Weitere Proteste am Hambacher Forst
16. September 2018Der Wald, in dem Einsatzkräfte weiter Baumhäuser der Umweltaktivisten räumten, wurde von der Polizei abgesperrt. Die Demonstranten konnten nur über Äcker und Wege am Rande des Waldes laufen. Einige von ihnen trugen junge Bäume mit sich, die sie in bereits gerodetem Gebiet anpflanzen wollen. Während die Polizei von mehr als 4000 Teilnehmern sprach, bezifferten die verschiedenen Aktivistengruppen die Zahl der Demonstranten mit 5000 bis 9000.
Die Polizei ist mit mehreren Hundertschaften aus ganz Deutschland vor Ort. Mittlerweile haben sie 18 von rund 50 Baumhäusern geräumt und abgerissen. In den verbliebenen Häusern sollen sich noch immer etwa 180 Besetzer aufhalten.
Bei den bisherigen Räumungsaktionen im Hambacher Forst nahm die Polizei bislang 34 Braunkohlegegner fest. Dabei seien am Samstag neun von ihnen leicht verletzt worden, teilte die Polizei Aachen mit. Darüber hinaus seien 62 Platzverweise erteilt worden. 24 Aktivisten befanden sich am Sonntagmorgen noch in Gewahrsam, teilte die Polizei mit.
Zwei Aktivisten hatten sich in einem senkrechten Schacht verschanzt, in dem in vier und zehn Meter Tiefe Sitzmöglichkeiten eingebaut waren. Einsatzkräfte der Grubenwehr konnten zu den zwei Personen vordringen. Aufgrund der erhöhten Konzentration von Kohlenstoffdioxid leiteten die Einsatzkräfte frische Luft in den Schacht ein, der zudem einzustürzen drohte. Die Rettungskräfte sicherten den Schacht ab. Letztendlich konnten die Aktivisten überzeugt werden, freiwillig herauszukommen.
Während der Nacht zu Sonntag war die Polizei nur mit wenigen Beamten vor Ort. Zu einer Mahnwache an der Zufahrtsstraße L257 kamen zwischenzeitlich 300 Braunkohlegegner, in den frühen Morgenstunden waren es noch etwa 15. Am Sonntag soll die Räumung der Baumhäuser fortgesetzt werden, schrieb die Aachener Polizei auf Twitter. Der Energiekonzern RWE will im Herbst weite Teile des Hambacher Forsts abholzen, um weiter Braunkohle baggern zu können.
RWE schafft Fakten
Der Wald gilt als Symbol des Widerstands gegen die Kohle und die damit verbundene Klimabelastung. Umweltaktivisten werfen der nordrhein-westfälischen Landesregierung vor, sie mache sich zum Erfüllungsgehilfen des Energiekonzerns RWE. Die Räumung des Forstes belastet auch die Arbeit der sogenannten Kohlekommission in Berlin. Die Kommission, die den Ausstieg aus der Kohleverstromung beschließen soll, komme mit konkreten Ausstiegsvorschlägen gerade in Fahrt, teilte die Umweltorganisation Germanwatch mit. Nordrhein-Westfalen und RWE dürften die Arbeit des Gremiums "nicht weiter gefährden, indem sie versuchen, im Hambacher Wald Fakten zu schaffen."
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace forderte, die Räumung sofort zu stoppen. Geschäftsführer Kaiser sagte, die Landesregierung Nordrhein-Westfalens solle die Beratungen der Kohlekommission in Berlin abwarten. Möglicherweise müsse der Hambacher Forst dann gar nicht mehr gerodet werden.
Nach einem Bericht des Magazins "Der Spiegel" könnten die letzten Kohlekraftwerke laut einem Kompromissvorschlag zwischen 2035 und 2038 geschlossen werden. RWE lehnte das umgehend als "nicht akzeptabel" ab. Umweltorganisationen fordern einen Aufschub der Rodung im Hambacher Forst bis zu einer Entscheidung der Kommission.
HF/pgr/haz (dpa, rtr, afp)