Welttoilettentag 2024: Die Geschichte des stillen Örtchens
Bettina Baumann
18. November 2024
Aufs Klo muss jeder. Doch darüber reden - das macht kaum jemand gern. Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass der Toilettengang nicht immer ein Tabuthema war.
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Was oben reinkommt, muss unten auch irgendwann wieder raus. Zumindest ein Teil davon. Dieser physiologische Vorgang läuft bei jedem Menschen auf der Welt ab. Wir alle müssen früher oder später das Klo aufsuchen - oder eben das, was gerade da ist.
Denn während für die meisten Menschen in Deutschland das eigene WC selbstverständlich ist, sieht es weltweit anders aus: Den Vereinten Nationen zufolge leben 3,5 Milliarden Menschen ohne angemessene Sanitärversorgung. Millionen von Menschen erledigen ihr Geschäft im Freien. Krankheiten breiten sich leichter aus und Trinkwasser wird verunreinigt. Hunderttausende sterben jährlich daran. Die UN sprechen daher von einer weltweiten Hygienekrise, auf die mit dem Welttoilettentag am 19. November aufmerksam gemacht werden soll.
Eine kleine Geschichte der Toilette
Jeder muss mal aufs Klo, aber kaum einer redet darüber. Hier sind die ungewöhnlichsten stillen Örtchen rund um den Globus.
Bild: AP Photo/picture alliance
Neuer Fund in Jerusalem: antike Privattoilette
Dieses stille Örtchen sei Teil eines prächtigen königlichen Anwesens aus dem 7. Jahrhundert vor Christus gewesen, teilte Israels Altertumsbehörde mit. Die Toilette ist ein quadratischer Block aus Kalkstein mit einem Loch in der Mitte. Darunter liegt eine aus dem Felsen gehauene Klärgrube. Ein seltener Fund, sagt Ausgrabungsleiter Jaakov Billig: "Nur die Reichen konnten sich Toiletten leisten."
Die ältesten bisher bekannten Toiletten bauten die Sumerer im Zweistromland (Mesopotamien) 3500 bis 3000 v. Chr. (im Bild: antike römische Toiletten in Nordafrika). Für die Römer war der Latrinengang durchaus ein geselliges Ereignis: Die Hygiene-Einrichtungen ohne Trennwände boten Platz für 60 Personen, da kam man leicht ins Gespräch.
Bild: Matthias Tödt/dpa/picture alliance
Die größte Toilette der Welt
Die überdimensionale Toilette in der von dem französischen Designer Philippe Starck entworfenen Gebäudefassade wurde nicht für menschliche Bedürfnisse kreiert: Sie fungiert als Werbetafel für einen deutschen Hersteller, steht im süddeutschen Hornberg - und dient auch als Aussichtsplattform.
Bild: Philipp von Ditfurth/dpa/picture alliance
Die Deutschen und ihr Geschäft
Deutschland scheint eine besonders innige Beziehung zum Toilettengang zu pflegen. Hierzulande waren Klopapierrollen zu Beginn der Corona-Pandemie ein heiß umkämpftes und rares Gut, ein Bestseller der letzten Jahre war das Buch "Darm mit Charme". Doch das Sitzklo aus Keramik ist anderswo nicht unbedingt üblich.
Bild: DW
Andere Länder, andere Toiletten
In asiatischen Ländern sind Toiletten meist nicht als Sitz-, sondern als Hockvorrichtungen konzipiert, was zwei Vorteile hat: Die Hockstellung ist dem gesunden Stuhlgang weitaus zuträglicher, und die Keimschleuder Klobrille fällt weg. Auch Papier ist nicht zwingend: In vielen Länder, etwa auch im arabischen Raum, wird fließendes Wasser zur Reinigung bevorzugt.
Bild: Soeren Stache/dpa/picture alliance
Japanische High-Tech-Toiletten
Japan liegt an der Spitze, wenn es um die technische Ausstattung von Toiletten geht: Von automatischer Beduftung bis zum eigenen Stereo-Musiksystem oder WLAN ist hier wirklich alles zu finden. Und das nicht nur auf dem Markt für Privat-Toiletten.
Bild: Everett Kenndy Brown/EPA/picture alliance
Öffentliche Toiletten der besonderen Art
So gibt es in Japans Hauptstadt Tokio öffentliche Toiletten, die durchsichtig sind. Der Clou: Werden sie benutzt, werden die Scheiben blickdicht. In der japanischen Stadt Ichihara befindet sich auch die größte öffentliche Toilette der Welt: Auf einem Gelände von 200.000 Quadratmetern steht eine Glaskabine mit einem Klosett. Sie ist nur für Frauen, Designer ist kein geringerer als Sou Fujimoto.
