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Kriegsopfer Kulturerbe

Jan-Philipp Scholz24. August 2016

Die Menschen im malischen Timbuktu zeigen sich zufrieden, dass der Hauptverantwortliche für die kulturelle Zerstörung ihrer Stadt vor Gericht steht. Doch einigen geht der Prozess in Den Haag nicht weit genug.

Zerstörtes Mausoleum in Timbuktu (Foto: Picture alliance/AP)
Bild: picture-alliance/AP Photo/B. Ahmed

Sie kamen mit Hämmern und Hacken und ließen kein Stein auf dem anderen: Vor vier Jahren überfiel eine Gruppe von islamistischen Milizen die sagenumwobene Wüstenstadt Timbuktu im Norden Malis. In ihrer Zerstörungswut zertrümmerten sie zahlreiche Mausoleen. Auch die Heilige Tür der berühmten Sidi Yahia-Moschee fiel den Dschihadisten zum Opfer. "Diese Bauten sind in unserer Religion nicht akzeptabel", so begründete das ein Sprecher von Ansar Dine, einer der vielen westafrikanischen Terrorgruppen, in den malischen Medien.

"Timbuktu war damals komplett verwüstet. Kinder im Alter von 15 Jahren waren mit Kalaschinkows auf den Straßen unterwegs", erinnert sich Bürgermeister Halle Ousman im Interview mit der DW.

Nicht nur Terror gegen Steine

Knapp ein Jahr später wurde die Stadt von einem Bündnis aus französischen, malischen und anderen afrikanischen Truppen befreit. Seit diesem Montag muss sich einer der mutmaßlichen Anführer des islamistischen Überfalls auf Timbuktu vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag verantworten. Ein Novum, denn noch nie wurde in dem 1998 geschaffenen Gericht einem Angeklagten wegen der Zerstörung von Weltkulturerbe der Prozess macht. Eine weitere Neuheit ist, dass ein Angeklagter ein umfassendes Schuldbekenntnis ablegt. Er bitte die Menschen in Mali und auf der ganzen Welt um Vergebung, so Ahmad Al Faqui Al Mahdi.

Der Angeklagte Ahamd Al Faqui Al Mahdi bittet die Weltgemeinschaft um VergebungBild: picture-alliance/dpa/P.Post

In Timbuktu sind viele Einwohner zufrieden, dass sich einer der mutmaßlichen Anführer der Zerstörungsbande vor Gericht verantworten muss. Sie hätten bereits ungeduldig auf den Prozess gewartet, erzählt einer der Bewohner der DW. "Wir wollen, dass Recht gesprochen wird, damit so etwas nie wieder vorkommt." Auch die Präsidentin der Deutschen UNESCO-Kommission, Verena Metze-Mangold, sieht den Prozess als wichtiges Signal. "Terror gegen solche Stätten ist nicht nur Terror gegen Steine, er zielt auf ihre Symbolkraft." Gerade von den Menschen in Timbuktu wisse man, wie eng sie mit ihrem kulturellen Erbe verbunden sein. "Als die Stadt besetzt war, sind sie nachts unter Lebensgefahr zu ihren Mausoleen gegangen", so Metze-Mangold im Gespräch mit der DW.

Timbuktu als politischer Weckruf

In vielen Weltregionen gebe es eine zunehmende Bedrohung des Weltkulturerbes - insbesondere durch Terroristen, warnt die deutsche UNESCO-Chefin. "Der sogenannte Islamische Staat hat sich mit 30 weiteren Terrororganisationen verbündet, die die zivilisierte Welt mit ihrer Ideologie überziehen wollen", so Metze-Mangold. 55 Orte stehen momentan auf der UNESCO-Liste des gefährdeten Welterbes. Allein 22 davon liegen auf dem afrikanischen Kontinent.

Genugtuung über Anklage gegen Al Mahdi

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Neben Mali sind in Afrika vor allem Welterbestätten in der Demokratischen Republik Kongo und in Nigeria durch bewaffnete Konflikte und Terrorangriffe bedroht. So liegt die Kulturlandschaft Sukur, deren Anfänge bis in die Eisenzeit zurückgehen und die 1999 zum Weltkulturerbe erklärt wurde, im Einflussgebiet der Terrorgruppe Boko Haram in Nordostnigeria.

Im vergangenen Jahr hat auch der UN-Sicherheitsrat auf diese wachsende Bedrohung reagiert und in einer Resolution Kulturzerstörung einhellig als Kriegsverbrechen verurteilt. "Die Welt ist sich einig", so Metze Mangold. Der aktuelle Prozess in Den Haag sei der beste Beweis hierfür.

Kulturstätten wichtiger als Menschenleben?

Doch es gibt auch Kritik an dem Gerichtsverfahren. Denn die Anklage beinhaltet nur die Zerstörung des Welterbes. Die Verbrechen, die die Islamisten in Timbuktu verübten - Plünderungen, Massenvergewaltigungen, Folter - gehen aber weit darüber hinaus. "Wir würden gerne sehen, dass auch solche Verbrechen von der Chefanklägerin des Internationalen Gerichtshofs untersucht werden", so der malische Menschenrechtsanwalt Bakary Camara.

Die von Islamisten im Zentrum Timbuktus zerstörte Moschee konnte inzwischen wieder aufgebaut werdenBild: picture-alliance/dpa/E.Schneider

Am 27. September soll das Urteil gegen den Islamisten-Anführer Al Mahdi gefällt werden. Die meisten Einwohner in Timbuktu gehen fest von einer Verurteilung aus. Noch wichtiger ist ihnen allerdings die Restauration ihrer zerstörten Kulturstätten. Mit Mitteln aus einem Sonderfonds der UNESCO konnten sie bereits vierzehn Mausoleen weitgehend wiederaufbauen.

Mitarbeit: Baba Ahmed (Timbuktu)