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Verhandeln mit Putin: Die ostdeutschen Länder im Wahlkampf

15. August 2024

Viele Ostdeutsche sehen die Unterstützung der Ukraine skeptisch und wollen mit Russland verhandeln. Das bestimmt vor den Wahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg auch den Wahlkampf dort.

Drei Soldaten sind auf und neben einem deutschen Leopard-Kampfpanzer in Sachsen-Anhalt bei der Ausbildung zu sehen
Im Mai 2023 werden in Sachsen-Anhalt ukrainische Soldaten auf dem deutschen Kampfpanzer Leopard ausgebildet, vor allem in Ostdeutschland wird die Unterstützung der Ukraine mehr und mehr kritisch gesehen Bild: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa/picture alliance

Die Außenpolitik: Sie galt lange als ein Thema, dass in Berlin verhandelt wurde, in der deutschen Hauptstadt. Dort, bei der Bundesregierung, liegt ja auch die Verantwortung des Landes für die Sicherheits- und Außenpolitik, für Fragen nach Krieg und Frieden. Und deshalb gab es Debatten über die Außenpolitik eigentlich immer nur in Bundestagswahlkämpfen. Umso erstaunlicher, wenn jetzt in gleich drei Bundesländern die Ministerpräsidenten viel und oft über den Krieg in der Ukraine reden, und über die Möglichkeit, mit Russlands Präsidenten Putin über einen Waffenstillstand oder gar das Ende des Krieges zu verhandeln.

Momentan wichtiges Thema in drei Ostländern

Der Grund: In Thüringen, in Sachsen und etwas später in Brandenburg werden in wenigen Wochen Landtage gewählt. Und in den drei ostdeutschen Ländern ist die Frage nach der deutschen Haltung zum russischen Angriffskrieg in der Ukraine und der deutschen Waffenlieferungen an Kiew zu einem bedeuteten Thema geworden, vielleicht zum bedeutendsten im Moment. Und auch die Frage, ob die Bundeswehr aufgerüstet und neue US-Waffen stationiert werden sollen. Alle diese Fragen stoßen im Osten auf große Skepsis. Und so werden dann Landespolitiker zu Außenexperten.

Eine Abstimmung über Krieg und Frieden?

Am weitesten ging dabei jetzt Sahra Wagenknecht, Gründerin der nach ihrer benannten Partei "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW). Die neue Partei der früheren Linken-Politikerin, erst zu Jahresbeginn gegründet, liegt in Thüringen etwas mehr als zwei Wochen vor der Wahl in Umfragen bei  rund 20 Prozent der Stimmen. Und könnte deshalb nach der Wahl ein gewichtiges Wort bei der Regierungsfindung mitsprechen. Wagenknecht sagte zuletzt bei mehreren Gelegenheiten, das BSW werde sich nur dann an einer Landesregierung beteiligen, wenn diese die Pläne, ab 2026 neue US-Waffen in Deutschland zu stationieren, klar ablehne. Auch wenn das in Thüringens Landeshauptstadt Erfurt gar nicht entschieden wird. Die Waffen sollen ab 2026 in Deutschland stationiert werden, auch mit Blick auf die aggressive russische Politik. Im Interview mit dem "Deutschlandfunk" legte Wagenknecht jetzt noch nach und spitzte zu: "Die Ost-Wahlen sind auch eine Abstimmung über Krieg und Frieden." Mit anderen Worten: Wer die Ukraine, das angegriffene Land unterstützt, ist für den Krieg. Ihre Wähler, so Wagenknecht, würden erwarten, dass sie sich dafür einsetze, dass sich die Kriegsgefahr in Deutschland selbst nicht erhöhe.

Sahra Wagenknecht will nur dann in Thüringen mitregieren, wenn das Bundesland die Stationierung von US-Waffen in Deutschland ablehnt, auch wenn dafür die Bundesregierung zuständig istBild: Bernd von Jutrczenka/dpa/picture alliance

Kretschmer: China und Indien müssen auf Putin einwirken

Auch die Ministerpräsidenten von Sachsen und Brandenburg, Michael Kretschmer (CDU) und Dietmar Woidke (SPD) fallen durch außenpolitische Äußerungen auf. Kretschmer etwa hatte mit Blick auf den Bundeshaushalt eine Kürzung der Waffenhilfe an die Ukraine gefordert und für diplomatische Initiativen im Ukraine-Konflikt geworben. Dem Redaktionsnetzwerk Deutschland RND sagt er: "Ich plädiere erneut für ein Verstärken der diplomatischen Bemühungen. Wir brauchen Allianzen beispielsweise mit China und Indien, die so auf Putin einwirken, dass er zu einem Waffenstillstand bereit ist." Ähnlich äußerte sich auch Woidke.

