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Weltgrößte Freihandelszone unter Dach und Fach

Martin Fritz aus Tokio
15. November 2020

Mit der Unterzeichnung des RCEP-Handelsvertrages unterstreicht Asien seine Rolle als Motor der Weltwirtschaft und bringt den künftigen US-Präsidenten Joe Biden in Zugzwang. Martin Fritz aus Tokio.

Vietnam Hanoi | Abschluss virtueller ASEAN-Gipfel | Freihandelsabkommen
Bild: Nhac NGUYEN/AFP

Nach acht Jahren Verhandlungen haben die Staats- und Regierungschefs von 15 Ländern der Asien-Pazifik-Region am Sonntag (15.11.) den weltgrößten Freihandelsvertrag unterzeichnet. Die "Regionale umfassende Wirtschaftspartnerschaft" (Regional Comprehensive Economic Partnership, RCEP) baut Schutzzölle ab, stärkt über Herkunftsvereinbarungen die Lieferketten und stellt Regeln für E-Commerce auf. Das Abkommen sei "ein großer Schritt vorwärts in einer Zeit, in der der Multilateralismus an Boden verliert und sich das globale Wachstum verlangsamt", erklärte der Premierminister von Singapur, Lee Hsien Loong.

Der neue Freihandelsvertrag soll die ökonomische Integration der asiatischen Länder voranbringen und ihr Wirtschaftswachstum nach der Pandemie stärken. Auf absehbare Sicht könnte Asien zu einer zusammenhängenden Handelszone wie Europa und Nordamerika werden. „Mit dem Vertrag untermauert Asien seine zentrale Rolle als Motor der Weltwirtschaft“, erklärt der deutsche Asienexperte Sebastian Maslow. Laut den Ökonomen Peter Petri und Michael Plummer lässt der Pakt die Weltwirtschaft um 186 Milliarden Dollar wachsen und erhöht das Bruttoinlandsprodukt der Vertragspartner um jeweils 0,2 Prozent.

Die Unterzeichner sind die 10 Mitglieder des ASEAN-Bundes - Brunei, Kambodscha, Indonesien, Laos, Malaysia, Myanmar, Philippinen, Singapur, Thailand und Vietnam - sowie China, Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland. Ihre 2,2 Milliarden Einwohner erwirtschaften jährlich 25,6 Billionen Dollar, 29 Prozent des Weltbruttoinlandsprodukts. Zum Vergleich: Die EU macht 33 Prozent der Weltwirtschaft aus. Die Unterzeichnung fand im Rahmen eines virtuellen ASEAN-Gipfels unter Leitung von Vietnam statt.

Geostrategische Interessen

Vor dem Hintergrund des heftigen Handelskrieges mit den USA gilt der Freihandelspakt als politischer Erfolg für China, manche Beobachter sprechen gar von einem Sieg. Ursprünglich wollte der ASEAN-Staatenbund mit dem RCEP-Vertragswerk nur bilaterale Handelsverträge seiner Mitglieder zusammenfassen, bis sich China an den Verhandlungen beteiligte. Als zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt kann Peking nun den Pakt dominieren und seinen Einfluss in der Region vergrößern. Das gilt umso mehr, nachdem Indien als mögliches Gegengewicht zu China im vergangenen Jahr aus den Verhandlungen ausgestiegen und nicht mehr zurückgekommen ist. Zugleich richtet sich das RCEP-Ziel einer ökonomischen Integration Asiens gegen das US-Vorhaben einer wirtschaftlichen Entkoppelung von China.

Die Führung in Peking profitiert auch davon, dass die USA unter Präsident Donald Trump vor knapp vier Jahren einen gegen China gerichteten Asien-Handelsvertrag – die Trans-Pazifische Partnerschaft (TPP) – aufgegeben haben. Trumps Vorgänger Barack Obama hatte dieses Handelsbündnis von 12 Pazifikanrainerstaaten vorangetrieben, um China in Asien zu isolieren und Druck auf Peking auszuüben, westliche Wirtschaftsstandards zu akzeptieren. Zwar wurde der TPP-Vertrag unter Führung von Japan und Australien als „Umfassende und fortschrittliche Vereinbarung für eine Trans-Pazifische Partnerschaft“ (CPTPP) in reduzierter Form gerettet. Aber ohne die USA vertreten ihre elf Länder mit 480 Millionen Bewohnern nur 13 Prozent der Weltwirtschaft, und sieben CPTPP-Länder nehmen auch an dem neuen Asienpakt teil.

Chinas Ministerpräsident Li Keqiang und Handelsminister Zhong Shan (r.) bei der Unterzeichnung von RCEPBild: Nhac NGUYEN/AFP

Handelsabkommen ohne Ehrgeiz

Die RCEP passt China auch, weil es sein Wirtschaftssystem nicht ändern muss. Der Vertrag konzentriert sich nach klassischem Muster auf Zölle und baut 90 Prozent der asienweiten Schutztarife ab. Aber die Landwirtschaft blieb weitgehend außen vor, Dienstleistungen sind kaum abgedeckt, der grenzüberschreitende Austausch von Daten bleibt ungeregelt. Auch der Schutz des geistigen Eigentums und die Stärkung des Wettbewerbs bei staatlichen Ausschreibungen bleiben hinter dem ursprünglichen TPP-Vertrag zurück. Allerdings erklären sich die Mängel nicht nur aus den Interessen von China, sondern hängen auch mit starken ökonomischen Unterschieden zwischen armen und reichen Teilnehmerländern zusammen.

Ein wenig beachtetes RCEP-Merkmal ist, dass Japan mit an Bord ist. Schließlich stemmt sich die Inselnation seit Jahren gegen Chinas Hegemonie in Asien und gehörte daher zu den treibenden Kräften für die Trans-Pazifische Partnerschaft. Doch eine Beteiligung an RCEP liegt auch im japanischen Interesse. „Tokio handelt aus der Erkenntnis heraus, dass man die Gestaltung der regionalen Handelsordnung nicht China überlassen will“, meint der Politikwissenschaftler Maslow, der an der Frauenuniversität im japanischen Sendai unterrichtet. Zudem sende Japan mit der RCEP-Unterstützung ein Signal an den kommenden US-Präsidenten Joe Biden, sich aktiv an der Gestaltung der Ordnung in Asien zu beteiligen. Bisher sieht es jedoch nicht danach aus, als ob Biden zu dem von Trump abgelehnten TPP-Vertrag zurückkehren wird. Ein Grund dafür könnte sein, dass die erforderliche Zustimmung des Kongresses nicht sicher ist. 

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