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PolitikIran

Die westlichen Iran-Sanktionen im Überblick

20. Oktober 2022

Angesichts der brutalen Unterdrückung der Proteste im Zusammenhang mit dem Tod von Jina Mahsa Amini gibt es neue Sanktionen gegen den Iran. Schon zuvor war das Land mit zahlreichen Strafmaßnahmen belegt. Ein Überblick.

Szenen aus den jüngsten Protesten im September und Oktober 2022 im Iran
Kopftuchlose Siegesgeste: Im Iran nehmen besonders Frauen gerade große Risiken auf sich - und der Westen will mit Sanktionen erwirken, dass die Proteste nicht gewaltsam niedergeschlagen werdenBild: UGC

Scharfe Schüsse auf Demonstrierende, gewaltsame Festnahmen mitten auf der Straße, Razzien in Schulen und Universitäten: Für viele ausländische Regierungen ist offensichtlich, dass das Mullah-Regime im Iran derzeit massiv Menschenrechte schleift, um wieder Herr der Lage im Land zu werden. Menschenrechtsorganisationen zufolge sind bereits Hunderte Menschen durch die Gewalt der Sicherheitskräfte ums Leben gekommen.

Seit gut einem Monat weiten sich die Proteste gegen die ultrakonservative Führung immer weiter aus. Sie hatten ursprünglich als Reaktion auf den Tod der 22-jährigen Kurdin Jina Mahsa Amini begonnen. Die sogenannte Sittenpolizei hatte sie mit der Begründung festgenommen, sie habe ihr Kopftuch nicht ordnungsgemäß getragen, und mutmaßlich schwer misshandelt. Inzwischen stellen die größten Proteste seit der Islamischen Revolution 1979 auch das Regime insgesamt infrage.

Nach dem Tod von Jina Mahsa Amini (r.) entlädt sich im Iran die aufgestaute Wut vieler Menschen - die Sicherheitskräfte gehen hart dagegen vorBild: Social Networks/Zuma/IMAGO

Im Ausland ist die Solidarität mit der iranischen Zivilbevölkerung groß. So wurden in jüngster Zeit weitere Sanktionen gegen die iranische Führung verhängt - zusätzlich zu den strengen Strafmaßnahmen, die teils schon lange gelten.

Mit welchen Sanktionen antwortet der Westen auf die aktuelle Lage?

Als Erstes reagierte im September die US-Regierung mit Sanktionen gegen die Religionspolizei und hochrangige Sicherheitsbeamte. Somit wird etwaiger Besitz der Betroffenen in den USA eingefroren, US-Staatsbürgern werden Geschäfte mit ihnen untersagt. Die US-Regierung ziehe weitere Strafmaßnahmen in Betracht, hieß es.

In dieser Woche zog auch die Europäische Union nach: Die EU-Außenminister beschlossen Sanktionen gegen elf Einzelpersonen und vier Organisationen. Betroffen sind unter anderem der Chef der sogenannten Sittenpolizei, Mohammed Rostami, der für weitreichende Internetsperren verantwortliche Informationsminister Eisa Zarepour sowie hochrangige Beamte. Ihnen ist nun die Einreise in die EU verwehrt; mögliche Vermögen auf europäischen Konten sind eingefroren.

Teheran, 15. Oktober: eine Frau ohne Kopftuch schreibt "Tod dem Diktator Chamenei" auf eine HauswandBild: SalamPix/ABACA/picture alliance

Welche Sanktionen bestanden schon vorher?

Westliche Sanktionen gegen den Iran gibt es schon so lange wie die Islamische Republik selbst. Die USA verhängten noch im Revolutionsjahr 1979 erstmals Sanktionen gegen Teheran; damals als Reaktion auf die Besetzung der US-Botschaft, bei der iranische Studenten 52 US-Diplomaten als Geiseln nahmen, um die Auslieferung von Schah Reza Pahlavi zu erpressen. Im Zuge des Ersten Golfkriegs verhängten die USA zudem ein Waffenembargo.

Das dominierende Thema der heute gültigen Sanktionen ist jedoch das iranische Atomprogramm: Bereits 1995 kappte US-Präsident Bill Clinton sämtliche Handels- und Investitionsverbindungen, um den Iran als "Inspiration und Zahlmeister für Terroristen" international zu isolieren: "Irans Drang, Atomwaffen und die dafür benötigten Raketen zu beschaffen und zu entwickeln, ist nur noch gewachsen", sagte Clinton damals. Es sei nicht davon auszugehen, dass weiteres Engagement dagegen etwas ausrichten könne.

