Weltmeister Gattuso unter Verdacht
17. Dezember 2013
Die Carabinieri waren mal wieder auf Fußballer-Fang. In der Nacht auf Dienstag (17.12.2013) verhafteten sie bei einer Razzia vier Verdächtige und durchsuchten zahlreiche Häuser von Personen, die Fußballspiele manipuliert haben sollen. Auch die Wohnungen von zwei prominenten Ex-Profis wurden durchsucht: von Gennaro Gattuso, Weltmeister von 2006, und von Christian Brocchi, einst Champions-League-Sieger mit dem AC Mailand.
Im Zentrum der Affäre stehen allerdings zwei Männer, die bislang in den Akten als "Mr. X" und "Mr. Y" auftauchten und als Schlüsselfiguren im Betrugsnetzwerk gelten. Beim ominösen "Mr. Y." stieß die Polizei auf zahlreiche telefonische Kontakte mit Gattuso und Brocchi, ausgerechnet kurz vor jeweils verdächtigen Spielen ihrer damaligen Arbeitgeber AC Mailand und Lazio Rom. Es handelt sich um vier Milan-Spiele und drei von Lazio aus der Saison 2010/11, darunter auch das direkte Aufeinandertreffen beider Vereine. "Mr. Y" soll nach Berichten italienischer Medien sogar auf dem Trainingsgelände des AC Mailand Kontakt mit Gattuso aufgenommen haben.
Gattuso will abwarten
Gattuso, der nach seiner aktiven Laufbahn als Trainer in der Schweiz und - wenig erfolgreich - beim Serie-A-Absteiger USC Palermo arbeitete, ließ über seinen Agenten jegliche Schuld abstreiten. "Rino fällt aus allen Wolken. In diesem Moment können wir keinen Kommentar abgeben. Wir wollen erst verstehen, was los ist", teilte Andrea D'Amico im Namen seines Klienten mit. Er bat darum, die Ermittlungen abzuwarten und wies darauf hin, dass in der Vergangenheit einige Personen, die ursprünglich im Rahmen der Ermittlungen genannt wurden, später wieder von der Liste der Verdächtigen gestrichen worden seien. Am Rande der Pressekonferenz machte auch Staatsanwalt Roberto Di Martino deutlich, dass das Ausmaß der direkten Verantwortung Gattusos noch nicht bekannt sei. "Um das zu erkennen, haben wir die Hausdurchsuchung veranlasst", sagte Di Martino.
"Bruder" war Geschäftspartner
Dennoch sieht es nicht gut aus für Gattuso. Er war bereits in früheren Jahren in Verbindung mit dem Betrugsskandal gebracht worden. Der geständige Wettpate Wilson Raj Perumal aus Singapur hatte 2011 der finnischen Polizei von einem "Bruder Gattusos" erzählt, der zwischen der Wettmafia und Fußballern vermittelt habe. Gattuso wies den Vorwurf damals mit dem Hinweis zurück, er habe gar keinen Bruder. Jetzt wurde dieser vermeintliche Bruder als Salvatore Pipieri identifiziert, ein Geschäftspartner Gattusos, der wie der Fußballer aus Kalabrien stammt. Pipieri betreibt ein Sportartikelgeschäft, das mit dem Namen Gattusos wirbt, und ist auch in dessen Fußballschule tätig. Dem Weltmeister von 2006 ist trotz der verdächtigen Personen in seinem Umfeld aber nur etwas vorzuwerfen, wenn er tatsächlich Einfluss auf den Ausgang von Spielen genommen hat. Diese Beweise stehen bislang noch aus.
Vier Erstliga-Spiele manipuliert
Fast noch erschreckender als diese Aufarbeitung der Saison 2010/11 sind die Erkenntnisse zur letzten Spielzeit. Bei insgesamt 53 Spielen hat die Staatsanwaltschaft Indizien, dass es dort nicht mit rechten Dingen zuging. Darunter befinden sich auch vier Serie-A-Spiele vom vergangenen April und Mai: Pescara gegen Siena (2:3), Palermo gegen Bologna (1:1), Palermo gegen Inter Mailand (1:0) und Parma-Bergamo (2:0).
Staatsanwalt Di Martino zeigte sich ernüchtert darüber, dass trotz insgesamt 54 Verhaftungen und Ermittlungen gegen mehr als 120 Personen in den vergangenen drei Jahren die Dinge offenbar weitergingen wie gehabt: "Man muss klar sehen, dass ein großer Teil dieser Leute die Aktivitäten einfach fortsetzt." Auch gegen zwei noch aktive Profis - Fabrizio Grillo vom AC Siena und Claudio Terzi von US Palermo - wird derzeit ermittelt. Terzi war bereits wegen seiner Beteiligung an Spielabsprachen bei seinem früheren Klub AC Siena zu einer siebenmonatigen Sperre verurteilt worden. Sein Beispiel zeigt, dass die Sanktionen offenbar nicht abschreckend wirken.
Gutes Omen für die WM?
Die italienischen Fans werden die jüngsten Verhaftungen möglicherweise mit einem Augenzwinkern quittieren, steht doch die WM 2014 in Brasilien vor der Tür. 2006 erschütterte ein Schiedsrichter-Bestechungsskandal den italienischen Fußball, das Nationalteam wurde anschließend Weltmeister. Vor der EM 2012 wurde wegen Manipulationsverdacht auch gegen einige Nationalspieler ermittelt, die Squadra Azzurra stürmte anschließend bis ins Spanien ist EuropameisterFinale. "Wir sind immer gut, wenn wir unter Druck stehen", meinte damals Torwartlegende Gian Luigi Buffon.