Hattler live in Köln
2. April 2012
Orientalisch geht es zu im Song "Salaud". Irgendwo zwischen Andalusien, Nordafrika und Indien pulsiert ein treibender Rhythmus, klingen nahöstliche Samples und brilliert die elektrische Sitar des Gitarrenvirtuosen Torsten de Winkel. Schöne Musik ist das: gleichzeitig entspannend und anregend, tanzbar und gut zum nebenbei Hören.
Hellmut Hattler arbeitet seit über zehn Jahren an diesem Sound, den man wohl oberflächlich als Lounge Musik bezeichnen könnte. Doch was sonst oft nur reine Klangtapete ist, hat bei Hattler durchaus Tiefgang, und es groovt in jedem Fall. Zu der klanglichen Perfektion, die er auf inzwischen fünf Studioalben vorweisen kann, kommt live noch ein gutes Stück musikalisches Handwerk, wenn nicht gar Virtuosität hinzu.
Im Hattler-Konzert soll natürlich alles genau so schön klingen wie auf CD. Der Computer tut seinen Teil dazu, indem er ein musikalisches Bett baut, auf dem sich die Instrumentalisten und die Sängerin durchaus wohlig räkeln dürfen. Doch immer wieder bricht das Soundgerüst auf und schafft Raum für Soli und Improvisationen. Im Stück "The Terrace" verzichtet die Band dann auch mal ganz auf ihr elektronisches Outfit, und besonders Gitarrist Torsten de Winkel spielt all seine Jazz- und Fusion-Karten aus.
Nicht nachmachen, selber machen!
Eigentlich ist Hellmut Hattler nie irgendwelchen Trends gefolgt. Er hat lieber selbst welche geschaffen. Schon als die Band Kraan 1971 gegründet wurde, war es ausdrückliches Ziel der später berühmten Krautrocker, sich nicht von anderen beeinflussen zu lassen, sondern die Musik aus sich selbst heraus zu entwickeln.
Doch Einflüsse gab es natürlich schon. Hellmut Hattler brachte seine Vorliebe für Jimmy Hendrix und orientalische Tonleitern in die Band ein; die hatte er sich auf der Kurzwelle bei Radio Bagdad abgehört. Aber sein Bass-Spiel ist unverwechselbar: Der drahtige, für einen E-Bass ungewöhnlich melodiöse Sound machte ihn zum wenn nicht besten, aber zumindest originellsten Bassisten Deutschlands - mit einer eigenen Spielweise, für die es inzwischen sogar Lehrbücher gibt. Ob man das, was er im Stück "Dinner for Three" macht, allerdings aus Büchern lernen kann, mag bezweifelt werden.
Vom Krautrock zum Hip Jazz
"Tab Two": Mit diesem Duo aus Trompete und Bass feierte Hellmut Hattler die 90er Jahre hindurch internationale Erfolge. Zusammen mit Trompeter Joo Kraus entwickelte er eine spezielle Variante des Acid Jazz, bei dem Hip Hop-Texte auf Jazz und Funk trafen. Doch obwohl das Duo mit Alben, zahlreichen Konzerten und Filmmusik äußerst erfolgreich war und auch schon mal für Tina Turner komponiert hatte, war 1999 Schluss mit Tab Two. Trompeter Joo Kraus wollte einfach nicht mehr.
Das erste Album unter dem neuen Bandnamen "Hattler" gewann dann im Jahre 2001 direkt einen Echo. Von nun an war der Sound weniger aufs Instrumentale ausgerichtet; im Mittelpunkt standen die Songs. Dementsprechend hatten Sängerinnen den Sprechgesang abgelöst. Seit 2006 steht Fola Dada bei Hattler am Mikrofon.
Batman's Cocktail Music
"Gotham City Beach Club Suite" heißt Hattlers jüngstes Album. Darauf zu hören ist die Besetzung, die auch live zu Werke geht: Neben Helmut Hattler sind das Sängerin Fola Dada, Gitarrist Torsten de Winkel und Elektroniker und Schlagzeuger Oli Rubow. Und natürlich sind zahlreiche digitale Tonspuren mit von der Partie, die seit langem den typischen Hattler-Sound ausmachen.
"Jedes Dorf hat ja heute seine Strandbar", sagt Hellmut Hattler über das Konzept des Albums. "Ich hab mich nun gefragt, welche Musik in einem Beach Club in Gotham City laufen würde." In der Heimat von Batman wäre die Lounge-Musik natürlich auch entspannend, doch das Verbrechen, das Dunkle würde immer wieder durchscheinen. Der Song "Dimitri" hingegen hat eine eher unschuldige Geschichte: Er nimmt einen Rhythmus auf, zu dem Hellmut Hattlers kleiner Sohn gern in den Schlaf geschaukelt wurde.
Nichts ist je vorbei
Diverse Bands hat Hellmut Hattler in seiner langen Karriere gegründet und wieder verlassen, doch bei ihm scheint nichts wirklich jemals abgeschlossen zu sein. Kraan, die international erfolgreiche Formation der 70er Jahre, wurde Anfang der 80er aufgelöst, später neu gegründet und abermals aufgelöst und spielt heute munter weiter in Originalbesetzung.
Auch von Tab Two gibt es bald Neues. Ihr Album "Two Thumbs up" erscheint Ende April und die Tour ist bereits gebucht. Einiges von diesem Tab-Two-Geist aus funkiger Musik, Sprechgesang und Ohrwurmmelodien versprüht "Watchagonnado", ein Song in dem wir Hellmut Hattler endlich auch rappen hören.