1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Weniger Klassiker, eher typisch München

Jonathan Harding (in München)4. Oktober 2015

Der vermeintliche Höhepunkt des Bundesligakalenders verläuft einseitig. Der englische DW-Reporter Jonathan Harding erlebt den "deutschen Clasico" Bayern gegen Dortmund mit BVB-Fans - und fühlt mit ihnen.

Zum fünften Mal zappelt der Ball im Dortmunder Netz (Foto: Reuters)
Zum fünften Mal zappelt der Ball im Dortmunder NetzBild: Reuters/M. Rehle

"Dieser verdammte Respekt", sagt ein Dortmunder Fan zu einem anderen auf dem Weg in die Allianz-Arena. Eigentlich soll es ja der Höhepunkt des Bundesliga-Jahres werden, doch die Erwartungen der Dortmunder Anhänger sind schon vor dem Anpfiff eher gedämpft. Nicht ohne Grund, wie sich später herausstellt. Einen Tag nach den Feiern zum 25. Geburtstag der deutschen Einheit muss sich die Bundesliga eingestehen, dass sie geteilt ist. Warum spielen die Bayern eigentlich nicht einfach in einer eigenen Liga, fragen sich nicht zum ersten Mal die Bundesliga-Fans.

Es ist ein nasser, bewölkter Tag in München. Die Stadt ist verkatert. Die U-Bahn stinkt nach Alkohol und Schweiß. Der letzte Tag des Oktoberfestes. Noch einmal werden die Lederhosen angezogen. Erst der Fußball, dann das Bier, lautet das Tagesmotto.

Gute Dortmunder Anfangsphase

In den ersten 30 Minuten verläuft das Spiel tatsächlich so wie bestellt. Ein taktisches Duell, in dem beide Mannschaften auf Augenhöhe spielen. Thomas Tuchels Entscheidung, Sokratis auf der rechten Seite verteidigen zu lassen, scheint sich zu bewähren. Nur einmal kann ihm Douglas Costa entwischen. Tuchel scheint auch damit richtig zu liegen, Marco Reus auf der Bank schmoren und stattdessen Gonzalo Castro spielen zu lassen, der am Donnerstagabend in der Europa League überzeugt hat.

Bayerns Viererkette auf dem Papier ist de facto nur eine Dreierkette, Philipp Lahm ist überall auf dem Platz unterwegs. Javi Martinez zeigt nicht die Spur fehlender Spielpraxis. Und Jerome Boateng verteilt die Bälle ähnlich schonungslos wie der American-Football-Star Aaron Rodgers, Quarterback der Green Bay Packers. Aus einem seiner langen Bälle entwickelt sich der Führungstreffer der Bayern. Thomas Müller vollstreckt auf eine Weise, die nur er beherrscht. Als er wenig später seinen zweiten Treffer per Elfmeter folgen lässt, scheint die Partie gelaufen zu sein. Doch Pierre-Emerick Aubameyangs achtes Saisontor lässt die Hoffnung weiter leben, dass es in der zweiten Halbzeit noch einmal so etwas wie einen Wettstreit geben könnte.

Nichts zu holen ist an diesem Sonntag für die Spieler von Borussia DortmundBild: Reuters/M. Rehle

Schmerzliche Erinnerung an alte BVB-Zeiten

Diese Hoffnung stirbt nicht einmal eine Minute nach dem Wiederanpfiff. Torwart Roman Bürki - der seine schlechteste Leistung im BVB-Trikot zeigt - stürmt aus seinem Kasten heraus und wird von Robert Lewandowski düpiert. Mit ein bisschen Glück hat Boateng mit einem langen Ball den Mittelstürmer gefunden. Tuchel reagiert, bringt nach acht Minuten der zweiten Hälfte Reus und Adnan Januzaj. Doch es reicht nicht, um die übermächtige Heimmannschaft zu stoppen. Die Dortmunder Fans werden schmerzlich an alte, glorreiche BVB-Zeiten erinnert, als Mario Götze einen Zuckerpass auf Lewandowski spielt, der seinen zweiten Treffer erzielt. Und dann setzt Götze selbst noch einen drauf und macht den fünften Treffer. Das scheint allmählich die Lieblings-Torzahl der Bayern zu werden.

Bitte zurückbleiben!

Bayern-Torwart Manuel Neuer erhält danach noch einmal Gelegenheit, sich mit Paraden gegen Henrikh Mkhitaryan und Reus auszuzeichnen. Doch obwohl die Dortmunder gar nicht einmal so schlecht spielen, sind sie meilenweit von der Qualität ihrer Gegner entfernt. Die Dortmunder Fans unterstützen bis zum Abpfiff weiter tapfer ihre Mannschaft, aber ihre Mienen sind bedrückt.

Nach dem Spiel nehmen einige von ihnen Kurs auf das Oktoberfest, um ihren Frust zu ertränken. "Schließlich ist heute der letzte Tag", sagt einer. Als die BVB-Anhänger die U-Bahn verlassen, hören sie die gedämpfte Stimme des Zugführers: "Bitte zurückbleiben!" Dieses Gefühl kennen die Dortmunder, am Ende eines Fußballwochenendes in München.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen