1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Weltklimarat: 1,5-Grad-Ziel noch möglich

8. Oktober 2018

Kann die Erderwärmung auf 1,5 Grad begrenzt werden? Wie wäre das möglich? Welche Vorteile hätte das? Diesen Fragen ging der Weltklimarat (IPCC) im Auftrag der Regierungen nach und stellte jetzt seinen Sonderbericht vor.

Deutschland Umweltaktivisten im Hambacher Forst
Bild: picture-alliance/dpa/I. Fassbender

Vor allem durch den Ausstoß von CO2 hat sich die Erdtemperatur seit Beginn der Industrialisierung (circa 1870) um rund ein Grad erwärmt; die Folgen sind bereits heute sichtbar, so jedenfalls lautet eine Kernaussage des aktuellen Sonderberichts zur globalen Erwärmung, der jetzt in Südkorea vorgestellt wurde.

"Wir sehen bereits die Auswirkungen von einem Grad globaler Erwärmung durch extremeres Wetter, steigenden Meeresspiegel und abnehmendes arktisches Meereis", sagte Panmao Zhai, Co-Vorsitzender des Weltklimarates (IPCC), bei der Vorstellung in Incheon.

Der Bericht wurde weltweit mit großer Spannung erwartet. 195 Staaten haben das Pariser Klimaabkommen unterzeichnet. Das Abkommen sieht vor, dass der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter auf deutlich unter zwei Grad begrenzt werden soll, möglichst auf 1,5 Grad.

91 Wissenschaftler aus 40 Ländern gingen in dem Sonderbericht jetzt der Frage nach, wie das vereinbarte 1,5 Grad-Ziel noch zu erreichen ist und welche Bedeutung der Unterschied zwischen 1,5 und zwei Grad für die Menschheit überhaupt hat.

Die Wissenschaftler werteten dafür alle verfügbaren Studien aus und bewerteten diese in einem strengen wissenschaftlichen Verfahren. 42.001 Kommentare von fast tausend Begutachtern flossen in die Bewertung ein. Der nun auch von 195 Staaten gebilligte UN-Bericht hat somit ein besonderes Gewicht.

Extremwetter werden mit zunehmender Erderwärmung immer mehr Menschen treffen. Bild: picture alliance/dpa/AP Photo

Jedes Zehntel Grad zählt 

Der Bericht hebt eine Reihe von Schäden und Katastrophen hervor, die durch die Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad vermieden werden könnten.

So wäre zum Beispiel der Anstieg des globalen Meeresspiegels bis zum Jahr 2100 bei einer globalen Erwärmung von 1,5 Grad im Vergleich zu zwei Grad um 10 cm niedriger und die Wahrscheinlichkeit eines meereisfreien Arktischen Ozeans im Sommer läge dann bei einmal pro Jahrhundert. Bei einer globalen Erwärmung von zwei Grad gäbe es dagegen dann einen meereisfreien Arktischen Ozean schon mindestens einmal pro Dekade. Darüber hinaus wären alle Korallenriffe der Welt bei einer Zwei-Grad-Erwärmung verloren.

"Jede zusätzliche Erwärmung ist wichtig. Das Risiko von lang anhaltenden oder irreversiblen Veränderungen steigt vor allem über 1,5 Grad, wie der Verlust einiger Ökosysteme", sagt Mitautor Hans-Otto Pörtner vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung.

Die Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad würde negative Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und das Wohlergehen verringern und dem Ökosystem mehr Spielraum zur Anpassung geben. Zu den beträchtlichen Risiken zählen laut Bericht Extremwetter mit Hochwasser, Stürmen, Dürren, Hitzewellen, Überschwemmungen an Küsten und der Verlust von Fischfang und Ernteerträgen.

Für das 1,5-Grad-Ziel ist das CO2-Budget schon fast aufgebraucht. Die Welt muss entscheiden wohin die Zukunft geht.

1,5 Grad nur mit erheblichen Veränderungen erreichbar

Laut Bericht ist die Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad machbar. "Nach den Gesetzen der Chemie und Physik ist dies möglich", sagt Mitautorin Jim Skea. Dies würde aber beispiellose Änderungen erfordern, "schnelle und weitreichende" Veränderungen in allen Lebensbereichen, lautet ein Fazit im IPCC-Bericht.

