Technische Altlasten, vergessene Mängel und immer wieder Pfusch: Der Hauptstadtflughafen sorgt regelmäßig für Überraschungen. Dieses Jahr aber nicht, hofft der Flughafenchef. Er hat seine Gründe.
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Im nächsten Jahr sollen endlich Passagiere am Skandalflughafen BER einchecken. Mit dann neun Jahren Verspätung eröffnet der milliardenschwere Airport am Berliner Stadtrand im Oktober - so der aktuelle Zeitplan. Doch er wird eine Baustelle bleiben. "Der BER ist ein wachsender Flughafen", teilte Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup der Deutschen Presse-Agentur (dpa) mit. "Bis 2040 schaffen wir schrittweise Kapazitäten für 55 Millionen Passagiere jährlich." Die entscheidenden Schritte zur Eröffnung 2020 aber müssen in diesem Jahr erfolgen.
Noch immer wird im Hauptterminal gearbeitet, etwa an den Brandmeldeanlagen und Kabeln für Notstrom und Sicherheitsbeleuchtung. Unangenehme Überraschungen seien nicht mehr zu erwarten, hatte Lütke Daldrup zuletzt versichert. Aber sicher sein kann er erst, wenn im Sommer alle Anlagen im Verbund getestet werden. Im Herbst soll der Bauaufsicht dann die Fertigstellung angezeigt werden. Gibt das Amt die Nutzung frei, kann im nächsten Jahr der sechsmonatige Probetrieb beginnen. Tausende Freiwillige werden das Gebäude dann testen - wie schon einmal 2011 und 2012. Wegen Baumängeln, Planungsfehlern und Technikproblemen wurde die Eröffnung aber immer wieder verschoben. Seit Baubeginn 2006 wuchs der Kostenrahmen von zwei Milliarden Euro auf 6,5 Milliarden Euro.
Tegel platzt aus allen Nähten
Der Berliner Flughafen Tegel arbeitet unterdessen an der Belastungsgrenze. Er ist zu klein und veraltet, weshalb sich Passagiere und Gepäck regelmäßig stauen. Mit 22 Millionen Fluggästen wurde im vergangenen Jahr das bisherige Rekordjahr 2016 um gut 700.000 übertroffen, wie die Betreiber der dpa mitteilten. Der Wachstumstrend der Hauptstadtflughäfen sei ungebrochen, sagte Lütke Daldrup. Er widersprach Vermutungen, der BER reiche nicht aus. "Am BER starten wir mit einer Kapazität für 22 bis 27 Millionen Passagiere im Hauptterminal und weitere sechs Millionen im Terminal 2." Damit würden in den Flughafen mehr Passagiere passen als jahrelang angenommen. Unter dem damaligen Flughafenchef Hartmut Mehdorn hatten die Betreiber 2014 die Startkapazität des Hauptterminals von jährlich 27 Millionen Fluggästen auf 22 Millionen korrigiert. Damals war von einem Sicherheitspuffer die Rede. Deshalb wurde der Bau des T2 für bis zu 200 Millionen Euro beschlossen, der seit Oktober läuft.
Heute sagt Lütke Daldrup: "Wir brauchen es nicht zwingend, aber es wäre schön, es zu haben." Dass im Hauptterminal nun doch 27 Millionen Fluggäste möglich sein sollen, begründete Lütke Daldrup mit verbesserten Abläufen. Weitere Gepäckbänder sollen die Kapazität später sogar auf 30 Millionen Fluggäste steigern. Daneben bleibt der frühere DDR-Zentralflughafen in Schönefeld mit zuletzt 12,7 Millionen Passagieren noch bis Ende 2025 in Betrieb - dann soll ein weiteres neues Terminal fertig sein. Nach Lütke Daldrups Angaben wächst unterdessen das Investoreninteresse an Flächen am BER. Für den Standort soll in diesem Jahr auch auf Immobilienmessen geworben werden. Der Flughafenchef versichert: "Wir werden schon vor der Inbetriebnahme noch viele Baukräne sehen."
Kann Deutschland keine Großbauprojekte?
Großprojekte in Deutschland zu realisieren, ist nicht immer ganz einfach. Häufig bremsen Naturschützer Vorhaben aus. In Zeiten von Klimawandel und bedrohter Artenvielfalt soll Wachstum nicht auf Kosten der Natur gehen.
Bild: Feldhamster-AG
Biologische Geheimwaffe gegen Stuttgart 21
Der Juchtenkäfer ist klein und lässt sich kaum blicken. Wohnlich niedergelassen hatte er sich in sechs Bäumen in der Nähe des Bahnhofs in Stuttgart. So ganz sicher war das aber nicht, denn gefunden wurde nur sein Kot. Diese Bäume sollten aber im Zuge des Projekts Stuttgart 21 - dem kompletten Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofs - gefällt werden. Ein Problem, denn der Käfer steht unter Schutz.
