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Wenn die Lust am eigenen Auto vergeht

Klaus Ulrich
27. Mai 2018

Der Dieselskandal nimmt kein Ende, in Deutschland kommen die ersten Fahrverbote. Das Verkehrschaos rund um die Großstädte und auf den Autobahnen wird immer schlimmer. Ist der Individualverkehr ein Auslaufmodell?

Filmstill - 2 Fast 2 Furious - Tyrese
Freude am Fahrzeug: US-amerikanischer Actionfilm "2 Fast 2 Furious"Bild: picture-alliance/Everett Collection

Für Jugendliche, die in großen Städten wohnen, hat der Besitz eines eigenen Autos keine große Bedeutung mehr - das ist das wichtigste Ergebnis einer Studie des Autoexperten Stefan Bratzel von der Wirtschaftshochschule in Bergisch Gladbach. Die Bedeutung von privatem PKW-Besitz und die emotionale Bindung zum Auto seien bei den 18 bis 25-Jährigen zunehmend rückläufig. Die Zeit für den Durchbruch alternativer Verkehrskonzepte scheint also reif zu sein.

"In Städten wendet sich die Jugend emotional vom Auto ab", sagt Bratzel im DW-Gespräch, "das öffnet die Tür für den öffentlichen Nahverkehr und für alternative Mobilitätskonzepte wie Carsharing, Bikesharing und andere Projekte". Während die urbane Jugend bereit zum Umdenken sei, werde sich außerhalb der Ballungsgebiete so schnell nichts ändern. "Auf dem Land sieht die Situation allerdings noch ganz anders aus, da wird es noch lange nicht ohne das eigene Auto gehen", so Bratzel.

Bequem von A nach B: Elektro-Sammeltaxi der VW-Tochter MOIABild: moia.io

Leipzig präsentiert integrierte Mobilität

Bus und Bahn mit Fahrrad und Auto digital vernetzen will beispielsweise Leipzig. Im gesamten Stadtgebiet stehen 28 "Mobilitätsstationen" in der Nähe zentraler Haltestellen, um den Umstieg zwischen den verschiedenen Verkehrsmitteln zu erleichtern. Über eine Chipkarte werden Buchung und Zugang zu Fahrrädern und Carsharing-Fahrzeugen sowie deren Bezahlung geregelt.

Die VW-Tochter MOIA will mit dem Pooling-Prinzip, einer Art Sammeltaxi, die Mobilität in Hamburg neu ausrichten. Fahrerlose, elektrisch angetriebene VW-Busse werden von den Kunden per Smartphone mit einer App gebucht. Der Zustieg erfolgt an virtuellen Haltestellen, zu denen man maximal 250 Meter laufen muss. Eine Testphase läuft seit längerem, der offizielle Start des Projektes ist im nächsten Jahr geplant.

Deutsche Bahn, Volkswagen und städtische Verkehrsbetriebe

Carsharing mit autonom fahrenden Fahrzeugen strebt die Deutsche-Bahn-Tochter IOKI an. Je nachdem, wo IOKI eingesetzt wird, können die Fahrzeuggrößen variieren. Noch in diesem Jahr soll die Integration in den Hamburger Nahverkehr beginnen. Jedoch gibt es auch Praxistests in kleineren Gemeinden. So wurde im niederbayerischen Bad Birnbach vor einem halben Jahr ein selbstfahrender Elektro-Kleinbus in Betrieb genommen, der bisher mehr als 10.000 Passagiere ans Ziel gebracht hat.

Autonom fahrender Bus (l.) und Elektro-Mini-Taxi Zbee der Deutsche-Bahn-Tochter IOKIBild: picture-alliance/dpa/S. Stache

Als Ergänzung zu U-Bahn, Tram und Bus, Rad und Car-Sharing schickt der städtische Mobilitätsanbieter in München ab Mitte Juni den "MVG Isar-Tiger" ins Rennen. Dafür kooperiert er mit einem Startup aus Berlin. Die Fahrzeuge stehen per Handy-App "on demand", also auf Abruf, bereit. Gasbetriebene VW-Caddys sollen zum Einsatz kommen, zunächst innerhalb eines Pilotprojekts in einem Testgebiet zwischen der Innenstadt und dem Münchner Westen.

Anschub durch politische Regulation fehlt

Um die neuen Mobilitätsangebote vorwärts zu bringen, fehlt bislang die massive Unterstützung seitens der Politik. "Diese politische Regulation muss dazu beitragen, dass der private Autoverkehr beschränkt wird", sagt Stefan Bratzel, "nur dann können sich diese neuen Mobilitätskonzepte wirklich ausbreiten". Der private Autoverkehr müsse in diesen Mobilitätskonzepten eine eigene, bescheidenere Rolle finden. Auf jeden Fall sei Eile geboten. "Der gesamte Lieferverkehr, der immer mehr durch die Amazonisierung des Handels in den Städten hinzukommt, wird irgendwann zu einer vollkommenden Verkehrstaublockade führen. Das gilt es zu verhindern, das geht nur mit einer zukunftsorientierten, nachhaltigen Regulation", so Bratzel.

Auch die großen deutschen Autobauer investieren seit Jahren viel Geld in neue Mobilitätsdienste - ein starker Beleg dafür, wie robust der Trend zu neuen Konzepten ist. Daimler und BMW haben ihre entsprechenden Angebote erst im März zusammengelegt und sind mit rund 40 Millionen Kunden zumindest in diesem Punkt auf Augenhöhe mit dem in Europa umstrittenen US-amerikanischen Fahrdienstleister Uber.

Technologie-Gigant Google drängt ins Geschäft mit der MobilitätBild: Reuters

BMW und Daimler stellen sich den Internetriesen zum "Krieg der Welten"

"Als Pioniere des Automobilbaus werden wir nicht anderen das Feld überlassen, wenn es um die urbane Mobilität der Zukunft geht", kommentierte Daimler-Chef Dieter Zetsche den Zusammenschluss. "Mit der geplanten Zusammenlegung unserer Mobilitätsdienste setzen wir ein Zeichen in Richtung neue Wettbewerber und bündeln unsere Kräfte", ergänzte BMW-Chef Harald Krüger. Die bisher konkurrierenden Carsharing-Anbieter der beiden Autokonzerne, Car2go und Drive-Now, sowie die Mobilitäts-Dienste Mytaxi, Moovel, Park-Now und Parkmobile sollen künftig auf einer gemeinsamen Plattform arbeiten. Daimler und BMW werden je 50 Prozent an dem Gemeinschaftsunternehmen halten. Die Zustimmung der Kartellwächter wird noch in diesem Jahr erwartet.

Auch die großen Internetriesen aus dem Silicon Valley wollen in diesem Spiel mitmischen. Das sei ein "Kampf der Welten" zwischen den etablierten Automobilherstellern und den Big-Data-Playern, sagt Bratzel. "Uber, Google und Apple sind da nur einige Namen, die in die Mobilitätsbranche wollen. In China heißen die Player Tencent und Alibaba oder Baidu."

Die digitalen Konkurrenten schickten sich an, ihr Portfolio von den Geschäfts-Bereichen Entertainment, Musik und beim E-Commerce auf Dienstleitungen zum Thema Mobilität auszudehnen. "Diese Player haben viel Erfahrung mit großen Datenmengen und mit Kundenkontakten. Die Automobilhersteller fangen gerade erst an, in diesen Bereichen Kompetenzen zu entwickeln." Für den Experten steht fest: "Es wird ein harter Kampf um die gefragtesten Mobilitätsplattformen der Zukunft."

 

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