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Die Geheimnisse der Maske Tutanchamuns

Kristen McTighe / ad9. Dezember 2015

Das wohl berühmteste Artefakt der Welt wird zur Zeit restauriert. Die Arbeit ist mehr als nur das vorsichtige Reparieren einer 3300 Jahre alten Totenmaske: Restaurator Christian Eckmann fördert Geheimnisse zutage.

Maske Tutanchamun
Bild: Getty Images/H. Magerstaedt

Im August 2014 passierte Reinigungskräften im Agyptischen Museum zu Kairo ein Malheur: Sie schlugen versehentlich den Bart der Totenmaske des Tutanchamun ab. In Windeseile klebten sie den abgetrennten Bart mit einem unlöslichen Epoxidharz (auch bekannt als Sekundenkleber) wieder an. Das war keine gute Idee, wie sich später herausstellte: "Sie haben den Bart nicht wieder in seiner ursprünglichen Position befestigt, der Bart neigte sich leicht auf die linke Seite," erklärt Christian Eckmann im DW-Interview. "Sie haben auch etwas Leim auf das Kinn und den Bart aufgetragen, so dass der sichtbar wurde. Das Ganze ist nicht richtig durchgeführt worden. Das hat dann im Januar 2015 die Presse herausgefunden - ein Skandal," stöhnt Eckmann.

Der Deutsche ist ein anerkannter Restaurator vom Römisch-Germanischen Zentralmuseum, ein archäologisches Forschungsinstitut in Mainz. Er wurde vom Kairoer Museum mit der Wiederherstellung der Totenmaske beauftragt.

Die verpfuschte Reparatur kann neue Erkenntnisse bringen

Man befürchtete, dass das wertvolle Artefakt mit dem dilettantisch aufgetragenen Kleber irreparabel beschädigt worden sei. Eckmann beruhigte die Gemüter, er meinte, der Schaden könne wieder behoben werden. Mehr noch: Es hat sich herausgestellt, dass sich nun eine beispiellose Gelegenheit bietet, eine umfassende Studie über die Maske durchzuführen. Durch sie könnten einige der ältesten Geheimnisse des alten Ägyptens enträtselt werden.

Als Howard Carter 1922 die Maske entdeckte, war der Bart bereits recht angeschlagen.Bild: Imago

König Tutanchamun war ein ägyptischer Pharao der um 1300 v. Chr. regierte. Schon mit 19 Jahren verstarb er. Weltberühmt wurde er, als 1922 sein fast vollständig erhaltenes Grab in Luxor von dem britischen Archäologen Howard Carter entdeckt wurde. Im Gegensatz zu anderen Königsgräbern, die im Laufe der Jahre geplündert worden sind, konnten rund 3.000 Artefakte aus dem Grab des jungen Königs entnommen werden, darunter die 11 Kilogramm wiegende Maske.

Der Bart war schon öfter ab

Nach monatelanger Vorbereitung begann das deutsch-ägyptische Spezialistenteam imOktober 2015 direkt an der Maske zu arbeiten. Die erste Herausforderung bestand aus dem Entfernen des Bartes. Dabei wurden kleine Holzstäbchen benutzt, um das Gold nicht zu verkratzen. Dann wurden die einzelnen Schichten Leim sorgfältig abgeschabt. Während dieses Teils der Arbeit entdeckten die Forscher neben dem zuletzt aufgetragenen Epoxidharz noch ältere Klebstoffreste.

"Der Bart wurde nicht erst während der Arbeiten beschädigt, sondern er war bereits beschädigt, als Howard Carter die Maske fand", erzählt Eckmann während einer Pause vor seiner Werkstatt im Ägyptischen Museum. "Nach der Ausgrabung, als die Maske ins Museum gebracht wurde, hatten sie den Bart nicht wieder an der Maske befestigt – bis 1946." Noch sei dem Team nicht klar, ob nur einmal versucht wurde, den Bart zu befestigen, oder ob es von 1946 bis jetzt weitere Versuche gegeben hat.

Zunächst muss vorsichtig die Kruste aus getrocknetem Leim abgeschabt werden.Bild: Getty Images/AFP/K. Desouki

Regel Nummer eins: Veränderungen müssen reversibel sein

Jetzt, da die Klebstoffreste vollständig von der Maske entfernt sind, sucht das Team nach einer sicheren Methode, um den Bart wieder zu befestigen.

"Das Grundprinzip bei allen Restaurierungen ist die Umkehrbarkeit eines Eingriffs", erklärt Eckmann. "Immer, wenn man einen Eingriff vornimmt, muss dieser später rückgängig gemacht werden können, falls das einmal nötig werden sollte. Und dieser Eingriff muss sich klar vom ursprünglichen Zustand abheben, sodass er erkennbar ist."

