Welttierschutztag: Wie wichtig ist Tierschutz der Regierung?
3. Oktober 2025
13.000 Euro. Kein Schnäppchen, aber offenbar ein marktüblicher Preis für einen Weißhandgibbon, der eigentlich im tropischen Regenwald Südostasiens zu Hause ist und als stark gefährdet gilt. Auf einem Parkplatz eines Supermarktes im süddeutschen Pforzheim sollte die Übergabe von "Jimmy" stattfinden. Über Monate war das Äffchen mit einer Windel in einem kleinen Zwinger gehalten worden. Die potenzielle Käuferin aber entpuppte sich als Tierschützerin Jana Hoger von der Tierrechtsorganisation PETA - statt eines Geldregens wartete die Polizei auf den Händler.
Hoger sieht ein großes gesetzliches Problem: "Wir haben einen riesengroßen Schwarzmarkt, was den Handel mit streng geschützten Tieren betrifft. Mit WhatsApp-Gruppen für exotische Tiere, in denen der Handel einfach ganz offen durchgespielt wird. Mit Exotenbörsen, wo teilweise auch in ihren Herkunftsländern streng geschützte Tiere völlig legal verkauft werden können - weil sie hier in Deutschland keinen Schutzstatus haben und aus ihren Herkunftsländern irgendwann einmal illegal ausgeführt worden sind."
Online-Tierhandel mit Hunden, Katzen und exotischen Tieren floriert
Am 4. Oktober ist Welttierschutztag. Deutschland feiert 2025 ein besonderes Jubiläum, denn hierzulande wird der Tag zum Schutz der Tiere seit genau 100 Jahren begangen. Daher rücken Fälle wie der des kleinen Gibbons, der wegen der Haltung lange unter massiven Verhaltensstörungen litt, besonders in den Fokus. Der illegale Handel mit Affen, Schlangen oder Echsen ist allerdings nur die eine Seite.
Denn auch die Nachfrage nach den liebsten Haustieren der Deutschen ist riesig - knapp 16 Millionen Katzen und 10,5 Millionen Hunde haben hierzulande ihr Zuhause. "Wir haben etwa 17.000 bis 20.000 Welpen in Deutschland, die monatlich auf Online-Plattformen angeboten werden. Händler und Kriminelle wittern da ein riesiges Geschäft, lassen diese Tiere in Osteuropa und in anderen Ländern oftmals unter schlimmsten Bedingungen produzieren und dann hierherbringen." Papiere und Dokumente würden immer häufiger gefälscht, sagt Hoger der DW. Der illegale Handel falle einem Laien oft gar nicht auf.
Silvia Breher ist neue deutsche Tierschutzbeauftragte
Viel zu tun also für die neue Beauftragte der Bundesregierung für Tierschutz Silvia Breher, die im September ihr Amt angetreten hat. Sie sieht beim Tierschutz eine besondere Verantwortung, 2002 wurde dieser mit einer Verfassungsänderung sogar im Grundgesetz verankert. Breher schreibt auf Anfrage der DW: "Für den Schutz unserer Heimtiere braucht es das längst überfällige Verbot des Handels mit Tieren im öffentlichen Raum und des anonymen Online-Handels."
Weiter fordert sie: "Besonders drängend im landwirtschaftlichen Bereich sind die Einführung einer verpflichtenden Videoüberwachung in Schlachthöfen und der tierschutzgerechte Umbau von Ställen. Ich unterstütze die Arbeit an Gesetzesänderungen, die genau diese Themen voranbringen. Außerdem müssen wir dringend unsere Tierheime entlasten."
Tierheime in Deutschland am Limit
Etwa 1400 Tierheime gibt es in Deutschland, viele von ihnen sind spätestens seit der Corona-Pandemie hoffnungslos überfüllt. Mit 80 Millionen Euro wollte die neue Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD die Tierheime unterstützen, so hieß es in den Arbeitsgruppenpapieren bei den Koalitionsverhandlungen, also 20 Millionen Euro pro Jahr. Doch der Druck auf die Politik zu sparen macht anscheinend auch beim Tierschutz nicht halt: Im Haushalt 2025 sei kein einziger Euro für die Tierheime eingeplant, kritisiert Lea Schmitz, Pressesprecherin beim Deutschen Tierschutzbund, gegenüber der DW:
"Dabei war dies fast der einzige Lichtblick für uns - ein wichtiges Zugeständnis, dass man anerkennt, was die Tierheime leisten und dass es Unterstützungsbedarf gibt." Die Tierheime seien am Limit und bräuchten dringend Gelder. "Sie können gar nicht mehr alle Tiere unterbringen, deren Besitzer sie dort abgeben wollen. Sie müssen also auch Tiere abweisen und Aufnahmestopps verhängen. Dass es so weit gekommen ist, ist fatal, da es keine andere Anlaufstelle gibt, wo diese Tiere hinkönnten."
