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Man trägt Brille

Marcus Bösch18. Oktober 2012

Handytaschen an Männergürteln, Google-Glasses auf Fashionweeks, Abenteurer in Bugattis. Wer hat Style, wer muss sein Leben filmen - wer wird zur Legende? Marcus Bösch denkt nach. Über Mode und das Leben.

In this undated handout photo provided by the Google[x] group's "Project Glass", an early prototype of Google's futuristic Internet-connected glasses, are modeled. The specs are said to give you directions, let you video chat, shop and do everything else you now need a handheld gadget to accomplish. Google gave a glimpse of “Project Glass” in a video and blog post this week. (Foto:Google/AP/dapd)
Google Project Glass Cyber BrilleBild: AP

Alles fängt mit einer ledernden Gürteltasche an. Sie ist schwarz, man kann das Mobiltelefon darin verstauen, eingeprägt ist der Name des Herstellers. Bugatti. Der Name verspricht Abenteuer, Mut und Weltgewandtheit. Ein Mann mittleren Alters trägt diese Gürteltasche. Er befindet sich auf einer wissenschaftlichen Konferenz an der Technischen Universität Darmstadt. Es ist 2012.

Keine Ahnung ob er weiß, dass die bugatti Holding Brinkmann GmbH & Co. KG mit Sitz im ostwestfälischen Herford, die die Tasche für 10,99 Euro feilbietet, gar nichts mit dem legendären Automobilhersteller Ettore Bugatti zu tun hat.

Einschub: Am 14. April 1929 gewinnt der Brite W. Williams in einem grünen 35B Bugatti in drei Stunden, 56 Minuten und elf Sekunden den ersten Grand Prix von Monaco.

Fashion Fashion Fashion

Ich habe schon sehr lange keine Handygürteltasche mehr gesehen. Ich dachte, es gibt sie gar nicht mehr. Für eine sehr kurze Zeitspanne in der Menschheitsgeschichte haben sich vor allem Männer mittleren Alters ihr Mobiltelefon für alle gut sichtbar an den Gürtel geklemmt. Dahin wo vorher mal ein Messer, ein Kompass oder von mir aus ein Schwert hing. Vorbei. Der Mann auf dieser Konferenz ist der letzte Mann mit einer Mobiltelefongürteltasche.

Warum nur ist der Vergleich zwischen Waffen und Handys am Gürtel so...bizarr?Bild: Getty Images

Gut 6000 Kilometer weiter westlich findet fast zeitgleich zur Darmstädter Konferenz die New Yorker Fashion Week statt. Ein neues Accessoire wird hier gezeigt. Es fällt zunächst nicht richtig auf, weil dieses Jahr ALLE Menschen oberhalb und unterhalb des Laufstegs alberne Brillen tragen. Trotzdem fragen sich anwesende Modejournalisten, was um alles in der Welt die billigen Kassengestelle sollen, die die sonst gar nicht so billig aussehenden Modells von Diane von Fürstenberg auf ihren dünnen Nasen tragen.

Google Glass Gadget

Erst am Ende des Defilées, als die Modeschöpferin, selbst auch mit so einem komischen Nasenfahrrad versehen, einen bärtigen Mann auf die Bühne zieht, den dann einige als Sergey Brin, also den Mitgründer von Google identifizieren, der natürlich auch so ein Ding im Gesicht hat, wird klar: Diese Brillen sind nicht einfach Brillen, sondern Google Glasses. Ein Gadget aus der Zukunft. Denn noch dürfen nur ausgewählte Entwickler diese Dinger testen.

Eine Google Glass Datenbrille schärft zwar nicht das Sichtfeld, kann aber Videos und Bilder aufnehmen. Und zwar praktischerweise genau von dem was man selber gerade sieht, genau dann, wenn man es sieht.

Abenteuerliches Leben

Das waren noch die chten Abenteurer. Ohne Schnickschnack.Bild: ullstein bild

Der Brite W. William, der 1929 den Grand Prix gewann, hatte weder Gürteltasche noch Brillengestell. Dafür war er Chauffeur des impressionistischen irischen Malers William Orpen. Er fuhr dessen Rolls-Royce, heiratete dessen Geliebte, besaß ein Haus in Paris und eins an der Biskaya. Jahre nach der Rennfahrerkarriere wurde er als Mitglied einer nachrichtendienstlichen Spezialeinheit in Frankreich gefangen genommen und von den Nazis ermordet.

Gerne würde man Ausschnitte dieses Lebens in der Ich-Perspektive gefilmt bei YouTube sehen. Am liebsten direkt auf dem Mobiltelefon.

Obwohl...

Vielleicht auch nicht. Was bliebe vom Mythos? Was bliebe von der phantasiebefeuerten Vorstellung? Abgesehen davon gibt es seit 2009 ein Videospiel, das auf der Geschichte von W. Williams basiert. Es heißt "The Saboteur“.

Marcus Bösch war irgendwann 1996 zum ersten Mal im Internet. Der Computerraum im Rechenzentrum der Universität zu Köln war stickig und fensterlos. Das Internet dagegen war grenzenlos und angenehm kühl. Das hat ihm gut gefallen.

DW-Netzkolumnist Marcus BöschBild: DW/M.Bösch

Und deswegen ist er einfach da geblieben. Erst mit einem rumpelnden PC, dann mit einem zentnerschweren Laptop und schließlich mit geschmeidigen Gerätschaften aus aalglattem Alu. Drei Jahre lang hat er für die Deutsche Welle wöchentlich im Radio die Blogschau moderiert. Seine Netzkolumne gibt es hier jeden Donnerstag neu.

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