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"Welcome in Munich - Germany"

5. September 2015

Nach einer Irrfahrt treffen immer mehr Flüchtlinge in Bayern ein: möglicherweise bis zu 8000. Aber man ist gut gerüstet für Erstaufnahme und Verteilung in Deutschland. Kanzlerin Merkel telefonierte mit Premier Orban.

Flüchtlinge im Bahnhof München: Vater mit kleiner Tochter bei der Ankunft (foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/N. Armer

Der erste Sonderzug mit 450 Migranten erreichte Bayerns Landeshauptstadt um 13.20 Uhr: Völlig erschöpft, aber strahlend vor Glück und Erleichterung, betreten die Flüchtlinge deutschen Boden. Die Erstaufnahme sei bestens geregelt, für die Weiterverteilung in andere Bundesländer gebe es bereits Zusagen, erläutert ein Behördensprecher den wartenden Journalisten. Bayern werde entlastet, schon in den kommenden 24 Stunden.

Um Wartezeiten zu vermeiden, wurde die Registrierung vom Hauptbahnhof auf die Aufnahmeeinrichtungen verschoben. Zahlreiche Busse standen zur Verteilung auf verschiedene Regierungsbezirke in Bayern bereit. Überlegt wurde auch ein Transport per Sonderzügen an München vorbei direkt in die jeweiligen anderen Bundesländer. Einige hundert freiwillige Helfer standen noch in Bereitschaft, um später bei der Versorgung mitzuwirken.

Freiwillige Helfer in München verteilen Wasser und Nahrungsmittel an die NeuankömmlingeBild: Getty Images/A. Beier

Nach den Zusagen aus Deutschland und Österreich zur Aufnahme von Flüchtlingen aus Ungarn ist man an der Isar auf eine Rekordzahl von Neuankömmlingen eingestellt. 4500 kamen laut Polizei schon im Laufe des Tages, bis in die Nachtstunden wurde mit mindestens weiteren 3000 gerechnet, mit Sonderzügen oder regulären Verbindungen.

Die Regierungen in Berlin und Wien hatten sich angesichts chaotischer Zustände in Ungarn in der Nacht zum Samstag bereiterklärt, die Flüchtlinge rasch aufzunehmen. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNESCO) lobte die Entscheidung Deutschlands und Österreichs als "politische Führerschaft auf der Grundlage humanitärer Werte".

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat laut einem Sprecher am Abend mit dem ungarischen Regierungschef Viktor Orban telefoniert. Beide seien sich einig gewesen, dass ihre Länder ihren europäischen Verpflichtungen einschließlich des Dublin-Abkommens nachkämen, hieß es. Zudem sei man sich einig gewesen, dass die heutige Weiterreise der Flüchtlinge aufgrund der Notlage an der ungarischen Grenze eine Ausnahme gewesen sei. Auch Kanzleramtsminister Peter Altmaier sagte, die ungehinderte Einreise von Flüchtlingen dürfe sich nicht täglich wiederholen. "Wir müssen dazu kommen, dass die ganz normalen europäischen Regeln eingehalten werden und das heißt, alle müssen sich beteiligen", sagte er mit Blick auf den Widerstand osteuropäischer Staaten gegen eine Aufnahme.

Die Migranten waren von den ungarischen Behörden mit Bussen zur Grenze gebracht worden. Sie überquerten sie zu Fuß und wurden auf der österreichischen Seite mit Wasser, Nahrungsmitteln und Notbetten empfangen. Im Grenzort Nickelsdorf wurden Sonderzüge nach Wien bereitgestellt.

In Ungarn hatten sich viele Flüchtlinge geweigert, sich registrieren zu lassen. Nach EU-Regeln ist eigentlich das Land für Neuankömmlinge zuständig, in dem sie zuerst den Boden der Gemeinschaft betreten. Die Regierung in Budapest wollte zunächst die Verpflichtungen erfüllen und die Flüchtlinge aufhalten. Mit der überraschenden Bereitstellung von Bussen gestand sie aber indirekt ein, die Kontrolle verloren zu haben. Die Lage war eskaliert, als am Freitag mehr als 1000 Flüchtlinge von Budapest aus zu einem Fußmarsch auf der Autobahn ins knapp 200 Kilometer entfernte Österreich aufbrachen. Auch am Samstag machten sich wieder Hunderte Flüchtlinge vom Budapester Ostbahnhof aus zu Fuß Richtung Österreich auf den Weg.

Nach jüngsten Angaben sind bereits 6500 Flüchtlinge in Österreich angekommen. "Nahezu alle wollen weiter nach Deutschland", twitterte das Innenministerium. Mit der aktuellen Ausreiseaktion dürften schätzungsweise 10.000 Flüchtlinge aus Ungarn kommen, verlautete in Wien.

Die rechtskonservative Regierung in Budapest hat Deutschland für die chaotische Lage verantwortlich gemacht. Hintergrund ist die Zusage der Bundesrepublik, Syrer nicht in andere EU-Staaten zurückzuschicken. Auch deswegen wollen viele Flüchtlinge von Österreich aus weiterreisen. "Wir sind glücklich. Wir werden nach Deutschland gehen", sagte ein Syrer bei der Ankunft an der Grenze. Beim Fußmarsch auf der Autobahn hatten Flüchtlinge am Freitag wieder Bilder von Kanzlerin Merkel gezeigt.

Angesichts des Zustroms von Flüchtlingen nach Ungarn will die Budapester Regierung Soldaten an die Grenze im Süden des Landes verlegen. Ab dem 15. September sollten dort zunächst Polizisten eingesetzt werden, sagte Ministerpräsident Orban am Samstag auf einer Pressekonferenz. Das Militär solle folgen, wenn das Parlament dem zustimme.

"Wir werden die Grenze Schritt für Schritt unter Kontrolle bringen." Orban zeichnete erneut ein Schreckensszenario, um seinen rigiden Kurs zu rechtfertigen: "Es sind Millionen und Abermillionen, weil der Nachschub von Migranten unendlich ist." Ungarn grenzt im Süden unter anderem an Serbien. Die Regierung hat dort einen 175 Kilometer langen Zaun errichtet, um Flüchtlinge abzuhalten.

SC/jj (rtr, afpe, dpa, ARD, epd)

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