Bild: Hiro Komae/AP Photo/picture alliance
Tunesische Komfort-Toiletten
Diese bunten Toiletten könnten auch etwas für reisende Star-Wars-Fans sein: Sie liegen im Süden Tunesiens, inmitten des Sedimentbeckens Chott el Djerid, das als Kulisse für Luke Skywalkers Kindheit diente.
Bild: imago images/VWPics
Das Klo aus Kunstobjekt
Dieses Klo ist Kunst: Der niederländische Star-Architekt Rem Koolhaas gestaltete diese Unisex-Toilette 2006 für das Kunstprojekt "A Star is born" in Groningen.
Bild: BrunoPress/imago images
Ein Geschenk an Neuseeland
Ja, wirklich, ein echter Hundertwasser! Der österreichische Architekt und Maler gestaltete das stille Örtchen gewohnt schräg, bunt und verspielt. Es war ein Geschenk des Künstlers an die neuseeländische Stadt Kawakama, die bis zu seinem Tod im Jahr 2000 seine Wahlheimat war.
Bild: Christiane Oelrich/dpa/picture-alliance
Chinesisches Wüsten-Örtchen
Diese Toilette steht mitten in der Wüste: Xiangsha Bay ist Chinas erstes Resort ganz im Osten der Kubuqi-Wüste. Bei der Touristenattraktion darf natürlich das geeignete Örtchen zur Erleichterung nicht fehlen.
Bild: Imaginechina-Tuchong/imago images
Die "außerirdische" Toilette
Die teuerste Toilette aller Zeiten befindet sich im All: 23 Millionen US-Dollar investierte die Raumfahrtsbehörde NASA 2020 für zwei Toiletten im Weltall. Im Gegensatz zum Vorgängermodell (im Bild die Toilette der Internationalen Raumstation ISS im russischen "Swesda" Modul im Jahr 2003) sind die beiden neuen Exemplare auch für Frauen konzipiert.
Bild: NASA/picture-alliance
Die meist diskutierte Toilette
Toiletten sind nicht nur ein Wohlfühl-Thema, sie sind auch ein Politikum: In den USA und Europa etwa wird die Einführung von genderneutralen oder Transgender-Toiletten immer wieder kontrovers diskutiert.
Bild: David Bro/ZUMA Press/picture-alliance
Welttoilettentag macht auf Notstand aufmerksam
Exklusiven Toilettenhäuschen dürfen nicht über die eigentlichen Probleme hinwegtäuschen. Weltweit fehlt es an öffentlichen Toiletten und sanitären Anlagen: Mehr als 40 Prozent der Weltbevölkerung müssen ohne ausreichend hygienische Sanitäranlagen auskommen - und sind so Krankheiten ausgesetzt. 2001 wurde der Welt-Toilettentag ins Leben gerufen, um auf das Problem aufmerksam zu machen.
Bild: Bay Ismoyo/AFP/Getty Images
Klo gestohlen!
Ein Kuriosum zum Schluss: Diese Toilette aus 18-karätigem Gold vom italienischen Künstler Maurizio Cattelan diente Besuchern des Guggenheim Museums in New York 2016/17 als stilles Örtchen - bis sie 2019 gestohlen wurde. Sie hatte eine demokratische Botschaft: "Egal was du isst, eine Zweihundert-Dollar-Mahlzeit oder eine Zwei-Dollar-Wurst, das Resultat ist dasselbe, aus Sicht der Toilette."
Bild: AP Photo/picture alliance
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Von wegen "stilles Örtchen"
Dass Fäkalien gründlich entsorgt gehören, war den Menschen bereits vor Tausenden von Jahren bewusst. Die ältesten bisher bekannten Toiletten bauten die Sumerer im Zweistromland (Mesopotamien) 3500 bis 3000 v. Chr. Sie bestanden aus tiefen Gruben, die von ineinander gestapelten Keramikröhren ausgekleidet wurden, auf denen sich der Benutzer niederließ. Die festen Ausscheidungen blieben in dem Behältnis, Flüssiges sickerte durch Löcher in der Wandung nach außen. Ein Spülsystem gab es nicht.
Auch die Babylonier und Assyrer bauten zwischen 3000 bis 500 v. Chr. bereits Klos aus zwei kleinen Mauern mit einem schmalen Zwischenraum für die Fäkalien. Mit dem Badewasser wurden diese in Kanäle gespült.
