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Wem gehören die Medien in Griechenland?

Maria Rigoutsou (aus Athen)
8. November 2024

Was Pressefreiheit angeht, liegt Griechenland weit hinter den anderen EU-Ländern. Das hat viel mit den Medienbesitzern zu tun. Ein Investigativ-Team hat versucht die komplizierten Eigentumsverhältnisse aufzudecken.

Eine Frau sitzt an einem Tisch mit mehreren Bildschirmen und einem Schneidepult. Über ihr hängen große Bildschirme an der Wand
Regieraum eines der zahlreichen privaten Fernsehkanäle in GriechenlandBild: Louisa Gouliamak/AFP/Getty Images

Griechenland hat nur rund zehn Millionen Einwohner, aber das Land verfügt über eine breit gefächerte und diverse Medienlandschaft. Neben dem staatlichen, aus Steuergeldern finanzierten Rundfunk ERT, der über sechs Fernseh- und 13 Radiosender verfügt und von der Regierung kontrolliert wird, gibt es zahlreiche private Medien.

Sie nahmen im Jahr 1989 ihren Betrieb auf und sind zum Teil in der Hand von mächtigen Unternehmern. 160 private Fernsehsender, 1150 private Radiosender unterschiedlicher Größe, 82 große Zeitungen und 600 Lokalzeitungen kämpfen um die Aufmerksamkeit der Bürger. Hinzu kommen nicht eine nicht genau zu beziffernde Anzahl von Online-Angeboten.

Zeitungen verlieren in Griechenland wie überall an Bedeutung zugunsten von Online-NachrichtenportalenBild: Thanassis Stavrakis/AP/dpa/picture alliance

Die Bedeutung der Zeitungen dagegen nimmt immer mehr ab. Heutzutage werden sie fast nur noch von älteren Menschen gelesen, während Jüngere soziale Medien bevorzugen. Zu den meistverkauften Zeitungen gehören die unabhängige linke Zeitung Efimerida ton Syntakton, die täglich etwa 3500 Exemplare verkauft, und die Mitte-Rechts-Zeitung Eleftheros Typos mit einer täglichen Auflage von ca. 4000 Exemplaren.

Große Unternehmer dominieren den Medienmarkt

Die größten Fernsehsender wie Alpha, Mega, Antenna, Open und Skai sind im Besitz von zehn großen griechischen Unternehmern. Daneben gibt es Hunderte von Firmen mit Sitz in und außerhalb Griechenlands, denen griechische Medien gehören. Letztendlich sind sie jedoch fast alle auf die gleichen wenigen Oligarchen zurückzuführen.

Das hat das investigative Rechercheteam Solomon herausgefunden und dokumentiert. Das 2017 gegründete Reporter-Netzwerk, das sich bisher hauptsächlich mit Recherchen zum Thema Flucht und Migration einen Namen gemacht hat, hat 18 Monate lang versucht, die Geschäftsverbindungen hinter den Medien aufzudecken.

"In den letzten Jahren stand Griechenland laut Reporter ohne Grenzen auf dem letzten Platz unter den EU-Ländern, was die Pressefreiheit angeht. Einer der Gründe dafür ist die Verflechtung von Medien, Wirtschaft und Politik", erklärt die an der Recherche beteiligte Journalistin Danae Maragoudaki. Zusammen mit ihren Kolleginnen Korina Petridi und Elise Triantafyllou hat sie diese Verflechtungen untersucht.

Danae Maragoudaki, griechische Journalistin vom Investigativ-Netzwerk Solomon

"Wir haben insgesamt 762 Unternehmen in 32 Ländern erfasst, von denen ungefähr die Hälfte (386) in Griechenland ansässig ist", sagt Maragoudaki. Die anderen Unternehmen seien in Ländern außerhalb Griechenlands angesiedelt, darunter Zypern und die Marshallinseln, zwei Staaten, die von der griechischen Finanzbehörde als Steuerparadiese eingestuft werden. "Wir haben die Unternehmen in insgesamt 14 Wirtschaftszweige unterteilt. Die Schifffahrt ist dabei der mächtigste Wirtschaftszweig."

Griechische Oligarchen kaufen Medien

Einer der großen Eigentümer ist der Reeder Vangelis Marinakis. Ihm gehören die Tageszeitungen Ta Nea und To Vima und das populärste Newsportal "in.gr". Außerdem gehören ihm die bekannte griechische Fußballmannschaft Olympiakos, der englische F.C. Nottingham und der portugiesische Rio Ave FC.