Kritik an Landwirtschaftsminister Alois Rainer
Viele Tierschutzorganisationen fürchten, dass Deutschland die Uhren beim Tierschutz - ähnlich wie in der Klimaschutzpolitik - wieder zurückdreht. Sie werfen dem neuen Landwirtschaftsminister Alois Rainer, in dessen Ministerium auch der Schutz der Tiere angesiedelt ist, Untätigkeit vor. Der gelernte Metzger und CSU-Politiker sorgte jüngst mit seiner Äußerung für Aufsehen, der Klimaschutz habe nichts mit dem Fleischkonsum zu tun. Aber auch die Personalie Breher stößt auf Kritik, obwohl sie das Amt gerade erst angetreten hat.
"Silvia Breher ist auch parlamentarische Staatssekretärin, die den Bundesminister direkt vertritt. Sie ist nicht unabhängig, was das Amt der Bundestierschutzbeauftragten ja eigentlich sein sollte. Sie sitzt für die CDU im Bundestag, stimmt also selbst über die Gesetze mit ab, die sie als Tierschutzbeauftragte kommentieren oder bewerten soll", so Schmitz.
Forderung: Das Staatsziel Tierschutz mit Leben füllen
Als erstes Land weltweit hatte Deutschland am 1. Januar 2022 das Töten männlicher Eintagsküken verboten, was von Tierschutzorganisationen vorangetrieben und gefeiert wurde. Jetzt müsse man nachlegen, um das Staatsziel Tierschutz mit Leben zu füllen, fordern die Tierschutzorganisationen: zum Beispiel mit einer Kastrationspflicht für Katzen mit Freigang, einem Verbot von Tiertransporten in Drittstaaten oder auch einer massiven Reduktion von Tierversuchen.
Julia Weibel, Fachreferentin für Tiere in der Ernährungsindustrie bei PETA, geht noch einen Schritt weiter. Sie fordert ein grundsätzliches Umdenken angesichts der Zustände in manchen deutschen Ställen bei bestimmten Tierzüchtungen: "Holstein Friesian-Kühe sind mittlerweile so gezüchtet, dass alle Energie in ihre Euter fließt und der ganze restliche Körper völlig ausgemergelt ist. Ferkel legen am Tag mindestens 500 Gramm Körpergewicht zu, ihnen wurden extra Rippenbögen angezüchtet, damit sie mehr Fleisch ansetzen. Und Hühner wachsen in einer Geschwindigkeit, die fernab von Normalität ist und allem, was gesund ist."
Umbau auf ökologische Landwirtschaft stockt
Deutschland hat sich zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2030 einen Anteil von 30 Prozent ökologisch bewirtschafteter Fläche zu erreichen, Ende 2024 hinkt man mit gerade einmal 11,5 Prozent deutlich hinterher.
Ziel beim Umgang mit Nutztieren ist eine artgerechte Haltung mit mehr Platz für die Tiere im Stall und auf der Weide, sowie genügend Auslauf. Mit dem Förderprogramm "Umbau der Tierhaltung" wollte Rainers Vorgänger Cem Özdemir von den Grünen die Entwicklung zu tierfreundlicheren Ställen unterstützen. Der neue Agrarminister lässt die Förderung jedoch nun auslaufen.
"Wenn man wirklich für künftige Generationen wirtschaften würde, dann müsste man dafür sorgen, dass Tierbestände zumindest reduziert werden", sagt Weibel. Sie ergänzt: "Dass - wie auch der wissenschaftliche Beirat im Agrarministerium gerade gefordert hat, - alternative Produkte zu Fleisch- und Milchprodukten weniger besteuert werden müssten und bessere Markt- und Zugangschancen brauchen, damit unsere Ernährung nachhaltiger wird."