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Politik

Wenn die Grünen dreimal klingeln

Nina Werkhäuser
25. Mai 2017

Bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen sind die Grünen abgestürzt. Im Bund wollen sie es besser machen. Aber wie? In der Wahlkampfzentrale haben sie ihre Strategie vorgestellt.

Deutschland Die Grünen präsentieren ihre Wahlkampf-Zentrale
Die Spitzenkandidaten der Grünen, Cem Özdemir und Katrin Göring-EckardtBild: picture alliance/dpa/M. Gambarini

Am Samstagnachmittag bei fremden Leuten klingeln? Zuerst habe sie den Gedanken befremdlich gefunden, erzählt Katrin Göring-Eckardt. Die Spitzenkandidatin steht in der Berliner Parteizentrale der Grünen, die, nachdem noch einige Schreibtische hineingestellt wurden, nun auch als Wahlkampfzentrale fungiert. Inzwischen, sagt Göring-Eckardt, sei sie fast süchtig nach dem Haustür-Wahlkampf, nach dem Gespräch mit fremden Menschen an der Haustür - es könnten schließlich künftige Grünen-Wähler sein. Und potenzielle Wähler, davon ist die Öko-Partei überzeugt, gibt es genug. Man müsse sie nur finden.

Strategische Hausbesuche 

Fürs Finden ist das Team rund um Sebastian Duwe zuständig, das sich viel aus den USA abgeschaut hat. Das Schlüsselwort heißt Datenanalyse: Wo genau wohnen die Leute, die im September vielleicht ihr Kreuz bei den Grünen machen? Duwe klickt auf den digitalen Wahlatlas, der in der Wahlkampfzentrale auf eine große Leinwand projiziert wird. Für ganz Deutschland kann er jetzt die Ergebnisse der letzten Wahlen abrufen: Wie haben die Grünen in jedem einzelnen Stimmbezirk - das sind Einheiten von maximal 2.500 Wählern - abgeschnitten?

"Wir gehen dahin, wo die Grünen schon gute Ergebnisse erzielt haben, wo die Wahlbeteiligung aber relativ niedrig war", erläutert Duwe die Strategie. Denn genau dort ist die Chance am größten, neue Wähler zu gewinnen. Eine kleine Partei wie die Grünen, die über ein vergleichsweise bescheidenes Wahlkampfbudget von 5,5 Millionen Euro verfügt, muss gut mit ihren Ressourcen haushalten. Also dient der Wahlatlas, der von allen 61.000 Parteimitgliedern online abrufbar ist, als Wegweiser dafür, wo der Haustür-Wahlkampf sich besonders lohnt. 

Lange Gesichter bei den Grünen in Nordrhein-Westfalen, die bei der Landtagswahl am 14. Mai auf 6,4 Prozent absacktenBild: picture-alliance/dpa/I. Fassbender

Keine Belehrungen

Klingeln wollen die Grünen, die in den Umfragen bei sieben Prozent dümpeln, noch an vielen Türen. Schon das Ergebnis der letzten Bundestagswahl, 8,4 Prozent, hatte die Öko-Partei als große Enttäuschung empfunden. Damals, so stellten die Grünen in ihrer anschließenden Fehleranalyse fest, sei die Art der Ansprache nicht immer angemessen gewesen - zu belehrend und "von oben herab".

Das soll diesmal anders werden: Kein erhobener Zeigefinger, keine Vorträge, stattdessen Gespräche mit den Wählern, von denen sich viele bekanntermaßen im letzten Moment für eine Partei entscheiden. "Wir setzen auf Dialog und nicht nur darauf, dass wir auf einer Bühne stehen und etwas hinunter senden, so wie das bisher der Fall gewesen ist", betont Katrin Göring-Eckardt, die bereits im Wahlkampf 2013 Spitzenkandidatin ihrer Partei war und jetzt ihre Liebe zum Haustür-Wahlkampf entdeckt hat.

Die größten Effekte erzielt Partei allerdings in den sozialen Medien, die sie im Wahlkampf intensiv nutzt - vor allem Facebook, Instagram und Youtube. "Da gehen die Reichweiten schnell in die Hunderttausende oder Millionen", sagt Jasper Bauer, im Wahlkampfteam zuständig für die Online-Kommunikation. Die Kehrseite sind unzählige Schmähungen, die die Partei in den sozialen Netzwerken erhält. Mit einer eigenen Facebook-Gruppe, der "grünen Netzfeuerwehr", bekämpft sie Fake News und Verunglimpfungen. 

Zwei Millionen Euro investieren die Grünen in ihren Online-WahlkampfBild: picture alliance/dpa/S. Pilick

Zurück zum Markenkern

Dass im Wahlkampf auch ihre Kernthemen Ökologie und Klimaschutz ziehen, davon sind die Grünen überzeugt - und stellen diese wieder stärker nach vorne. Eine giftfreie Landwirtschaft ohne Tierquälerei zu erreichen, das interessiere sowohl die Menschen auf dem Land als auch in den Städten, sagt Wahlkampfleiter Michael Kellner. "In den Städten sind wir schon sehr stark, wir können aber große Zuwächse im ländlichen Raum erreichen." Auch mit den Themen soziale Gerechtigkeit und Integration will die Partei um Stimmen werben.

Konkrete Zielmarken setzen sich die Grünen lieber nicht, träumen aber den Traum von einer erneuten Regierungsbeteiligung im Bund wie zuletzt zwischen 1998 und 2005 unter Bundeskanzler Gerhard Schröder. Vom schlechten Abschneiden bei der wichtigen Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, wo die Grünen um etwa fünf Prozentpunkte abgestürzt und aus der Regierung geflogen sind, wollen sie sich nicht runterziehen lassen. Vier Monate vor der Bundestagswahl sei die Situation "volatil", wischt Spitzenkandidat Cem Özdemir den NRW-Blues weg. Noch sei für die Grünen "alles offen und alles drin".

 

Nina Werkhäuser Reporterin
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