Weltrangliste beim Klimaschutz
10. Dezember 2019Um es vorweg zu nehmen, einen Sieger beim Klimaschutz gibt es nicht. Zumindest so lange die bewerteten Länder unter den Zielen des Pariser Klimaabkommens bleiben, den globalen Temperaturanstieg auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen.
Forscher sind sich weitestgehend einig, dass es, Stand heute, im Vergleich zu vorindustriellen Zeiten bis zum Ende dieses Jahrhunderts etwa drei Grad wärmer sein wird. Es sei denn, der menschengemachte CO2-Ausstoß wird schnell und drastisch reduziert. Genau danach sieht es aber aktuell nicht aus. Zu dem Schluss kommen zumindest die Autoren des Klimaschutz-Index der heute vom NewClimate Institute, der NGO Germanwatch und dem Climate Action Network vorgestellt wird.
"Der Klimaschutz Index hat die Tradition, die ersten drei Plätze frei zu lassen. Und sie sind dieses Jahr wieder frei, weil kein Land wirklich so viel Klimaschutz betreibt, um mit dem Klimaabkommen kompatibel zu sein", sagt Professor Niklas Höhne, einer der Autoren.
Schweden vorne, Schlusslicht USA
Das Ranking analysiert und vergleicht, wie sich 57 Länder und die EU als Staatengemeinschaft beim Klimaschutz entwickeln. Zusammen sind sie für mehr als 90 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich.
Je mehr Fortschritte ein Land macht, um das Zwei-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens zu erreichen, umso besser wird es bewertet. Vier Kategorien stehen im Mittelpunkt: Die Treibhausgasemissionen, der Anteil erneuerbarer Energien, der Energieverbrauch pro Kopf sowie die aktuelle Klimapolitik und die Pläne für die kommenden Jahre.
Da das Siegertreppchen beim Klimaschutz leer bleibt, wird die Tabelle von Schweden auf Platz vier angeführt. Den ersten Platz hinter den Medaillienrängen haben dem Land sein Ziel, bis 2040 zu 100 Prozent auf erneuerbare Energien umzustellen, sowie die mit 114 Euro pro Tonne höchste CO2-Steuer weltweit eingebracht - zum wiederholten Male. Zum Vergleich: Deutschland plant ab 2021 eine CO2-Steuer von 10 Euro einzuführen. Auf Schweden folgen Dänemark und Marokko auf Platz fünf und sechs. Deutschland belegt nur den 23. Platz. In Europa sticht Polen als schlechtestes Land auf Platz 50 hervor. China hat sich auf Platz 30 verbessert.
Gäbe es so etwas wie eine zweite Liga beim Klimaschutz, würden die USA als größte Volkswirtschaft der Welt spätestens dieses Jahr dorthin abrutschen. 2018 schon auf den Abstiegsrängen, sind die USA dieses Jahr nun das Schlusslicht der Tabelle. "Dort wird Klimapolitik rückwärts gemacht", sagt Niklas Höhne. Verantwortlich dafür sei vor allem der Kurs von Präsident Donald Trump. Der hatte im November angekündigt, im kommenden Jahr aus dem Pariser Klimaabkommen auszusteigen.
Außerdem habe das Land immer noch einen Energieverbrauch pro Kopf, der mehr als doppelt so hoch sei wie in Europa und rund zehn Mal so hoch wie in Indien. "Das ist keine gute Situation", so Höhne.
"Zarte Bewegungen in die richtige Richtung"
Mehr als die Hälfte der Länder "hat insgesamt rückläufige Emissionen, dazu gehören vor allem kleinere Industrie- und Entwicklungsländer. Das ist ein positiver Aspekt und lässt uns auf eine Trendwende hoffen", sagt Ursula Hagen, Co-Autorin des Berichts.
"Wir sehen zarte Bewegungen in die richtige Richtung", ergänzt Niklas Höhne. Die größten Industrienationen der Welt, die G20, aber "sind leider noch sehr schlecht. Mehr als die Hälfte der G20 liegt in der unteren Hälfte unseres Index'."
