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Glaube

Der Krieg ist niemals heilig

12. September 2017

Vertreter von 40 Religionen fordern ein klares Nein zu Krieg und Gewalt. Mit dem eindringlichen Friedensappell endete am Dienstagabend ein großes globales Religionstreffen in Münster und Osnabrück.

Friedensfest der Religionen in Osnabrück
Bild: DW/C.Strack

Man trägt bunt. Rote, violette und weiße Scheitelkäppchen, graue und schwarze Turbane, große Kappen mit zwölf koptischen Kreuzen. Farbenfrohe Gewänder, lange Bärte. Auf dem Marktplatz von Osnabrück versammeln sich am Dienstagabend die Religionen der Welt. Christen, Juden und Muslime, Hindus, Buddhisten, Shintoisten, Sikhs, Zoroastrier. Um die 40 Bekenntnisse. Ein fremdes, farbenfrohes Bild zwischen Ernst und Heiterkeit.

Alles auf dem Marktplatz vor jenem Rathaus von Osnabrück, in dem 1648 der "Westfälische Friede" unterzeichnet wurde. Er beendete den Dreißigjährigen Krieg, den grausamsten Religionskonflikt, den Europa erlebte. Knapp 370 Jahre später, in Zeiten der Globalisierung, beenden die Religionsvertreter aus aller Welt hier ein dreitägiges Teffen mit dem Motto "Wege des Friedens". Begleitet von scharfen Sicherheitsvorkehrungen.

Freunde und Friedensbewegung

"Liebe Freunde", sagt Andrea Riccardi auf der Bühne in seiner Anrede. Er kennt sie wohl alle. Der 67-jährige Italiener gründete 1968 mit Freunden in Rom die Gemeinschaft "Sant'Egidio". Was als Idee von ein paar jungen Leuten im römischen Stadtteil Trastevere begann, hat heute gut 70.000 Mitglieder in über 70 Ländern. Es ist eine katholische Friedensbewegung mit dem Anspruch politischer Vermittlungsarbeit auch in schwierigsten Konflikten. Größter Erfolg war das 1992 erreichte Friedensabkommen für Mosambik. "Liebe Freunde", sagt Riccardi. "Es ist notwendig für uns, zusammenzukommen und gemeinsam als Gläubige zu handeln. Nie wieder die einen gegen die anderen. Nie dürfen die Religionen zum Anlass für Konflikt oder Hass werden."

Andrea Riccardi (li.) begrüßt Kardinal Dieudonne NzapalaingaBild: DW/C.Strack

Dieser Geist bestimmte seit Sonntag das Miteinander von gut 2.500 Teilnehmern des Treffens. Seitdem Papst Johannes Paul II. im Jahr 1986 die Religionen der Welt nach Assisi lud, knüpft Sant'Egidio Jahr für Jahr daran an.

Italienisch und viele Sprachen

Und stets ist es, wie nun in Münster und Osnabrück, eine international angelegte, aber italienisch dominierte Veranstaltung. Jeder Referent (zumeist sind sie männlich) darf in seiner Sprache reden. So wurde in Münster auch vom Russischen ins Französische, vom Polnischen ins Arabische, vom Kurdischen ins Deutsche simultan übersetzt. So gut es ging. Und trotzdem: Dieser merkwürdig langsame Austausch bringt die Beteiligten einander erkennbar näher. Da sprechen sie lange über das Leid von Kindern in Konflikten oder die Hilfe für Migranten - und spüren, wie wichtig es wäre, an der Basis zwischen den Religionen zusammenzuarbeiten.

"Freundschaft" ist ein großes Wort. Hier zeigen sich Respekt oder Freundschaft, ohne dass sich jemand verbiegen muss. Sharon Stone von der israelischen Stiftung "Common Ground" sagte bei einem Forum, es schaffe Vertrauen, über Religionsgrenzen hinweg etwas gemeinsam zu beginnen, und brachte Beispiele aus Jerusalem: Regelmäßige Gespräche zu starten oder auch einen alten Friedhof zu pflegen.

Ein friedliches Miteinander der Religionen wurde in Osnabrück gelebtBild: DW/C.Strack

In diesen Tagen sind Religionsgelehrte aus dem Iran und Saudi-Arabien dabei. Hindus und Buddhisten, auch ein Royinga. Kurden, Syrer, Iraker. Auch zehn Kardinäle, Franziskus-Kardinäle sozusagen. Sie tragen kein Brokat und keine große Foklore, haben meist aber ein Smartphone und, vor allem, Grasroot-Erfahrung. Auf ihren Namensschildern steht weder Kardinal noch Erzbischof, nur der Name. "Dieudonne Nzapalainga", zum Beispiel.

"Kein Religionskrieg"

Der 50-jährige Erzbischof von Bangui in der Zentralafrikanischen Republik hat wesentlich dazu beigetragen, dass die schlimme Lage in seinem Land nicht noch mehr eskaliert. "Auch wenn das mancher will: das ist kein Glaubens- und kein Religionskrieg. Das ist ein politischer, ein militärischer Konflikt", sagt er im Gespräch mit der Deutschen Welle. "Und die Kirche ist an der Seite aller, die unter diesem Konflikt leiden."

Als Papst Franziskus Nzapalainga 2016 zum Kardinal machte, reiste der Geistliche mit einem befreundeten Imam in den Vatikan. Er hatte diesen beschützt, als ein Mob muslimische Einrichtungen angriff. Seinerseits bemüht sich der muslimische Geistliche um den Schutz von Kirchen. Eine typische Sant-Egidio-Geschichte.

Butros Marayati, Erzbischof aus dem so geschundenen syrischen Aleppo, beschwört bei der Abschlussfeier laut "Nie wieder Krieg, nie wieder". Krieg sei "nutzlose Schlächterei".

Viele Kontakte förderte das Friedensfest der ReligionenBild: DW/C.Strack

Gemeinsam für den Frieden

Vor dem Rathaus - es dunkelt schon - veröffentlichen die Religionsführer einen Friedensappell, auf den sie sich in diesen Tagen verständigten. Der Globalisierung fehle die Seele, mahnen sie. Und dann: "Wir wissen, dass der Krieg niemals heilig ist. Und dass jene, die im Namen Gottes töten, weder im Namen einer Religion noch im Namen der Menschen handeln. Voller Überzeugung sagen wir Nein zum Terrorismus." Sie rufen alle Gläubigen dazu auf, "in unserer Welt neue 'Wege des Friedens' zu eröffnen". Und sprechen auch die Gefahr eines Atomkriegs in Asien an. 

Als die Botschaft verlesen wird, ist Rührung spürbar. Und Beifall brandet auf. 2018 wird Sant'Egidio 50 Jahre alt. Das jährliche Religionstreffen, kündigte Riccardi am Abend an, wird im September in Bologna stattfinden. Vielleicht hat ja auch Papst Franziskus den Termin schon im Kalender.

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