Umfragen zeigen starke Skepsis gegenüber Ukraine-Unterstützung 

Der Grund für die plötzliche außenpolitische Positionierung der Landespolitiker ist die starke Skepsis in der Bevölkerung vor allem in den ostdeutschen Bundesländern über den Ukraine-Kurs der Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP  . Seit Beginn des Krieges im März 2022 hat Deutschland die Ukraine mit rund 23 Milliarden Euro unterstützt, mit Waffen, mit direkten Geldzahlungen, in Form von humanitärer Hilfe. Damit ist das Land nach den USA größter Unterstützer der angegriffenen Ukraine. Jetzt stellte das Meinungsforschungsinstitut Forsa fest: In Ostdeutschland finden 34 Prozent der Befragten, Deutschland tue zu viel, um die Ukraine zu unterstützen. 32 Prozent befürwortet die Lieferung schwerer Waffen wie etwa Panzer.

Am Rande einer SPD-Veranstaltung in Dresden: Protest gegen die Ukraine-Politik der Regierungsparteien und der CDUBild: Sabine Kinkartz/DW

AfD und BSW gegen den Ukraine-Kurs der Regierung

Während auf Bundesebene die konservative Opposition von CDU und CSU den Ukraine-Kurs der Regierung weitgehend stützt, sind zuletzt zwei Parteien vor allem im Osten besonders stark, die die Waffenlieferungen ablehnen und für Verhandlungen mit Russland eintreten: Die rechtspopulistische "Alternative für Deutschland"  und eben das "Bündnis Sahra Wagenknecht".  Der Bundesvorsitzende der Berliner Regierungspartei Die Grünen, Omid Nouripour, regt sich vor allem über die Forderung dieser beiden Parteien auf, auf den russischen Präsidenten Vladimir Putin zuzugehen und ihm Friedensverhandlungen anzubieten. Zu entsprechenden Einlassungen etwa von Kretschmer, aber auch von Thüringens noch regierendem Ministerpräsidenten Bodo Ramelow von den Linken sagte er dem RND: "Sie tun so, als käme man zum Frieden, indem man den Kopf in den Sand steckt. Aber: Feigheit schafft keinen Frieden." Tatsächlich hat Putin bislang nicht erkennen lassen, dass er zu Friedensgesprächen überhaupt bereit ist.

SPD sieht in Thüringen Belastung im Wahlkampf durch die Stationierung

Ganz aktuell hat die Debatte noch aus einem anderen Grund Fahrt aufgenommen, weil auch als Folge der russischen Aggression ab 2026 neue US-Mittelstreckenraketen in Deutschland stationiert werden sollen. Das wurde erstmals am Rande des Nato-Gipfels in den USA Mitte Juli bekannt. Und am Montag dieser Woche stimmte die SPD, die Partei von Kanzler Olaf Scholz,  der Stationierung zu. Die Art und Weise, wie das kommuniziert wurde, erregte jetzt den SPD-Innenminister von Thüringen, Georg Maier. "Der Beschluss macht es uns im Wahlkampf nicht einfacher", sagte Maier im Deutschlandfunk. In der Sache hat er aber gegen die Stationierung nichts einzuwenden:  "Die nationalen Sicherheitsinteressen gehen vor, mir geht es darum, wie das zustande kam und kommuniziert wird."

Solche US-Raketen vom Typ Tomahawk sollen von 2026 an in Deutschland stationiert werdenBild: Department of Defense/ZUMAPRESS.com/picture alliance

Kiesewetter:  AfD und BSW sind anti-amerikanisch und russlandnaiv

Weitaus gelassener reagierte der Außenexperte der CDU-Bundestagsfraktion, Roderich Kiesewetter. Er sagte der DW: "Das ist auch ein Beispiel, wie verkorkst die sicherheitspolitische Debatte in Deutschland läuft, wo die Grundprinzipien von Sicherheitspolitik oder Abschreckung auch politisch nicht überall begriffen werden und stattdessen sofort hysterisch reagiert wird. Der Einfluss dieser Stationierungsentscheidung auf die Wahlen hält sich meines Erachtens in Grenzen, denn BSW und AfD haben ihr Wählerpotential bereits durch Antiamerikanismus und Russlandnaivität ausgeschöpft, dieses wird sich mit einer solchen Entscheidung lediglich verfestigen."

Ein Standpunkt, den viele Vertreter der Regierungsparteien von SPD, Grünen und FDP, aber auch der konservativen CDU im Wahlkampf im Osten sicher so nicht teilen. Denn diese Parteien stehen mit ihrer Politik für eine weitere Ukraine-Unterstützung und für neue US-Waffen in Deutschland immer öfter allein da.

 

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