"Die gute Nachricht ist, dass einige notwendige Maßnahmen bereits auf der ganzen Welt im Gange sind. Diese müssten aber beschleunigt werden", betont Mitautorin Valerie Masson-Delmotte, Expertin für Klimaphysik.

Die vom Menschen verursachten CO2-Emissionen müssten für dieses Ziel bis 2030 um etwa 45 Prozent gegenüber dem Stand von 2010 gesenkt werden und bis zum Jahr 2050 in der Summe auf Null. Das bedeutet zugleich, dass alle Emissionen darüber durch Techniken der CO2-Entfernung kompensiert werden müssten.

Szenario: Durch zu spätes Handeln muss CO2 in Zukunft wieder aus der Atmosphäre entzogen werden. Eine riskante Option.

Schnelle Veränderung hilft Zukunft

"Dieser Bericht bietet politischen Entscheidungsträgern und Praktikern die Informationen. Dies ist nötig, um die Bedürfnisse der Menschen zu berücksichtigen. Die nächsten Jahre sind wahrscheinlich die wichtigsten in unserer Geschichte", sagt Debra Roberts, eine weitere Autorin des Berichts.

Der IPCC-Sonderreport zeigt mit vier Szenarien auf wie eine Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad überhaupt möglich ist. Alle Szenarien gehen von einem schnellen Kohleausstieg aus, eine starke Reduktion von Öl und Gas und einem kräftigen Ausbau der Erneuerbaren Energien.
Um das 1,5 Grad-Ziel nicht zu verfehlen, erachten alle vier Szenarien die CO2-Entfernung als notwendig. Eins davon rechnet mit globaler Energieeinsparung, setzt auf eine klimafreundliche Landnutzung und Maßnahmen der Wiederaufforstung zur CO2-Reduktion. Die anderen drei Szenarien rechnen auch mit großtechnisch noch unerprobten, riskanten und umstrittenen Technologien der CO2-Abscheidung aus der Atmosphäre.

Keine Zeit für Verzögerung 

Klimawissenschaftler aus der ganzen Welt loben den Bericht und betonen zugleich die Dringlichkeit zum Handeln. "Bei aller wissenschaftlichen Komplexität ist eines klar: Wir haben nur ein Jahrzehnt, um die CO2-Wende zu schaffen und die Menschen noch vor den größten Risiken des Klimawandels zu schützen", sagt Johan Rockström, designierter Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) und Vorsitzender der Earth League.

"Besser als je zuvor wissen wir mit diesem Bericht, was bereits bei einer Erwärmung von nur 1,5 Grad Celsius auf dem Spiel steht. Doch was die Politik gegenwärtig an Maßnahmen auf den Tisch legt, reicht bislang nicht einmal zur Einhaltung der Zwei-Grad-Grenze von Paris. Wir sind auf dem Weg Richtung 4 Grad bis Ende des Jahrhunderts, wenn wir jetzt nicht handeln", so Rockström.

Niklas Höhne vom NewClimate Institute, Professor für Klimaschutz in den Niederlanden, hält die Begrenzung auf 1,5 Grad für "technisch und ökonomisch machbar". Richtig umgesetzt könne sie zudem zur nachhaltigen Entwicklung weltweit beitragen.

"Das 1,5 Grad-Ziel einzuhalten ist extrem schwer, aber nicht unmöglich. Der Bericht zeigt die enormen Anstrengungen, die für das 1,5-Grad-Ziel nötig sind. Fast alle Bereiche des Lebens müssen umgekrempelt werden: Wie wir wohnen, essen, uns fortbewegen, was wir konsumieren. Technische Lösungen alleine werden nicht ausreichen, wir müssen unser Verhalten ändern. Und dazu noch muss Entwicklungsländern geholfen werden, diese rasante Transformation zu vollziehen."

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen

Mehr zum Thema

Weitere Beiträge anzeigen
Den nächsten Abschnitt Top-Thema überspringen

Top-Thema

Den nächsten Abschnitt Weitere Themen überspringen