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Weniger Gülle - weniger Nitrat

Kathy Ziegler
20. Juni 2018

Im Grundwasser ist zu viel Nitrat - Grund ist eine jahrelange falsche Düngepraxis in der Landwirtschaft. Aber das muss nicht sein: Längst gibt es technische Mittel, um beim Düngen unser Grundwasser zu schonen.

Feld wird gedüngt
Bild: picture-alliance/dpa/P. Schulze

Ein Sensor sorgt dafür, dass Landwirt Michael Graf nur so viel düngt, wie die Pflanzen auf seinem Acker benötigen. Dafür füttert Graf den Computer in seinem Trecker mit Daten wie Pflanzenart, Fläche und Nährstoffbedarf. Daraus berechnet der Computer dann die optimale Düngemenge. Denn Gülle ist ein "wertvoller Dünger", erklärt der Landwirt in Uedem aus dem Kreis Kleve - einem der Nitrat-Hotspots in NRW.

Graf benutzt ein Verfahren, das gerade erprobt wird, um die Nitratbelastung der Böden zu senken. Das sorgt dafür, dass weniger Gülle auf die Felder kommt.

Dieser Traktor soll nur so viel Dünger ausbringen, wie nötig istBild: DW/Kathy Ziegler

Rote Karte für Deutschland

Seit mehr als zehn Jahren verstößt Deutschland gegen die EU-Nitrat-Richtlinie, nach der der Nitratgehalt des Grundwassers 50 Milligramm pro Liter nicht überschreiten darf. Vor zwei Jahren hat deshalb die EU-Kommission vor dem Europäischen Gerichtshof (EUGH) Klage eingereicht. Deutschland ergreife keine effektiven Maßnahmen, um den Nitratgehalt im Grundwasser zu senken, so die Begründung. Jetzt hat der EUGH geurteilt: Deutschland muss endlich handeln, sonst drohen Strafzahlungen.

Hauptverursacher hoher Nitratwerte im Grundwasser ist nachgewiesenermaßen die Landwirtschaft. Aber nicht nur die Landwirte, auch die Politiker sind verantwortlich für das deutsche Nitratproblem. Sie haben den Landwirten jahrelang erlaubt, ihre Felder mit zu viel Stickstoff zu düngen, statt in neue Düngeverfahren zu investieren.

Im Jahr 2017 sollte das neue Düngerecht die Belastung von Böden und Grundwasser reduzieren. Aber auch das erziele "keine nennenswerte Reduzierung der Stickstoff-Überdüngung und damit von Nitrat-Einträgen ins Grundwasser", heißt es in einer am Montag veröffentlichten Auswertung der Kieler Christian-Albrechts-Universität im Auftrag des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft. In vielen Fällen sei sogar mehr Dünger als vorher erlaubt, und Verstöße ließen sich kaum kontrollieren und sanktionieren. 

Mehr dazu: Besseres Trinkwasser mit digitaler Düngung?

Hightech am Güllefass

In diesem Rohr sitzt der NIR-SensorBild: DW/Kathy Ziegler

Wenn Michael Graf seine Felder düngt, läuft die Gülle erst in einem Rohr an einem NIR-Sensor vorbei, der regelt, wie viel Gülle auf dem Acker ausgebracht wird. NIR steht für Nah-Infrarotlicht, das auf die Gülle gerichtet wird. Mithilfe des Lichts, das von der Gülle reflektiert wird, misst der Sensor den Nährstoffgehalt in der Gülle, der innerhalb eines Güllefasses nicht gleichmäßig verteilt ist.

Ist die Gülle nährstoffreich, wird weniger Gülle verteilt; ist sie nährstoffärmer, wird mehr gedüngt. "Durch den NIR-Sensor können wir die Gülle homogener ausbringen", erklärt Anna Janßen von der NRW-Landwirtschaftskammer. Sie berät Michael Graf, der in seinem Modellbetrieb den NIR-Sensor testet. "Der Vorteil ist, dass er alles messen kann, was er ausbringt. Das ist Feintuning."