Marokko erstaunlich weit vorne
Zweitplatzierter Star der Klimaschutz-Weltrangliste ist das kleine Land Dänemark. Insgesamt auf Platz fünf, hat es vor allem im Bereich Klimapolitik viele Punkte gesammelt. Dänemark hat das Ziel, 70 Prozent seiner CO2-Emissionen bis 2030 zu reduzieren. Damit ist Dänemark Weltspitze. Bis 2030 will man zudem aus der Kohleenergie aussteigen.
Auch das nordafrikanische Marokko spielt beim Klimaschutz ganz vorne mit. Als eines von wenigen Ländern weltweit habe es schon 2015 damit begonnen, Subventionen für fossile Energieträger teilweise zurückzufahren, heißt es im Bericht. Außerdem werden der geringe Energieverbrauch und die ambitionierten Ziele zum Ausbau erneuerbarer Energien hervorgehoben (52 Prozent bis 2030).
Ehrgeiziges Indien
Indien ist in diesem Jahr zum ersten Mal in den "Top 10". Guten Noten bekommt Indien, weil es einen vergleichsweise geringen Energieverbrauch pro Kopf hat und, anders als die USA und die europäischen Länder, wenig Treibhausgase ausstößt. Außerdem investiert das Land kräftig in erneuerbare Energien. Bis 2030 soll der Anteil auf über 40 Prozent steigen. "Das finde ich äußerst erstaunlich für ein Land in diesem Entwicklungszustand", sagt Höhne.
Abzüge gibt es, weil Indien gleichzeitig plant, seinen steigenden Energiebedarf mit dem Bau mehrerer Kohlekraftwerke zu decken. "Da sehe ich die Weltgemeinschaft in der Verantwortung, Indien zu helfen, dass diese nicht realisiert werden, sondern mit Alternativen Strom erzeugt wird."
Guter Platz dank Wasserkraft für Brasilien
Mit über 70 Prozent Wasserkraft im Strommix ist Brasilien Weltspitze in dieser Kategorie. "Die Experten sind dennoch besorgt über die hohen Abholzungsraten - die höchsten in den vergangen zehn Jahren." Auch die Waldbrände im Amazonas seien Anlass zur Sorge, besonders vor dem Hintergrund, dass die Regierung unter Präsident Bolsonaro das Budget der Umweltbehörde für die Brandbekämpfung gekürzt hat, heißt es im Bericht.
Außerdem sehen die Wissenschaftler kaum Strategien und Pläne, wie das Land langfristig seine Emissionen reduzieren will. In der Kategorie "Klimapolitik" landet Brasilien dieses Mal unter den letzten zehn.
Meinen es Deutschland und die EU ernst?
Der Bericht lobt die neue EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die die EU dazu aufgerufen hat, die Ziele zur Senkung der EU-Emissionen bis 2030 von 40 Prozent auf 55 Prozent anzuheben. "Diese Ziele sind der Grund, warum wir der EU eine gute Bewertung beim Punkt Klimapolitik gegeben haben", sagt Ursula Hagen. "Das muss jetzt, genauso wie das Ziel, bis 2050 klimaneutral zu sein, mit konkreten Maßnahmen gefüllt werden. Da gibt es bisher noch wenige bis gar keine Strategien." Derzeit würde die EU die Pariser Klimaziele nicht erreichen.
Auch die deutsche Klimapolitik sei nicht "Paris-kompatibel" und "mutlos", so Hagen. Deutschland hat sich zwar insgesamt leicht verbessert. Trotzdem liegt es weiterhin deutlich hinter den Zielen des Abkommens. "Das deutsche Klimapaket ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber viel zu klein. Wir brauchen hier ein klares Bekenntnis zur Klimaneutralität", ergänzt Niklas Höhne.
Bis dahin bleibt auch Deutschland nur Mittelmaß und, wie alle Länder im Ranking, vom "Klimaschutz-Siegertreppchen" deutlich entfernt.