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WEF schaltet in den Krisenmodus

19. Januar 2021

Die Corona-Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft sind gravierend. Doch was im Nachgang der Pandemie auf die Welt zukommt, birgt noch größere Gefahren, so der aktuelle Risikobericht des Weltwirtschaftsforums (WEF).

Bildergalerie Persönlichkeiten 2020 | Klaus Schwab
Klaus Schwab, Gründer des Weltwirtschaftsforums (Archivbild)Bild: picture-alliance/Keystone/S. Di Nolfi

Die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Kosten der Pandemie drohen,  jahrelange Fortschritte bei der Armutsbekämpfung auszuradieren und die sozialen Risse in den Gesellschaften rund um den Globus weiter zu vertiefen. Das ist eine der Kernaussagen des heute veröffentlichten Weltrisikoberichts des World Economic Forum (WEF).  Außerdem warnen die WEF-Experten vor der Gefahr einer weiteren Schwächung der internationalen Zusammenarbeit - ganz gleich, ob es um das Corona-Krisenmanagement, den Wiederaufbau nach der Pandemie oder mulilaterale Maßnahmen gegen den Klimawandel geht. 

"Vor dem Hintergrund der Coronavirus-Pandemie sind die Notwendigkeit, Prioritäten neu zu setzen und die Dringlichkeit, Systeme zu reformieren, auf der ganzen Welt stärker geworden", betont WEF-Gründer Klaus Schwab (Artikelbild). Die "Wiederherstellung des Vertrauens und die Stärkung der globalen Zusammenarbeit" seien entscheidend für "die Förderung innovative und mutiger Lösungen, um die Pandemie einzudämmen und eine robuste Erholung voranzutreiben", unterstreicht Schwab.  

Düsteres Risikoszenario 

Bis jetzt haben sich weltweit mehr als 95 Millionen Menschen mit dem Coronavirus angesteckt und zwei Millionen Menschen starben an oder mit COVID-19. Und das sind nur die offiziellen Zahlen, denn die Dunkelziffer in weniger entwickelten Ländern ist genauso unbekannt, wie die tatsächliche Zahl der Menschen, die mit oder an dem Virus gestorben sind. 

Jobkiller Corona: Arbeitslose im US-Bundesstaat Arkansas, April 2020Bild: Reuters/N. Oxford

Genauso schwer dürfte es auch sein, die wahren Ausmaße der Pandemie-Folgen zu bestimmen. Etwa, wenn es um die steigende Arbeitslosigkeit und die Vernichtung von wirtschaftlichen Existenzen oder Bildungschancen geht. Dass besonders im Krisenmodus stärker digitalisierte Gesellschaften an weniger digitalisierten vorbeiziehen, ist zwar nur wenig überraschend, beschleunigt aber in den Augen der WEF-Experten das weitere Auseinanderdriften von Ländern und Regionen rund um den Globus. 

Wegen dieser zunehmenden digitalen Kluft und den sozialen und ökonomischen Folgen der Pandemie warnen die WEF-Autoren vor "fatalen Folgen und verpassten Chancen für große Teile der Weltbevölkerung". Drohende soziale Unruhen, eine weitere Zersplitterung der politischen Landschaft in vielen Gesellschaften und zunehmende geopolitische Spannungen - selten war die WEF-Risikoanalyse beunruhigender. 

Dass die Gefahren, vor denen das WEF warnt, nicht aus der Luft gegriffen sind, hat die Corona-Krise gezeigt: Bereits seit 15 Jahren warnt der globale Risikobericht des Weltwirtschaftsforums die Welt vor den Gefahren von Pandemien. "Wir wissen wie schwierig es für Regierungen, Wirtschaft und andere Interessensgruppen ist, sich um solche langfristigen Risiken zu kümmern", räumen die WEF-Experten ein: Aber Gefahren zu ignorieren bedeute noch lange nicht, dass sie nicht passieren können. 

Junge Menschen als größte Pandemie-Verlierer?

Besonders große Sorgen machen sich die Studienautoren um junge Menschen: Eine "doppelt zerrüttete Generation" wachse "in einem Zeitalter der verlorenen Chancen heran". Während der "digitale Sprung nach vorn" manchen Jugendlichen neue Chancen eröffne, würden andere "Pandemials” vor einer "Eiszeit auf dem Arbeitsmarkt" stehen.

Kind im indischen Mumbai während des landesweiten Lockdowns im Mai 2020: Was wird aus den "Pandemials"? Bild: Getty Images/AFP/P. Paranjpe

"Junge Erwachsene weltweit erleben ihre zweite große globale Krise innerhalb eines Jahrzehnts", heißt es im aktuellen Weltrisikobericht. Sie seien neben dem Klimawandel und der Umweltzerstörung ebenso den Folgen der Finanzkrise ausgesetzt und würden mit wachsender sozialer Ungleichheit und riesigen Umbrüchen durch den industriellen Wandel konfrontiert. Diese Generation stehe "vor ernsthaften Herausforderungen für ihre Bildung, ihre wirtschaftlichen Perspektiven und ihre psychische Gesundheit”, warnen die WEF-Autoren. 

Dieses Risiko einer desillusionierten jungen Generation werde bis jetzt "von der Weltgemeinschaft weitgehend vernachlässigt" und stelle eine "kritische Gefahr für die Welt in naher Zukunft" dar. Nicht nur "hart erkämpfte gesellschaftliche Errungenschaften könnten zunichtegemacht werden, wenn der heutigen Generation angemessene Wege zu zukünftigen Chancen fehlen." Darüber hinaus, so fürchten die WEF-Experten, bestehe die Gefahr, dass die Jugend "das Vertrauen in die heutigen wirtschaftlichen und politischen Institutionen verliert." 

WEF im Januar online -  im Mai in Singapur

Das größte langfristige Risiko bleibt aber nach Einschätzung des WEF, nicht entschieden genug gegen den Klimawandel vorzugehen. Es gebe keinen Impfstoff gegen Klimarisiken, daher müssten sich die Wiederaufbaupläne nach der Pandemie auf nachhaltiges Wachstum konzentrieren, fordert Peter Giger von der Zurich Insurance Group. Der Versicherungskonzern aus Zürich erstellt als WEF-Partner zusammen mit dem Risikoberater Marsh & McLennan und dem südkoreanischen Mischkonzern SK Group den Risikobericht.

Tropen statt Alpen: Der Pandemie-Krisenchampion Singapur ist im Mai Gastgeber des WEFBild: Yeen Ling Chong/AP Photo/picture-alliance

Wegen der Pandemie hat das WEF seine traditionelle Jahrestagung in Davos gestrichen und veranstaltet vom 25. Januar an das Online-Forum "Davos Agenda". An dem virtuellen Spitzentreffen mit Reden, Debatten und Diskussionsrunden nehmen neben Bundeskanzlerin Angela Merkel auch andere führende Staats- und Regierungschefs teil, so die WEF-Organisatoren. Ende Mai soll dann das "richtige" Weltwirtschaftsforum als Präsenz-Veranstaltung in Singapur nachgeholt werden. Hier ist man bisher erfolgreich durch die Pandemie gekommen. So sind in dem südost-asiatischen Inselstaat mit 5,7 Millionen Einwohnern seit Beginn der Pandemie knapp 60.000 Menschen mit Corona infiziert wurden, bis Mitte Januar starben nach Angaben der Johns Hopkins Universität lediglich 29 Erkrankte.

Thomas Kohlmann Redakteur mit Blick auf globale Finanzmärkte, Welthandel und aufstrebende Volkswirtschaften.
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