Im iranischen Kernforschungszentrum Natanz wird Uran angereichert - zum Missfallen vieler anderer NationenBild: AEO Iran/AFP

Tatsächlich intensivierte Teheran das Atomprogramm, sodass schrittweise auch der UN-Sicherheitsrat aktiv wurde: Zwischen 2006 und 2015 verabschiedete er eine Reihe von Resolutionen, die auch harte Sanktionen einschließen. Diese beinhalteten unter anderem Waffenembargos, das Einfrieren iranischer Vermögenswerte - auch der iranischen Zentralbank -, Reiseverbote und Handelsbeschränkungen. Iranische Frachtmaschinen durften keine EU-Flughäfen mehr anfliegen, zahlreiche Personen durften nicht mehr einreisen. 2012 wurden iranische Banken aus dem Swift-System ausgeschlossen, das internationale Überweisungen abwickelt. Der immer weiter erhöhte Druck sollte Teheran dazu bringen, seine nuklearen Ambitionen fallen zu lassen.

Wie ging es mit den Sanktionen im Atomprogramm weiter?

Im Herbst 2015 gab es dann einen Durchbruch: Im Wiener Atomvertrag (JCPOA) erklärte der Iran die weitgehende Abkehr von seinem Atomprogramm, im Gegenzug setzten EU und USA ihre Strafmaßnahmen aus. 2018 stiegen die USA unter Präsident Donald Trump jedoch einseitig aus dem Vertrag aus und setzten einen Großteil der Sanktionen wieder in Kraft - daraufhin sah sich auch Teheran nicht mehr an die Vereinbarungen gebunden. Nach und nach verabschiedete sich der Iran von den Selbstverpflichtungen und reicherte wieder größere Mengen Uran an.

Bislang gelten nur nationale US-Sanktionen wieder, die jedoch auch globale Konsequenzen haben - so ist Iran erneut vom Swift-System ausgeschlossen. Die harten Strafmaßnahmen auf Basis der UN-Sanktionen hingegen würden erst wieder greifen, wenn einer der Vertragspartner (neben den fünf UN-Vetomächten hatten die EU und Deutschland das JCPOA mit dem Iran ausgehandelt) den sogenannten "Snapback"-Mechanismus auslösen würde. Trump hatte das 2020 versucht - jedoch erfolglos, da die USA rechtlich gesehen kein Vertragspartner mehr waren.

Seit 2021 ist der konservative Hardliner Ebrahim Raisi Präsident - für viele westliche Stimmen ein komplizierterer Verhandlungspartner beim JCPOA als sein Vorgänger Hassan RohaniBild: Iranian Presidency/ZUMA/picture alliance

Trumps Nachfolger Joe Biden wollte das Abkommen wiederbeleben, bislang waren die neuen Verhandlungsrunden aber erfolglos. Derzeit sieht es - auch im Lichte der aktuellen Ereignisse im Iran - nicht nach einem bevorstehenden Durchbruch aus. Die verbliebenen Vertragspartner, also zum Beispiel die EU, könnten nun einen Verhandlungsstopp oder den "Snapback"-Mechanismus als weiteres Druckmittel einsetzen, jedoch zu dem Preis, dass der Iran seine Atom-Ambitionen deutlich aggressiver vorantreiben dürfte.

Wird Iran auch wegen Drohnen-Lieferungen nach Russland sanktioniert?

Schon seit einigen Wochen verdichten sich die Hinweise, wonach Russland seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine auch mithilfe von Drohnen iranischer Bauart führt. Besonders in den vergangenen Tagen sollen zahlreiche Kamikaze-Drohnen eingesetzt worden sein; die ukrainische Seite veröffentlichte Fotos, die eindeutig iranische Modelle zeigen sollen. Die Ukraine erwägt deshalb bereits den Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit dem Iran.

"Iran unterstützt Russismus", steht auf einem Plakat in KiewBild: SERGEY DOLZHENKO/EPA-EFE

Die Drohnenlieferungen könnten auch weitere westliche Strafmaßnahmen nach sich ziehen: Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat nach eigener Aussage bereits im Europäischen Rat gefordert, das deshalb "ein weiteres Sanktionspaket gegenüber dem iranischen Regime folgen muss". Dafür müsse jedoch zunächst Klarheit bei den Drohnen geschaffen werden und alles "rechtlich sauber sein", sagte sie im ZDF-Fernsehen: "Die Kamikaze-Drohnen, die da abgeschossen worden sind und die ja auch in Kiew eingeschlagen sind, da ist doch sehr, sehr deutlich, woher sie kommen."

Eine Sprecherin des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell kündigte am Mittwoch eine "klare, schnelle und deutliche" Antwort Europas auf die iranisch-russischen Drohnen-Deals an. Medienberichten zufolge ist das nächste Sanktionspaket gegen insgesamt acht Personen und Organisationen bereits in Arbeit. Auf dem EU-Gipfeltreffen in Brüssel am Donnerstag könnte es Thema werden.

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