. Der Grund für die Diskrepanz bei der gemeldeten Zahl der freigelassenen Ausländer ist unklar. Das Vermittlerland Katar erklärte, bei den freigelassenen Israelis handele es sich um acht Kinder und fünf Frauen. Die Hamas wird von der Europäischen Union, den USA, Deutschland und weiteren Ländern als Terrororganisation eingestuft. 

Im Gegenzug kamen noch in der Nacht 39 Palästinenser aus israelischen Gefängnissen frei. Alle von Israel Freigelassenen sind Frauen und Minderjährige. Auf Fernsehbildern war zu sehen, wie sie im annektierten Ost-Jerusalem willkommen geheißen wurden. Die bekannteste freigelassene Palästinenserin ist die 38-jährige Israa Dschaabis, die 2015 zu elf Jahren Gefängnis verurteilt wurde, weil sie an einem Kontrollpunkt eine Gasflasche in ihrem Auto zur Explosion gebracht und dabei sich und einen Polizisten verletzt hatte.

Baerbock: Erneut vier Bundesbürger freigekommen

Unter den am Samstag von der Terrororganisation Hamas freigelassenen Geiseln sind erneut vier deutsche Doppelstaatler. Das teilte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock in der Nacht mit. "Ich denke an sie und an die, die noch in den Händen der Hamas sind. Wir arbeiten mit aller Kraft daran, dass auch sie bald in Freiheit sind."

Nach Angaben ihrer Familien handelt es sich bei den vier Deutschen um eine 67-jährige Frau sowie ihre 38-jährige Tochter und deren Kinder im Alter von drei und acht Jahren. Schon am Freitag waren 24 vor sieben Wochen von Hamas-Terroristen aus Israel in den Gazastreifen Verschleppte aus der Geiselhaft freigekommen: 13 Israelis sowie 11 Ausländer. Auch unter ihnen waren auch vier Deutsch-Israelis.

Stundenlange Verzögerung

Nur wenige Stunden vor der Freilassung der Geiseln am Samstag hatte die Hamas die Übergabe überraschend gestoppt. Als Grund nannte die Terrororganisation, dass Israel aus ihrer Sicht gegen einen Teil der Vereinbarung verstoßen habe. Sie warf Israel vor, nicht ausreichend Hilfslieferungen in den nördlichen Teil des Gazastreifens ermöglicht zu haben. Israel wies das zurück und drohte mit einer Aufkündigung des Abkommens. Nach einem Einschreiten Katars lenkte die Hamas am späten Abend ein.

Am Freitagabend waren auch 39 Palästinenser aus israelischer Haft freigekommen, hier bei der Ankunft in Beitunia im WestjordanlandBild: Issam Rimawi/Anadolu/picture alliance

Vier Führungsleute der Hamas getötet

Der bewaffnete Arm der Terrororganisation Hamas hat den Tod von vier ihrer führenden Mitgliedern während des israelischen Militäreinsatzes im Gazastreifen bestätigt. Die Essedin-al-Kassam-Brigaden meldeten den Tod des für den Norden des Gazastreifens zuständigen Kommandeurs Ahmed Al-Gandur sowie von drei weiteren hochrangigen Kämpfern. Die Islamisten machten jedoch keine Angaben zum Zeitpunkt ihrer Tötung. Israelischen Medien zufolge war unter den Getöteten auch Ayman Sijjam, Chef der Raketeneinheit der Kassam-Brigaden.

Al-Gandur, dessen Kampfname Abu Anas lautete, wurde seit 2017 von den USA auf einer Terrorliste geführt und mit wirtschaftlichen Sanktionen belegt. Nach Einschätzung des Außenministeriums in Washington war er an "zahlreichen Terroraktivitäten" beteiligt.

Hilfslieferungen erreichen den Norden des Gazastreifens

61 Lastwagen mit Hilfsgütern sind im Norden des Gazastreifens eingetroffen. Es ist die größte Lieferung dieser Art seit Beginn des Krieges zwischen der Hamas und Israel. Nach eigenen Angaben hat der Palästinensische Rote Halbmond die Lkw erfolgreich dorthin gefahren. An vier Verteilungspunkten im Norden sollen die Menschen mit Wasser, Medikamenten und medizinischer Ausrüstung versorgt werden, teilte die Hilfsorganisation mit.

