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Krautzun wird 75

13. Januar 2016

32 Stationen in elf verschiedenen Ländern: Der deutsche Ex-Fußball-Trainer Eckhard Krautzun hat dank des Sports viele Menschen und Kulturen kennengelernt. Auch jetzt mit 75 Jahren bleibt Fußball sein Leben.

26.01.2015 DW kickoff Eckhard Krautzun

Einmal war Eckhard Krautzun sogar zu Gast beim Kaiser von Äthiopien. Der deutsche Fußball-Trainer, Beiname "Weltenbummler" oder "Kosmopolit", trainierte in den 70er-Jahren die Nationalmannschaft von Kenia und ein wichtiges Spiel in Äthiopien lief leider völlig aus dem Ruder. "Wir gingen mit 1:0 in Führung, und danach fingen die Ausschreitungen an", erinnert sich Krautzun.

"Die Zuschauer rissen die Zäune nieder, ich wurde von einem Stein am Kopf getroffen, selbst das Orchester am Spielfeldrand schlug mit seinen Trommelstöcken auf unsere Spieler ein." Die Partie wurde abgebrochen und die meisten Kenianer inklusive Krautzun saßen am Abend mit Kopfverbänden im Hotel. "Dann kam ein Mann in Uniform und sagte mir, seine Hoheit Kaiser Haile Selassie lädt uns in seinen Palast ein, um daraus nicht auch noch eine diplomatische Krise werden zu lassen. Wir sind dort wie Staatsgäste empfangen worden."

Maradona trainiert, mit Ferguson befreundet

An diesem Mittwoch ist Krautzun - geboren 1941 im Ruhrgebiet - 75 Jahre alt geworden, er kann solche Anekdoten tagesfüllend erzählen. In seiner Vita stehen 32 Stationen in elf verschiedenen Ländern. Der Deutsche hat Diego Maradona trainiert, als der für viel Geld zu einem Jubiläumsspiel des saudischen Clubs al-Ahli Dschidda eingeflogen wurde. Er ist seit fast 40 Jahren mit Sir Alex Ferguson befreundet, weil sich beide mal bei einem Lehrgang in England kennengelernt haben.

Wenn man Krautzun nach seinem größten Erfolg als Trainer fragt, dann erzählt er nicht vom Bundesliga-Aufstieg mit 1860 München (1979), dem DFB-Pokalsieg mit dem 1. FC Kaiserslautern (1996) oder der WM-Qualifikation mit Tunesien (2001) - sondern von einem Job als Nationalcoach der Philippinen im Jahr 1992. "Dort hatte ich zwei Monate Zeit, um eine Mannschaft für die Südostasien-Spiele aufzubauen. Einige Spieler hatten keine Fußballschuhe, die Mannschaft verlor ihre Spiele vorher meist 0:8 bis 0:10. Doch dann haben wir das Wunder geschafft und sind bis ins Halbfinale gekommen."

1979 bei 1860 München: Präsident Riedel gratuliert Trainer Krautzun (r.)Bild: picture-alliance/Werek

Ausbilden, beraten, betreuen

Seit 15 Jahren arbeitet der Globetrotter nicht mehr als Trainer. Seinen Geburtstag feiert er trotzdem wie auf der Durchreise. Noch bis zum Dienstag war er in der Türkei und besuchte mehrere Bundesliga-Clubs in ihren Trainingslagern. Gleich nächste Woche geht es dann weiter nach China, wo er noch immer drei- bis viermal im Jahr Sportlehrer und Nachwuchstrainer schult.

Im Auftrag des Deutschen Fußballbundes bildet er auch noch regelmäßig Trainer aus Entwicklungsländern aus. Für die UEFA arbeitet er als Referent. Krautzun berät zwei Sportfirmen, er schaut sich mindestens zwei Spiele pro Wochenende an, er betreut die Traditionsmannschaft des DFB mit lauter früheren Nationalspielern. Wer ihm zuhört, unterbricht ihn irgendwann und fragt: Warum? Was treibt jemanden an, seit Jahrzehnten von Stadion zu Stadion und von Kontinent zu Kontinent zu jette?

Krautzun (4.v.r.) als Betreuer der DFB-Traditionsmannschaft auf den PhilipinenBild: picture-alliance/dpa/R. B. Tongo

Mehr als nur Trainer

Krautzuns Antwort ist: "Abenteuerlust. Interesse an anderen Ländern, anderen Kulturen, anderen Kontinenten. Ich wollte schon immer ins Ausland. Da habe ich die Hälfte meines Lebens verbracht." Für andere Trainer gilt das auch. Das Bemerkenswerte an Krautzun ist vielleicht, dass er sich nie bloß als Trainer begriffen hat.

"Ich beschäftige mich sehr damit, was in den Ländern passiert, in denen ich tätig bin", sagt er. "Wer weiß schon, was ein Alawit ist? Oder wer sind die Jesiden? Warum sind die Kurden ein Volk, das keinen Heimatstaat hat? Und welcher Stamm in Kenia hat welche Geschichte?" Wer in solchen Ländern arbeite, müsse wissen: "Dort bist du Diplomat, dort bist du Trainer, dort bist du manchmal einflussreicher als der Botschafter. Und besonders wichtig ist: Man muss sich anpassen können, tolerant sein und in stressigen Situationen cool bleiben." Nicht umsonst war Krautzun 2015 für den Titel des "Deutschen Fußball Botschafters" nominiert.

Ein Leben für den Fußball

In Kenia kam einmal "kurz vor dem Spiel die Mutter des Torwarts in die Kabine und sagte zu mir: Wir müssen einen Zauber vertreiben, der auf unserem Sohn liegt." Krautzun sah sie "mit irgendwelchen Knöchelchen ankommen" - aber er ließ es geschehen. In Tunesien führte er die Nationalmannschaft zur WM 2002, bis ihm der Verbandspräsident auf einmal die Auswahl der Spieler diktieren wollte. Krautzun trat sofort zurück - und war bei der WM nur Zuschauer.

Freunde fürs Leben: Krautzun (l.) und FergusonBild: Presented by

Zur falschen Zeit am richtigen Ort: Das kennt er auch aus Deutschland. Krautzun war der Vorgänger von Jürgen Klopp in Mainz, der Vorgänger von Volker Finke in Freiburg, der Vorgänger von Otto Rehhagel in Kaiserslautern. Seine Nachfolger prägten jeweils eine Ära - nicht er. Aber der Weltenbummler sieht das mittlerweile so gelassen, wie man die Dinge eben sieht, wenn einem auf seinen Trainerstationen manchmal nicht bloß der Rausschmiss, sondern auch ein Erdbeben droht, ein Taifun oder ein Bürgerkrieg.

"Wenn ein Trainer Erfolg hat, heißt das auch, dass sein Vorgänger gute Arbeit geleistet hat", meint Krautzun. "Manchmal hat es eben geklappt, manchmal nicht. Ich habe da überhaupt keine Nachwehen. Ich verfolge immer noch die Karrieren der Spieler, die ich einmal trainiert habe: Jürgen Klopp, Bruno Labbadia oder Pele Wollitz. Überall, wo ich gearbeitet habe, bin ich gern gesehen."

dpa (sw)

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