Regel Nummer zwei: Teamarbeit

Die Beschädigung der Maske hat zwar viele schockiert. Aber Eckmann betont, dass solcherlei Unfälle quasi in allen Museen der Welt passieren können – vor allem mit alten Relikten, die schon zuvor restauriert worden sind, so wie die Maske des Königs Tutanchamun. Das eigentliche Problem hierbei, sagte er, sei vielmehr die übereilte Wiederbefestigung des Barts gewesen. Khaled Anani, Direktor des Ägyptischen Museums, stimmt dem zu: "Ich denke, das Problem war, dass diese Restaurierung von einer Einzelperson durchgeführt wurde, während so etwas von einem Team unter der Leitung eines Abteilungsleiters durchgeführt werden sollte."

Nach dem Vorfall beschloss ein Komitee von Museumsmitarbeitern und Archäologen aus aller Welt im vergangenen März, jeden einzelnen Schritt des Wiederherstellungsprozesses genau zu planen und Entscheidungen im Konsens zu treffen.

Eine einmalige Gelegenheit, Tutanchamun zu erforschen

Eckmann und sein Team führen jetzt die umfangreichste Studie über die Maske durch, seitdem sie 1922 entdeckt wurde und untersuchen sie auf Herstellungstechniken und Materialien.

König Tutenchamuns Grabkammer: Was verbirgt sich hinter diesen Mauern?Bild: picture-alliance/robertharding

"Das stellt wirklich eine einmalige Gelegenheit für uns dar, unser Wissen nicht nur über die Maske des Tutanchamun zu erweitern, sondern auch über die 18. Ägyptische Dynastie, ihre Technologie und Handelsbeziehungen, ihre Goldschmiedekunst und die Glasarbeiten während dieser Zeit," sagt Salima Ikram, Archäologin und Professorin für Ägyptologie an der Amerikanischen Universität Kairo.

"Wir verstehen jetzt mehr von den verwendeten Materialien, ob sie importiert oder im Land selbst hergestellt wurden,und auch mehr von den damals zur Verfügung stehenden Technologien," fügte sie hinzu. "Und natürlich sollte erkennbar sein, ob die Maske im Lauf ihrer Geschichte verändert wurde."

Ein bisschen näher an Königin Nofretete

Im vergangenen August sorgte der britische Ägyptologe Nicholas Reeves für Wirbel: Er fand Hinweise auf versteckte Türen im Grab Tutenchamuns, die zu einer anderen königlichen Grabstätte führen könnten – wahrscheinlich zum Grab von Nofretete, der streitbaren Stiefmutter Tutanchamuns, an dessen Standort Ägyptologen seit Jahren herumrätseln.

Stand einst Nofretetes Name auf dem Königsschild und wurde dann überschrieben?Bild: picture-alliance/dpa

Nach zwei Tagen intensiver Untersuchungen Ende November in Luxor gab das Ministerium für Ägyptische Altertümer bekannt, dass mit neunzigprozentiger Sicherheit solcherlei verborgene Grabkammern existieren.

Im Zusammenhang mit dieser Hypothese hat Reeves daraufhin behauptet, dass Tutanchamuns Grabmaske und viele andere Schätze des Grabes ursprünglich für die Königin hergestellt und erst später manipuliert worden seien, nämlich als der König unerwartet jung verstorben war. Reeves ist sogar der Ansicht, dass zuerst Königin Nofretetes Name auf dem Königsschild der Maske stand und später mit Tutanchamuns Namen überschrieben wurde. Eckmanns Forschungen könnten diese Manipulation nachweisen.

Die Welt erwartet Ergebnisse

Sobald die Wiederherstellung der Maske abgeschlossen ist, will Eckmann die Ergebnisse seiner Studien veröffentlichen. Und egal, was auch immer dabei herauskommt, "die Gelegenheit, an einer Antiquität von solcher Bedeutung zu arbeiten ist eine große Verantwortung und eine große Ehre, die ich niemals vergessen werde", schwärmt der Experte.

Eckmann ist zwar daran gewöhnt, solcherlei Kostbarkeiten mit professioneller Distanz zu bearbeiten. Dennoch hat ihn die Arbeit an diesem speziellen Stück tief beeindruckt: "Allerdings hat man kaum Zeit für solche Gefühle. Schließlich musste ich das Problem lösen, wie man die Maske wieder zurück in die Ausstellung bringen kann," erklärt er. "Die Touristen warten darauf und das ägyptische Volk ebenfalls."