Vangelis Marinakis, Eigentümer von Olympiakos, feiert sein Team während dem Finale der UEFA Conference League am 29.05.2024 Bild: Yannis Halas/Focus Images/Sipa/picture alliance

Ein anderer Medienunternehmer ist der in Griechenland geborene Ivan Savvidis, der  ein großes Anwesen im russischen Rostow besitzt. Er ist in vielen Bereichen tätig, vom Sport über Industriebeteiligungen bis hin zum Tourismus. So hält er einen Anteil von 67 Prozent an der Gesellschaft South Europe Gateway Thessaloniki (SEGT), die den Hafen von Thessaloniki verwaltet. Ihm gehört der Fernsehsender Open TV und der griechische Fußballverein PAOK. 

Der griechische Öl- und Schifffahrt-Magnat Vardis Vardinogiannis Bild: Panayotis Tzamaros/NurPhoto/picture alliance

Die Familie des Milliardärs Vardis Vardinogiannis, laut dem Wirtschaftsmagazin Forbes eine der einflussreichsten Reederfamilien Griechenlands, ist Mehrheitseignerin des auf Zypern registrierten Unternehmens Motor Oil Investments und außerdem an zahlreichen weiteren Ölgesellschaften, Banken, Schifffahrtsunternehmen, Energieunternehmen usw. beteiligt. Ihr gehört die Mediamax Holding, der wiederum der Fernsehkanal Alpha TV gehört.

Das ganze Firmenkonstrukt mit zahlreichen Offshore-Unternehmen ist verschachtelt und intransparent. Selbst die griechische Regulierungsbehörde National Council for Radio and Television (NCRTV) ist nicht auf dem neuesten Stand, was die Besitzverhältnisse beim Fernsehsender Alpha TV angeht. 

Einfluss auf Politik 

"Unsere Analyse zeigt, dass Medien für Unternehmer kein rentables Geschäft sind", erklärt Danae Maragoudaki. "Die Analyse der Bilanzen der größten Fernsehsender des Landes zeigt, dass sie den Banken derzeit insgesamt 350 Millionen Euro schulden."

Nicht nur die Fernsehsender, auch die meisten Radiostationen und die Zeitungen machen Verluste. Warum sind sie für die griechischen Unternehmer trotzdem ein lohnendes Geschäft?

Professor Giorgos Plios von der Abteilung für Kommunikation und Medien an  der Universität von Athen erklärt: "Sie erwerben Medien, vorzugsweise Zeitungen, auch wenn diese eine geringe Auflage haben. Aber Zeitungen gelten als seriöses Medium, und ihr Inhalt wird überall verbreitet, im Internet, im Radio und im Fernsehen. Diese Medien unterstützen vor allem in Wahlperioden die Partei, die an der Regierung ist oder voraussichtlich an die Regierung kommen wird."

Politikwissenschaftler Giorgos Plios Bild: Silas Michalakas

Wenn ein Medium sich regierungsfreundlich verhält, revanchiert sich die Regierung, indem sie Werbung schaltet oder dem Eigentümer Aufträge für seine zahlreichen Unternehmen oder Unternehmensbeteiligungen erteilt. So erhielt ein Bauunternehmer, der eine Zeitung besaß, von der Regierung Aufträge für den Bau einer Autobahn, nachdem er wohlwollende Artikel über die Regierung veröffentlicht hatte. "Oder die Regierung befreit den Sender von den Kosten für die Nutzung der Sendelizenz in Höhe von 3,5 Millionen Euro jährlich", ergänzt Plios.

Dies hat zur Folge, dass die griechischen Medien heikle Themen gerne aussparen, um die Regierung nicht in Verlegenheit zu bringen oder zu ärgern, erklärt Lambrini Papadopoulou, Assistenzprofessorin an der Universität Athen: "Wenn sich die Medien im Besitz einiger weniger mächtiger Geschäftsleute oder politischer Interessen befinden, gefährden die klientelistischen Beziehungen, die sich im Zusammenhang mit der Macht entwickeln, direkt den Medienpluralismus und die Unabhängigkeit des Journalismus, was zu Zensur oder Selbst-Zensur von Journalisten und der Weitergabe des dominanten Narrativs führt."

Medienwissenschaftlerin Lambrini Papadopoulou Bild: Giorgos Giannakopoulos

Nicht nur die Politik, auch die Unternehmer selbst werden geschont und kritische Artikel zu ihren wirtschaftlichen Tätigkeiten unterdrückt oder gar nicht erst erstellt. So wissen die meisten griechischen Journalisten sehr genau, dass griechische Schiffe trotz der EU-Sanktionen gegen Russland russisches Öl transportieren. Aber keiner der großen TV-Sender hat darüber berichtet, denn die meisten befinden sich im Besitz von griechischen Reedern.

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