Bild: picture-alliance/blickwinkel/F. Hecker
Die Umsiedlung des Juchtenkäfers
Fällung ja, aber nur unter Auflagen, entschied die EU. Dadurch verzögerte sich das Milliardenprojekt Stuttgart 21 um Jahre und wurde noch teurer. Die Lösung der Deutschen Bahn: Sie lässt im Naturpark Schönbuch Bäume präparieren, um dort den seltenen Juchtenkäfern ein neues Zuhause zu bieten.
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Nach dem Käfer kam die Eidechse
Derzeit bremsen rund viertausend Mauereidechsen den Bau des Stuttgarter Bahnhofs. Ihr Zuhause ist eine brach liegende Fläche, auf der einst ein alter Güterbahnhof lag. Just hier will die Bahn aber Abstellgleise verlegen, um dort Züge zu drehen, zu parken und zu reinigen.
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Noch keine Lösung gefunden
"Ohne den Abstellbahnhof lässt sich Stuttgart 21 nicht wirtschaftlich betreiben", heißt es bei der Bahn. "Und es gibt keine sinnvolle Alternative dazu." Daher möchte sie die seltenen Mauereidechsen umsiedeln - allein es mangelt an Flächen. Schlecht für die Bahn, denn Naturschützer formieren sich und drohen mit neuen Klagen und langen Verfahren.
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Mehr als 17 Jahre Streit um Vertiefung der Elbe
Deutschlands größter Seehafen in Hamburg droht in die Bedeutungslosigkeit abzurutschen, wenn die Elbe nicht vertieft wird. Die wird allerdings nicht nur von großen Containerschiffen genutzt, sondern auch vom afro-sibirischen Knutt, der Löffelente (Bild) und einer asiatische Libellenart. Alle schützenswert. Und: Hier wächst der seltene Schierlings-Wasserfenchel.
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Diese Pflanze gibt es nur im Hamburger Umland
Zwar haben die Bagger schon Mitte 2019 mit der Vertiefung der Elbe begonnen. Aber im Mai gibt es einen neuen Gerichtstermin, denn den Naturschützern reichen die bisherigen Maßnahmen zum Schutz des Schierling-Wasserfenchels (Bild) nicht aus. Dabei wurden bereits rund 11,6 Millionen Euro investiert, um der selten Pflanze eine neue Heimat zu schaffen.
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Hirschkäfer am Frankfurter Flughafen
Eigentlich ist der Hirschkäfer gar nicht so selten. Trotzdem musste auf ihn Rücksicht genommen werden beim Bau einer Wartungshalle für A380-Flugzeuge am Frankfurter Flughafen. Der Käfer lebte in einem Waldstück, das dafür gerodet werden sollte. Bevor die Bäume fielen, wurden 300 von Hirschkäfern besiedelte Eichenwurzelstöcke umgesetzt.
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Adler und Kranich gegen Berliner Flughafen
Fischadler und auch Kraniche kamen dem Bau des Berliner Flughafens - ein weiteres riesiges Infrastrukturprojekt - in die Quere. Bei der Festlegung der Flugrouten seien die Belastungen der Tierwelt nicht genügend berücksichtigt worden, so der Vorwurf. Die EU-Kommission reichte deshalb Klage gegen Deutschland ein.
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Süß, aber sehr selten
Der Feldhamster hat eine lange Geschichte als Bremser von Bauvorhaben. 2004 wurden bei Grevenbroich seine Höhlen gefunden - da, wo RWE ein Braunkohlekraftwerk bauen wollte. Der Baubeginn verzögerte sich deutlich. Für vier Jahre Verspätung sorgte der Hamster beim Bau eines Bio-Forschungszentrum in Göttingen. In Mainz blockierte er einen Gewerbepark und in Mannheim die Erweiterung des Messegeländes.
Bild: Feldhamster-AG
Umleitung für Fledermäuse
Beinahe wäre 2008 die Waldschlösschenbrücke in Dresden wegen der kleinen Hufeisennase nicht gebaut worden, denn die Brücke durchquert den Flugkorridor der seltenen Fledermäuse. Als Kompromiss wurde ein Fledermaus-Leitsystem installiert. Sträucher und Bäume weisen den Tieren den Weg unter der Brücke hindurch.
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Kosten von 10.000 Euro pro Molch
Es war ein Projekt der Deutschen Einheit: 1991 entstand die Idee, eine Autobahn zwischen Kassel und Eisenach zu bauen. Die Folge: Bis zur höchsten Instanz mussten sich Juristen mit Gelbbauchunken und Kammmolchen (Bild) befassen. Unter anderem wurde ein vier Kilometer langer Tunnel gebaut, damit der Lebensraum von 5000 Molchen erhalten blieb.
Bild: picture-alliance/blickwinkel/A. Hartl
Weniger ist mehr
Manchmal geht es den Naturschützern auch gar nicht um konkrete Tiere oder Pflanzen. In München wollen sie derzeit einen weiteren Ausbau des Flughafens verhindern - per Landtagspetition. In Zeiten des Klimaschutzes plane der Flughafen einen "gigantischen Ausbau" mit "Flächenverbrauch ohne Ende", so die Kritik. Anfang 2020 soll die Petition eingereicht werden, 12.000 Unterschriften gibt es bereits.