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Politik

Welt am Abgrund?

8. Februar 2018

Die internationale Ordnung erodiert, die Gefahren ernster Konflikte nehmen zu. Der Münchner Sicherheitsbericht zeichnet ein ernüchterndes Bild der Weltlage – und setzt den Ton für die kommende Sicherheitskonferenz.

USA - Polizeihubschauber - Washington
Bild: picture alliance/AP Photo/J. D. Ake

Sicherheitsexperten sind selten Optimisten, Sicherheitsberichte selten optimistisch. Das gilt auch für den neuen Münchner Sicherheitsbericht. Der trägt den Titel "Bis zum Abgrund – und zurück?" und sieht eine neue Unsicherheit aufziehen. Die Welt sei im vergangenen Jahr deutlich näher an den Rand schwerer bewaffneter Konflikte herangerückt, schreibt der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger schon im Vorwort - "viel zu nah". Dabei verweist Ischinger auf das gefährlich anschwellende Säbelrasseln zwischen den USA und Nordkorea, auf die wachsende Rivalität zwischen Saudi-Arabien und dem Iran, auf die gleichbleibend hohen Spannungen zwischen NATO und Russland in Europa.

Wolfgang Ischinger hat den neuen Münchner Sicherheitsbericht am Mittwoch in Berlin vorgestelltBild: picture-alliance/dpa/A. Gebert

Rückzug der USA

Wie schon in den vergangenen drei Jahren bereitet der Bericht den geistigen Boden für die Münchner Sicherheitskonferenz Ende der kommenden Woche. Und in gewisser Weise schreibt der neue Bericht den des letzten Jahres fort. Im Februar 2017 hatten die Autoren bereits gewarnt, die USA könnten sich unter der damals noch neuen Regierung Trump verabschieden von ihrer Rolle als Garant internationaler Sicherheit und ihre Außenpolitik unilateraler oder sogar nationalistischer ausrichten. In diesem Jahr konstatiert der Sicherheitsbericht genau das: Die USA ziehen sich von ihrer Führungsrolle zurück.

Sie zeigen wenig Interesse beim Aufbau regionaler oder globaler Institutionen, die Regeln für die Gestaltung internationaler Beziehungen aufstellen. Die USA hätten sich verabschiedet von einer Politik, die sich auf geteilte Werte stützt. Für die USA zählten jetzt nur noch gemeinsame Interessen in einzelnen Punkten. Das geht einher mit deutlich geringerem Interesse an Diplomatie: Das Budget für das amerikanische Außenministerium wurde massiv gekürzt - bei gleichzeitig steigenden Rüstungsausgaben. Der Sicherheitsbericht zitiert den amerikanischen Außenpolitikexperten G. John Ikenberry mit der Feststellung: "Die mächtigste Nation der Welt hat begonnen, die Ordnung zu sabotieren, die sie selbst geschaffen hat".

Abgenabelte Europäer?

Für die Europäer bedeutet das unter anderem, sich stärker als bisher um die eigene Sicherheit zu kümmern. Der Bericht erinnert an eine Bemerkung von Bundeskanzlerin Angela Merkel nach dem Deutschlandbesuch von US-Präsident Trump im Mai 2017: "Die Zeiten, in denen wir  uns auf andere völlig verlassen konnten, sind zu einem Stück vorbei". Jetzt, so die Kanzlerin weiter, müssten die Europäer ihr "Schicksal wirklich in die eigenen Hände nehmen". Damit sind auch höhere Rüstungsausgaben gemeint. Würden sich alle EU-Staaten und auch Norwegen an das sogenannte 2 Prozent Ziel halten und tatsächlich zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung ins Militär stecken, würden bis 2024 die Rüstungsausgaben um rund 50 Prozent auf rund 386 Mrd. Dollar steigen. Damit aber das europäische Militär leistungsfähiger wird, muss es vor allem vernetzter werden. Autoren des Berichts machen hier eine "Vernetzungs- und Digitalisierungslücke" aus. Allein die Schließung dieser Lücke würde die zusätzlichen Mittel allerdings bereits aufzehren. Notwendig  wäre auch eine Konsolidierung der weit verzweigten europäischen Rüstungsindustrie.

Ernüchternde Begegnung: Angela Merkel und Donald Trump im Mai 2017 in HamburgBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Immerhin diagnostiziert der Bericht Ansätze eines Zusammenwachsens der europäischen Verteidigung: 25 Staaten haben beschlossen, innerhalb der neugegründeten sogenannten Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit (PESCO, Permanent Structered Cooperation) ihre Sicherheits- und Verteidigungspolitik auf EU-Basis zu koordinieren. Frankreich und Deutschland wollen gemeinsam die nächste Generation von Kampfflugzeugen entwickeln. Und in Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat die Idee einer gemeinsamen europäischen Armee einen mächtigen Fürsprecher gewonnen. 

Klimawandel, Konflikte, Migration

Auch in anderer Hinsicht ist der neue Sicherheitsbericht eine Fortschreibung. Im letzten Jahr schon hatten die Themen Klima und Migration weiten Raum eingenommen. Der Bericht bedauert ausdrücklich, dass die USA aus dem Pariser-Klimaabkommen ausgestiegen sind und den Klimawandel in der jüngsten Nationalen Sicherheitsstrategie nicht mehr als Sicherheitsrisiko aufführen.

Der Bericht erinnert daran, dass 2017 neben 2015 und 2016 zu den drei heißesten Jahren seit Beginn der Klima-Aufzeichnungen gehört und von katastrophalen Stürmen, Dürren und Fluten bestimmt wurde. Zugleich weist der Bericht auf den Zusammenhang zwischen Klimawandel und Konflikten hin. Der Klimawandel wirke als "Konflikt-Verstärker", heißt es da. "Die Fortsetzung zahlreicherer lang andauernder bewaffneter Konflikte war eine der Hauptursachen für Migration, Vertreibung und Hunger" stellt der Bericht an anderer Stelle in einem Afrika und der Migration gewidmeten Kapitel fest.

 

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