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Politik

Weiteres Leck in Nord-Stream-Pipelines

29. September 2022

An den Nord-Stream-Gaspipelines zwischen Russland und Deutschland in der Ostsee tritt an einer weiteren Stelle Gas aus. Unterdessen drohen NATO und EU dem Verursacher der mutmaßlichen Sabotageakte mit Konsequenzen.

Dänemark Ostsee bei Bornholm | Leck Nord Stream 2
Bereits bekanntes Leck bei Bornholm: Gasblasen an der MeeresoberflächeBild: Danish Defence Command/AP/picture alliance

Schwedens Küstenwache hat nach eigenen Angaben ein weiteres Gasleck an den beschädigten Nord-Stream-Pipelines in der Ostsee entdeckt. Insgesamt gibt es damit nach derzeitigen Stand vier Lecks - jeweils eins an den beiden Leitungen von Nord Stream 1 und zwei an einer der Leitungen von Nord Stream 2. Leitung B ist nach Angaben eines Sprechers der Nord Stream 2 AG weiterhin stabil. Die Leitungen von Nord Stream 1 und 2 sind derzeit zwar nicht in Betrieb, aber mit Gas gefüllt.

Drei Lecks liegen nahe beieinander

Alle Lecks befinden sich in der Nähe der dänischen Ostsee-Insel Bornholm, jeweils zwei in den Ausschließlichen Wirtschaftszonen Schwedens und Dänemarks. Drei der vier Lecks liegen in wenigen Kilometern Abstand zueinander, wie die schwedische Küstenwache mitteilte. Die beiden Austrittspunkte in der Ausschließlichen Wirtschaftszone Schwedens liegen demnach nur eine Seemeile voneinander entfernt, was knapp 1,8 Kilometern entspricht. Der kleinere davon und einer der beiden in der dänischen Zone hätten einen Abstand von 2,6 Seemeilen (rund 4,6 Kilometern) zueinander.

Die Küstenwache stellte Aufnahmen online, die die unruhige Wasseroberfläche oberhalb der Lecks auf schwedischer Seite zeigen. Der größere Austrittspunkt befindet sich oberhalb von Nord Stream 1, der kleinere bei Nord Stream 2. Der Gasaustritt, der an der Oberfläche zu sehen ist, sei insgesamt konstant, berichtete die Behörde.

NATO und EU drohen mit Konsequenzen

Die dänischen Ministerpräsidentin Mette Frederiksen hatte als Ursache der Lecks am Dienstagabend "vorsätzliche Handlungen" genannt, keinen Unfall. Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki sprach davon, dass es sich "wahrscheinlich um die nächste Eskalationsstufe" im Ukraine-Konflikt handele. Auch USA, EU und NATO gehen von Sabotage aus. US-Außenamtssprecher Ned Price sagte, die US-Regierung wolle keine Mutmaßungen über mögliche Hintermänner einer Sabotage-Aktion anstellen, bis Untersuchungen an den Erdgasleitungen abgeschlossen seien. 

Der NATO-Rat erklärte am Donnerstag: "Alle derzeit verfügbaren Informationen deuten darauf hin, dass dies das Ergebnis vorsätzlicher, rücksichtsloser und unverantwortlicher Sabotageakte ist." Die laufenden Untersuchungen zur Klärung der Schadensursache würden unterstütz. "Jeder vorsätzliche Angriff auf die kritische Infrastruktur der Bündnispartner würde mit einer gemeinsamen und entschlossenen Reaktion beantwortet", betonten die 30 Mitgliedstaaten. Ein möglicher Russland wird in der Erklärung nicht erwähnt. 

Auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell kündigte im Namen der 27 Mitgliedstaaten eine "robuste und geeinte Antwort"an. Jede absichtliche Störung der europäischen Energieinfrastruktur sei vollkommen inakzeptabel, sagte er. Die entstandenen Lecks seien wohl das "Ergebnis einer vorsätzlichen Handlung". Man werde jede Untersuchung unterstützen, die Klarheit schaffe. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betonte, man werde alles dafür tun, die europäische Energieinfrastruktur zu sichern.

Sicherheitsexperten vermuten Russland als Verursacher

EU-Innenkommissarin Ylva Johansson bezeichnete die mutmaßliche Sabotage als Warnruf und kündigte einen Belastungstest für die kritische Infrastruktur in Europa an. "Wir (die EU-Kommission) werden uns jetzt an alle Mitgliedstaaten wenden und wir werden einen Belastungstest durchführen in Bezug auf die kritische Infrastruktur", sagte die Schwedin am Mittwochabend im ZDF-"heute journal".

Weder EU noch NATO nannten einen mögliche Verursacher für die mutmaßlichen Sabotageakte. Sicherheitsexperten vermuten jedoch Russland dahinter. "Das wirkt vordergründig natürlich etwas widersinnig, die eigenen Pipelines zu zerstören", sagte Johannes Peters vom Institut für Sicherheitspolitik der Universität Kiel. Es gebe aber durchaus gute Gründe dafür. Ein Grund sei sicherlich, ein "starkes Signal" an Europa zu senden, vor allem an Deutschland und Polen, dass man dasselbe auch mit Pipelines machen könnte, die für die Versorgungssicherheit deutlich wichtiger seien, etwa die Pipelines aus Norwegen. Die ebenfalls verbreitete These, dass die USA die Lecks verursacht haben könnten, "um zu verhindern, dass Europa in einem kalten Winter doch zu den Russen zurückfindet", hält Peters indes für nahezu ausgeschlossen.

Kreml weist Spekulationen zurück

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow wies die Spekulationen über eine russische Beteiligung an den Lecks als "dumm und absurd" zurück. Die Lecks seien für Moskau "ziemlich problematisch", sagte er. Auf Antrag Russlands wird sich am Freitag der UN-Sicherheitsrat mit Nord Stream befassen, wie das schwedische Außenministerium mitteilte. US-Außenamtssprecher Ned Price sagte, die US-Regierung wolle keine Mutmaßungen über mögliche Hintermänner einer Sabotage-Aktion anstellen, bis Untersuchungen an den Erdgasleitungen abgeschlossen seien.

Nach Bekanntwerden der Lecks kündigte die Betreiberfirma Nord Stream eine Untersuchung an, um die Schäden festzustellen und die Ursachen des Vorfalls zu klären. Aus Dänemark hieß es, dass bereits mehr als die Hälfte des Gases in den Pipelines ausgetreten sei. "Wir erwarten, dass der Rest bis Sonntag entweicht", sagte der Leiter der dänischen Energieagentur, Kristoffer Bottzauw bei einer Pressekonferenz.

ww/AR (afp, rtr, dpa)

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