Doch diese Arten von Toiletten tauchten nur vereinzelt auf. Erst mit den alten Griechen und Römern wurde das stille Örtchen populär. Ärmeren Haushalten diente ein Fass als Klo, in das man den Inhalt der Nachttöpfe auskippte. Reichere Römer besaßen schon ein Privatklo. Die meisten Menschen nutzten allerdings öffentliche Latrinen mit ständiger Wasserspülung für 50 bis 60 Personen. Gesellig wie es dort war, wurde nicht selten das ein oder andere Geschäft besprochen - womit klar sein dürfte, woher der Ausdruck "sein Geschäft verrichten" stammt.
Albrecht Dürer: gerügt für Klobau
Mit dem Zerfall des Römischen Reichs verschwand auch die gehobenere Klokultur. Das gemeine mittelalterliche Volk erledigte seine Notdurft im Nachttopf und entleerte diesen auf der Straße.
Burgbewohner hatten eine kleine Toilettennische in der Burgmauer, sogenannte Abtritterker - doch war die Entsorgung des dort verrichteten Geschäfts ebenfalls unhygienisch: Kot und Urin landeten im Burggraben; Pest-, Cholera- und Typhusepidemien waren die Folge.
Generell waren Toiletten rar gesät im Mittelalter - sowohl private als auch öffentliche. Der Maler Albrecht Dürer wurde von der Stadt Nürnberg sogar dafür gerügt, dass er eine Toilette in seine Küche eingebaut hatte. Das war Anfang des 16. Jahrhunderts. Es gab noch keine Kanalisation, und so landeten seine Exkremente in der Gosse und stanken. Als berühmter Stadtbewohner kam er gerade nochmal um eine Geldstrafe herum.
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Edler Auftritt und üble Gerüche
Auch in der Neuzeit verbesserte sich die Toilettensituation nicht wirklich. Das einfache Volk nutzte den Stall oder das Feld, um sich zu erleichtern. Und auch der Adel am Hofe des französischen Königs Ludwig XIV. schien auf Privatsphäre und Hygiene nicht viel Wert zu legen. Bei 2000 Zimmern im Schloss von Versailles gab es gerade mal ein eingebautes Klo. Stattdessen setzte sich seine Hoheit auf einen Leibstuhl, plauderte währenddessen mit hochrangigen Besuchern und ließ anschließend das Geschäft auf einem riesigen Misthaufen entsorgen. Veranstaltete der Sonnenkönig eines seiner berühmt berüchtigten Schlossfeste, so erleichterten sich die edlen Gäste - na klar - im Schlosspark.
Verzögerter Erfolg für das Klo mit Spülung
Ende des 18. Jahrhunderts boten Männer und Frauen mit langen Umhängen Passanten an, für die Verrichtung ihres Geschäftes unter ihren Mantel zu schlüpfen - gegen ein entsprechendes Entgelt natürlich. Es sollte noch bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts dauern, bis sich das Klo mit Spülung in Europa durchzusetzen begann. Zwar erfand es der britische Dichter Sir John Harington bereits 1596, doch vermochten seine Landsleute die Vorteile dieses Wasserklosetts scheinbar nicht zu erkennen. Sein Bauplan geriet vorerst in Vergessenheit.
Erst als der britische Erfinder Alexander Cummings 200 Jahre später ein Patent darauf anmeldete und dem Ganzen ein doppelt gekrümmtes Abflussrohr, einen sogenannten Siphon, zur Eindämmung des Geruchs hinzufügte, war der Weg für die Verbreitung des Klos mit Spülung geebnet: Das Spülklo konnte Ende des 19. Jahrhunderts seinen Siegeszug durch die europäischen Großstädte antreten. So wurde schließlich auch dafür gesorgt, dass Flüsse und Bäche von der menschlichen Notdurft verschont blieben.
Kläranlage für zu Hause: Abwasser-Recycling im Keller
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Und heute? Noch immer existieren eklatante Unterschiede auf der Welt, was die sanitäre Versorgung angeht. Das lässt sich an der Verschiedenheit der Debatten zu dem Thema ablesen - während etwa Indiens Premierminister Modi den Bau von Toiletten einst zum Wahlkampfthema machte, streitet man in Industrienationen wie Deutschland oder den USA über Transgender-Toiletten und kämpft für Urinale für Frauen, damit auch die künftig im Stehen pinkeln können. Und während Frauen in manchen Weltregionen Angst haben müssen, beim Gang aufs Klo vergewaltigt zu werden, haben Frauen in Japan die Qual der Wahl bei der richtigen Melodie aus den Lautsprechern ihrer High-Tech-Toilette - mit Geruchssauger und beheizter Klobrille.