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Politik

Für das Miteinander der Religionen

27. August 2019

Azza Karam ist die neue Generalsekretärin von "Religions for Peace". Erstmals steht eine Frau an der Spitze der bald 50 Jahre alten internationalen Organisation.

Frau an die Spitze von Religions for Peace gewählt | Azza Karam
Bild: picture-alliance/dpa/Ring for Peace/C. Flemming

Wo Sie zuhause ist? Azza Karam muss nicht lange überlegen. "In Kairo, Amsterdam und New York", sagt sie im Gespräch mit der Deutschen Welle. "Alle drei Städte sind als verschiedene Etappen meines Lebens gleichermaßen wichtig." In der deutschen Sprache würde man sie wohl "Weltbürgerin" nennen. Und weltweiten Perspektiven gehört seit einigen Tagen ihr Blick. Denn Karam ist die neue Generalsekretärin von "Religions for Peace" (RfP), einem weltweiten Netzwerk, das sich als größte interreligiöse Nichtregierungsorganisation der Welt versteht.

Die 1968 in der ägyptischen Hauptstadt Kairo geborene Muslimin siedelte zunächst in die Niederlande über und hat auch die niederländische Staatsbürgerschaft. An der Freien Universität Amsterdam ist sie bis heute Professorin für Religion und Entwicklung. In dieser Zeit veröffentlichte Karam auch in arabischer und englischer Sprache ihr erstes Buch, das sich mit dem politischen Islam befasste. Danach folgten zahlreiche weitere Veröffentlichungen über Religion, Demokratie und Entwicklung, Menschenrechte und über Genderthematik. 

In Lindau ein Symbol für die Religionen: Der "Ring for Peace"Bild: DW/C. Strack

"Einwanderertochter"

Im Jahr 2000 kam sie "als ägyptische, muslimische Einwanderertochter", wie sie sagt, in die Vereinigten Staaten, um bei "Religions for Peace" zu arbeiten. Bis 2004 war sie dort als Direktorin eines weltweiten Netzwerks von Frauen tätig und beriet die Organisation bei interreligiösen Perspektiven im Nahen Osten. Seitdem ist die Wissenschaftlerin sehr gefragt als Beraterin in den Bereichen Kultur und Religion bei den Vereinten Nationen und weiteren internationalen Organisationen. Außerdem hielt sie regelmäßig Vorlesungen in Europa, in Nordamerika, in Afrika und dem Nahen Osten. 

Im Gespräch über Religion sagt Karam, dass sie Beziehungen zwischen den verschiedenen Glaubensrichtungen sieht und sich um deren Miteinander bemüht. Ihre Antrittsrede vor den gut 900 Delegierten bei der 10. RfP-Weltversammlung in Lindau machte dies deutlich. Gleich in ihren ersten Sätzen zitierte sie den britischen Dichter Alfred Lord Tennyson (1809-1892) und den Philosophen und überragenden katholischen Theologen Thomas von Aquin (1225-1274), sowie den deutschen Dichter Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) und Buddha. Später folgten unter anderem der Talmud und Teresa von Avila, eine Koran-Sure, sowie Zitate von Papst Franziskus und Nelson Mandela. Und sie hat, so wirkt es, das alles gelesen. 

Religions for Peace ist eine Weltversammlung aller großen Religionen. Sie sollen sich nach dem Willen von Azza Karam für Religions- und Gewissensfreiheit einsetzenBild: picture-alliance/dpa/K.-J. Hildenbrand

"Religions- und Gewissensfreiheit"

Und dann kam sie gleich auf die Charta der Vereinten Nationen, an der sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten ihre Arbeit ausrichtete: die Grundprinzipien der Würde und Gleichheit aller Menschen, die allgemeine Achtung und Einhaltung der Menschenrechte und Grundfreiheiten, "ohne Unterschied in Bezug auf Rasse, Geschlecht, Sprache oder Religion". Und sie erinnerte an das Recht auf Gedanken-, Gewissens-, Religions- und Glaubensfreiheit. Für all das solle "Religions for Peace" gleichermaßen eintreten, aber auch für die Freiheit, nicht zu glauben. Dabei gab sie den Delegierten durchaus eine Mahnung mit: Der Friede, für den "Religions for Peace" arbeiteten, "sollte niemals eine Lüge sein" und nie mit Lügen erreicht werden.

Und mit Zitaten eines katholischen Ordensmanns aus Nigeria kam sie vom "Mitgefühl Christi" zu einer "Politik des Mitgefühls". Es gehe darum, das Mitgefühl und Nächstenliebe in ein Handeln zu übertragen, "das sowohl aus materieller Hilfe, als auch aus Gerechtigkeit besteht". Das sei notwendig angesichts einer "weit verbreiteten und skandalösen Form des sozialen Leids", sowie einer "rücksichtslosen Zerstörung der Ökologie", sagt Karam. 

Die Mehrheit der RfP-Teilnehmer ist männlich - doch sie entschieden sich für eine Frau als GeneralsekretärinBild: Ahmad Khalid Photography

In Berlin

Azza Karam war schon einmal als offizieller Gast auf einer deutschen Bühne eingeladen: Beim Leipziger Katholikentag 2016 beteiligte sie sich als Vertreterin des UN-Weltbevölkerungsfonds am Podium "Frei und gleich an Würde und Rechten". Nun ist sie in neuer Funktion in Berlin zu Gast. Am Mittwoch besucht sie die Deutsche Welle in Berlin, am Abend steht sie bei der Botschafterkonferenz des Auswärtigen Amtes in Berlin Rede und Antwort. Im neuen Job wird die Weltbürgerin auch zur Weltreisenden.