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GesellschaftAsien

Weniger deutsche Visa für Iraner?

14. Juni 2023

Familienbesuch mit Hürden: Die deutsch-iranische Gemeinschaft beklagt wachsende Schwierigkeiten bei der Visavergabe für Angehörige im Iran. Seit den Protesten im Land haben viele Angst, selbst in den Iran zu reisen.

Symbolfoto Visum
Bild: imago images/blickwinkel

Über 6000 in Deutschland lebende Iranerinnen und Iraner haben einen offenen Brief an das Auswärtige Amt und die deutsche Botschaft in Teheran unterzeichnet. Der Brief thematisiert die Vergabe von Terminen für Visa-Anträge in der deutschen Botschaft in Teheran sowie das Verfahren und das Verhalten der Mitarbeiter vor Ort.  "Es ist schmerzhaft zu sehen, wie unsere Eltern von der Botschaft in Teheran behandelt werden", sagt die Frauenaktivistin Faranak Rafiei, die den offenen Brief verfasst hat. Rafiei wurde 1978 in Teheran geboren und lebt seit 1998 in Köln, wo sie als Frauenrechtlerin arbeitet. Ihre Eltern leben im Iran. Sie hat Angst davor, dorthin zurückzukehren, um sie zu besuchen. 

Das deutsche Außenministerium hat seit Oktober 2022 die Reisewarnungen für den Iran verschärft. Auf der Webseite des Auswärtigen Amts heißt es: "Insbesondere Doppelstaatler, die neben der deutschen auch die iranische Staatsangehörigkeit besitzen, sind gefährdet. In jüngster Vergangenheit kam es zu einer Vielzahl willkürlicher Verhaftungen ausländischer Staatsangehöriger." 

Familientreffen nur in Deutschland 

Der Iran erlaubt seinen Bürgern grundsätzlich nicht, die iranische Staatsangehörigkeit aufzugeben. Sobald ein Doppelstaatler das iranische Staatsgebiet betritt, betrachten die iranischen Behörden ihn ausschließlich als iranischen Staatsbürger, unabhängig von seinem anderen Pass. Seit dem tragischen Tod der 22-jährigen Jina Mahsa Amini in Polizeigewahrsam und den darauffolgenden landesweiten Protesten geht das politische System im Iran gewaltsam gegen seine Kritiker vor, auch gegen diejenigen, die im Ausland leben, aber zu einem Besuch in den Iran reisen.

Es gibt zahlreiche Berichte über Verhöre von Iranerinnen und Iranern am Flughafen sowie Durchsuchungen ihrer Accounts in sozialen Netzwerken. Um dem zu entgehen, versuchen viele Iraner in Deutschland, Familientreffen in ihrer neuen Heimat zu organisieren - ein Hindernislauf.  

"Die Situation bei der Terminvergabe für unsere Angehörigen, die uns in Deutschland besuchen möchten, hat sich seit September 2022 drastisch verschlechtert", sagt Rafiei im Gespräch mit der Deutschen Welle. Sie fügt hinzu: "Für unsere Eltern ist es praktisch unmöglich geworden, kurzfristig nach Deutschland zu reisen. Das gesamte Verfahren dauert jetzt wesentlich länger." 

Deutsche Botschaft in TeheranBild: Fatemeh Bahrami/AA/picture alliance

Alireza Mirshahi berichtet, dass er die Konsequenzen daraus am eigenen Leib erlebt habe. Der Direktor einer Augenklinik in Nordrhein-Westfalen sagt, er habe monatelang versucht, einen Termin bei der Botschaft zu bekommen, um eine Reise für seine krebskranke Mutter zu organisieren. All seine Bemühungen seien vergeblich gewesen. Trotz der Reisewarnungen entschied er sich schließlich, in den Iran zu reisen, um seine Mutter ein letztes Mal zu sehen. "Ihren letzten Wunsch, meine kleine Tochter zu sehen, nahm sie mit ins Grab." Mirshahi zeigt sich enttäuscht darüber, dass das Auswärtige Amt sich nicht in der Verantwortung sehe.

Ein altbekanntes Problem, verschärft 

Die deutsche Botschaft in Teheran hat die Terminvergabe und die Annahme der Visumanträge an einen Dienstleister namens VisaMetric übertragen. Das in der Türkei registrierte Unternehmen gibt an, sich um die Annahme der Anträge zu kümmern und die vollständigen Unterlagen an die Visastelle weiterzuleiten. Wer ein Visum für Deutschland beantragen möchte, muss zunächst einen Termin auf der Webseite von VisaMetric buchen.