Landwirt Michael Graf testet in seinem Modellbetrieb den NIR-SensorBild: DW/Kathy Ziegler

Der Sensor steckt in einem kleinen grauen Metallkasten, so groß wie eine Schuhschachtel, und wird seitlich an dem Güllefass montiert. "Da ist noch eine Verarbeitungseinheit drin", erklärt Janßen. "Das ist ein kleiner Computer, der sofort umrechnet, welche Nährstoffgehalte ich habe. Diese Daten werden an den Computer im Schlepper übermittelt. Dann kann Herr Graf sehen, welche Inhaltsstoffe in der Gülle vorhanden sind."

Hohe Nitratwerte im Kreis Kleve

Der Hof des Landwirts im Kreis Kleve ist einer von 31 Modellbetrieben in Nordrhein-Westfalen. 40 Prozent der Grundwassermessstellen in Kleve liegen im roten Bereich, überschreiten also den EU-Grenzwert von 50 Milligramm Nitrat pro Liter.

Mit der Gülle landen Stickstoffverbindungen auf dem Acker, die im Boden in Nitrat umgewandelt werden. Nitrat ist ein Pflanzennährstoff. Die Pflanzen können aber nur eine bestimmte Menge davon aufnehmen; der Rest versickert im Boden und gelangt ins Grundwasser.

Anna Janßen steigt hinab zur MessstationBild: DW/Kathy Ziegler

Ob ein NIR-Sensor tatsächlich die Nitratwerte im Grundwasser reduzieren kann, prüft Anna Janßen. Dafür steigt sie regelmäßig in die Messstation hinunter, die neben dem Acker in ein betoniertes Loch im Boden eingelassen ist.

Wissenschaftlich noch nicht belegt

In der Messstation läuft das Sickerwasser zusammen, das über sechs Handteller große Platten angesaugt wird, die in ein Meter Tiefe unterm Acker liegen.

Unten im Loch steht Anna Janßen und entnimmt die Proben: "Das ist eine Unterdruckpumpe. Sie sorgt dafür, dass das Wasser, das von oben kommt, von den Saugplatten hierhin abgeleitet wird. Und von hier können wir dann zum Beispiel Wasserproben zur Lufa schicken, um zu sehen, wie die aktuellen Nitratwerte sind."

Mit der Lufa, der landwirtschaftlichen Untersuchungs- und Forschungsanstalt, arbeitet die Beraterin eng zusammen. Allerdings ist die Messstation noch keine zwei Jahre alt - zu kurz, um nachzuweisen, ob weniger Nitrat ins Grundwasser gelangt. Denn je nach Bodenart kann es mehrere Jahre dauern, bis das Nitrat im Grundwasser ankommt.

Anna Janßen entnimmt Proben vom BodensickerwasserBild: DW/Kathy Ziegler

Nitrat-Zeitbombe tickt

Der Handlungsdruck ist groß. Laut EU-Nitratbericht überschreiten in Deutschland 28 Prozent der über 900 Messstellen den EU-Grenzwert. Europaweit übertritt nur Malta noch häufiger den Grenzwert.

Im November 2017 haben Wissenschaftler des British Geological Survey erstmals geschätzt, wie stark die Nitratbelastung von Grundwässern weltweit ist. Auf einer Karte stellten sie die Entwicklung von 1925 bis 2000 zusammen. Ergebnis: Nitratwerte jenseits des Grenzwerts werden gemessen in Mittel- bis Osteuropa, in der Türkei, Georgien, Aserbaidschan, Russland oberhalb des Schwarzen und des Kaspischen Meers, in China und in der Mitte der USA.

Die Wissenschaftler sprechen von einer Nitrat-Zeitbombe. Denn die Nitratverunreinigung hat im 20. Jahrhundert begonnen; die Auswirkungen müssen wir heute in den Griff bekommen. "Ich denke, dass es noch 20 Jahre braucht, bis die Werte abnehmen", schätzt Michael Graf die Lage in Uedem ein. Er hofft, dass der NIR-Sensor langfristig unser Grundwasser schonen wird.

 

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