Hilfslieferungen erreichen den Gazastreifen (Archivbild)Bild: Said Khatib/AFP

Das Büro der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) teilte mit, dass bis Samstagabend insgesamt 187 Lastwagen mit Hilfsgütern den Gazastreifen erreicht hätten. Ursprünglich war die Einfahrt von 200 Lastwagen in den Gazastreifen für Samstag geplant, doch verzögerte sich die Einfahrt aufgrund der strengen Kontrolle der Waren.

Hamas-Massaker war Auslöser des Krieges 

Auslöser des Hamas-Gaza-Kriegs war das schlimmste Massaker in der Geschichte Israels, das Terroristen aus dem Gazastreifen am 7. Oktober in Israel nahe der Grenze begangen hatten. Dabei wurden mehr als 1200 Menschen getötet. Etwa 240 Geiseln wurden nach Gaza verschleppt, auch mehrere Deutsche.

Israel reagierte mit massiven Luftangriffen, einer Blockade des Gazastreifens und begann Ende Oktober eine Bodenoffensive. Dabei sollen nach Darstellung der islamistischen Hamas fast 15.000 Menschen getötet worden sein. Mehr als 36.000 wurden demnach verletzt. Die Zahlen lassen sich derzeit nicht unabhängig überprüfen.

UNICEF-Sprecher nennt Lage im Gazastreifen "höllisch"

Das Kinderhilfswerk UNICEF ist entsetzt über die Lage der Kinder im Gazastreifen. "Es ist ein Friedhof. Das habe ich nach all den Berichten und allem, was wir vor ein paar Wochen von Kollegen vor Ort gehört haben, gesagt", sagte James Elder, der Sprecher der UN-Organisation in Gaza-Stadt. "Jetzt, wo ich hier bin, kann ich es gar nicht glauben, es ist schlimmer, als ich es mir vorgestellt habe." Der Deutschen Welle sagte Elder: "Ich war heute in einem Krankenhaus. Die Kriegsverletzungen, die ich bei den Kindern sehe, habe ich noch nie gesehen, zumindest nicht bei so vielen Kindern."

Er habe palästinensische Jungen und Mädchen aus dem Norden gesehen, die seit Tagen keine medizinische Versorgung erhalten hätten. Kinder hätten schreckliche Brandwunden und  Kriegsverletzungen: "Sie riechen einfach nach verfaulendem Fleisch", sagte Elder. Er fügte hinzu, die Menschen nutzten die aktuelle Feuerpause, um nach Familienangehörigen zu suchen, und bezeichnete die Situation als "höllisch". Die aktuelle Kampfpause müssen zu einem Waffenstillstand werden.

Mehrere Palästinenser im Westjordanland getötet

Israelische Soldaten haben im besetzten Westjordanland nach palästinensischen Angaben mindestens sechs Palästinenser getötet. Wie das palästinensische Gesundheitsministerium mitteilte, wurden bei einem Einsatz der israelischen Armee in Dschenin vier Palästinenser erschossen. Nach Angaben von Augenzeugen waren die israelischen Soldaten mit gepanzerten Fahrzeugen in Dschenin eingerückt und hatten in der Stadt zwei Krankenhäuser umstellt. Soldaten durchsuchten demnach auch Rettungswagen. Es kam zu schweren bewaffneten Auseinandersetzungen.

Nach Darstellung des Gesundheitsministeriums wurde außerdem ein 25-jähriger Arzt vor seinem Haus in Kabatija in der Nähe von Dschenin im Norden des Westjordanlands getötet. Dschenin gilt als Hochburg bewaffneter palästinensischer Gruppen. Ein weiterer Palästinenser kam demnach in al-Bireh in der Nähe von Ramallah zu Tode.

Seit Beginn des Kriegs zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas im Gazastreifen vor gut 50 Tagen ist auch die Gewalt im israelisch besetzten Westjordanland eskaliert. Dort sollen nach palästinensischen Angaben seither rund 230 Palästinenser durch die israelische Armee oder radikale israelische Siedler getötet worden sein.

kle/wa/AR/nob/qu/haz/MM (afp, dpa, rtr, DW)