"Dafür muss man eine Reihe von Daten wie beispielsweise die Passnummer eingeben. Aber erst am Ende sieht man, ob Termine verfügbar sind oder nicht", sagt die 36-jährige Fafa aus Teheran, die gerade einen Termin für ihren Vater buchen möchte. "Es gibt praktisch nie freie Termine. Egal zu welcher Zeit man die Webseite besucht: alle Termine sind ausgebucht. Wann neue Termine verfügbar sein werden, ist nicht bekannt. Man muss praktisch täglich mehrmals die Webseite aufrufen, alle Daten erneut eingeben und am Ende prüfen, ob ein Termin frei ist. Und das mit unserer langsamen Internetverbindung. Es kann Monate dauern." 

Eine der schlechtesten Webseiten der Welt 

Auch außerhalb des Iran funktioniert die VisaMetric-Webseite nicht richtig. Der iranische Tech-Journalist Nima Akbarpour, der in London lebt, bezeichnet die Seite am ersten Juni auf Twitter als eine der schlechtesten Webseiten der Welt. Er fügt hinzu: "Um einen Termin für ein Visum zu vereinbaren, muss man diese Seite aufrufen, aber entweder öffnet sie sich nicht oder die Informationen werden nicht geladen. Man steht auf jeder Seite vor dem gleichen Problem und muss die Seite erneut aktualisieren und alle Schritte von Anfang an durchführen. Das ist eine beschämende Situation. Was bedeutet es, dass solche Probleme auf der VisaMetric-Website seit Jahren nicht gelöst wurden und Iraner damit schikaniert werden?" 

Eine Terminbuchung mit einer IP-Adresse im Ausland ist nicht möglich. Ende 2022 kritisierte sogar der Sprecher des iranischen Außenministeriums, Nasser Kanaani, dass "unsere Bürger bei der Terminvergabe und den Visaverfahren schlecht behandelt werden. Dies stellt eine Verletzung ihrer bürgerlichen Rechte dar." Als Reaktion auf Kritik an massiven Menschenrechtsverletzungen aus dem Westen nutzen iranische Politiker jede Gelegenheit, um den europäischen Ländern Doppelmoral und Heuchelei vorzuwerfen.  

Schwarzmarkt für Termine? 

Auch die Nachrichtenagentur ISNA beschäftigte sich mit diesem Thema. In einem Hintergrundbericht vom 6. Juni berichtet ISNA: "Unsere Recherchen zeigen, dass es in den letzten Monaten erheblich schwieriger geworden ist, bei einigen europäischen Botschaften einen Termin für ein Schengen-Visum zu bekommen. Der Schwarzmarkt für den Verkauf von Terminen zu exorbitanten Preisen ist derzeit sehr aktiv." 

Wer es schafft, einen Termin bei der deutschen Botschaft zu bekommen, muss mit weiteren Hindernissen rechnen. Zahlreiche Iraner berichten im Hintergrundgespräch mit der Deutschen Welle von ausgesprochen unfreundlichem Verhalten der örtlichen Mitarbeiter: "Sie behandeln uns wie Untertanen." 

Viele Iraner, die in den vergangenen Monaten ihre Stimme für ihre unterdrückten Landesleute erhoben haben, können ihre Familien im Iran nicht mehr besuchenBild: Markus Schreiber/AP Photo/picture alliance

"Trotz unserer Beschwerden hat sich in den letzten Jahren nichts geändert", bestätigt auch Faranak Rafiei. "Zusätzlich gibt es auch weitere Probleme, zum Beispiel unnötig hohe Kosten im Dokumentenabgabeprozess. Solche Kosten entstehen beispielsweise durch überhöhte Gebühren für Kopien, die unter dem Vorwand fehlender Dokumente von einem erheblichen Prozentsatz der Antragsteller gefordert werden. In der Botschaft müssen Gebühren in Euro bezahlt werden, obwohl die offizielle Währung des Irans nicht der Euro ist. Die Gebühr für den Postversand ist ebenfalls um ein Vielfaches höher als die Postgebühr, die im Iran selbst anfällt, und wird dann ebenfalls in Euro berechnet. Die Antragsteller erhalten dann nicht einmal eine Empfangsbestätigung." 

Nach Redaktionsschluss erklärte das Auswärtige Amt gegenüber der Deutschen Welle: "Den offenen Brief haben wir zu Kenntnis genommen." Das Außenministerium gab ferner an, kontinuierlich an Verbesserungen zu arbeiten. Welche Verbesserungen das genau sind, blieb allerdings offen.

Die DW hat den Beitrag nach Eingang der Stellungnahme durch das AA aktualisiert.

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